«Dies ist kein Gin»: Alkoholverzicht durch Imitate ohne Geschmacksverlust?

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Alkoholverzicht scheint im Trend zu liegen. In den USA sprechen manche von «sober curious», was «nüchtern neugierig» oder in etwa Nüchternheitsneugier bedeutet. Es ist das Konzept, ein Leben ohne Alkohol zu propagieren, aber dabei nicht unbedingt auf Cocktails zu verzichten und stattdessen zu alkoholfreien Cocktails (sogenannten Mocktails)zu greifen.

Als Pionierin der Sober-Curious-Idee gilt die New Yorker Autorin Ruby Warrington, die 2018 ein Buch zum Thema herausgebracht hat. Der Untertitel des Werks «Sober Curious» lautet: «The Blissful Sleep, Greater Focus, Limitless Presence and Deep Connection Awaiting Us All on the Other Side of Alcohol» (Der glückselige Schlaf, die bessere Fokussierung, die grenzenlose Präsenz und tiefe Verbundenheit, die uns alle auf der anderen Seite des Alkohols erwartet).

Ihre Nichttrinken-Philosophie richtet sich keineswegs an Alkoholiker und sieht sich auch nicht als Heilung einer Krankheit. Es geht ihr um die vielen Millionen, die sich eher in einer Trink-Grauzone wähnen, also kaum ohne Alkohol abschalten können. Menschen, die sehen, dass Alkohol mehr Macht über sie hat, als sie sich lange einzugestehen trauten. Menschen, die es denkwürdig finden, dass in der westlichen Welt jeder, der nicht trinkt, in den Augen der meisten ein trockener Alkoholiker oder schwanger oder ein komischer Kauz sein muss.

So wie es einen wachsenden Markt für Fleischimitate gibt, für Menschen, die auf tierische Produkte verzichten wollen, gibt es auch ein wachsendes Angebot für Leute, die neugierig darauf sind, Ausgehen und Spaßhaben ohne Alkohol auszuprobieren, ohne sich aber unbedingt des Geschmacks der Getränke vollends zu berauben. Das sieht man zum einen bei alkoholfreiem Bier und Wein, aber eben auch immer öfter bei Spirituosen. So gibt es alkoholfreien Ersatz-Rum, -Gin oder -Wermut.

Folgt man Experten, dann begann es im Spirituosenbereich vor etwa 20 Jahren mit dem Whiskyersatz «Whissin». Er enthält Zutaten wie schottischer Whiskey (Gerste, Roggen, Weizen), aber unvergoren. Pur ist er süßer als echter Whisky, als Mixzutat fällt das schon nicht mehr jedem auf.

Der Gin-Boom bewog die deutsche Marke Siegfried Rheinland Dry Gin, eine alkoholfreie Alternative auf den Markt zu bringen: das kalorienarme Kräuterwasser zum Mixen heißt «Wonderleaf». Daneben gibt es zum Beispiel auch «GinSin Premium 12 Botanics» aus Spanien, den «Herbie Virgin» aus Dänemark, den «Seedlip Spice 94» aus England und einen Gin-Sirup der französischen Marke Monin.

Ganz neu ist die Marke Undone, die nach eigenem Bekunden die Trinkkultur von der Dominanz des Alkohols befreien will und dennoch die klassischen Geschmacksrichtungen anbietet. Es gibt mehrere Sorten. Sie heißen «Juniper Type» (Typ Wacholder), auf der dann «This is not Gin» (Dies ist kein Gin) steht, oder «Sugar Cane Type» (Zuckerrohr), auf der dann «This is not Rum» verkündet wird. Außerdem gibt es «Italian Bitter Type» (This is not Orange Bitter) und «Italian Aperitif Type» (This is not Vermouth/kein Wermut). Je nach Sorte kostet eine 0,7-Liter-Flasche etwa 15 bis 20 Euro.

Und wie findet die Spirituosenindustrie diese Entwicklung? Sie äußert sich sehr zurückhaltend, betont aber, dass der Pro-Kopf-Konsum von Spirituosen letztes Jahr bei 5,4 Liter lag und zehn Jahre zuvor bei 5,5 Liter. «Er war im letzten Jahrzehnt damit relativ stabil», sagt Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin beim Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) in Bonn.

Gemäß der neuen EU-Spirituosen-Verordnung, die im Mai in Kraft trat, gebe es keine alkoholfreien Spirituosen. Die Ersatz-Getränke seien entsprechend lebensmittelrechtlich einfach alkoholfreie Getränke. Über Marktforschung zu Zielgruppen oder Steigerungen in diesem Jahr könne der Spirituosenverband deshalb nichts sagen.

Von Gregor Tholl, dpa


 

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