Angst vor Corona-Mutationen - Merkel will abwarten

| Politik Politik

Knapp eine Woche vor dem nächsten Corona-Treffen von Bund und Ländern ist die weitere Strategie nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch offen. Was bei den Beratungen am nächsten Mittwoch herauskommen werde, könne sie noch nicht sagen, sagte Merkel am Donnerstagabend in einem Interview der Sender ntv und RTL. «Weil ich mir angucken muss, wie weit ist das britische Virus schon vorgedrungen.» Sie warnte vor «falschen Hoffnungen»: «Ich sehe ein leichtes Licht am Ende des Tunnels, aber es ist eine unglaublich schwere Zeit.»

Bei dem Treffen soll entschieden werden, ob der bislang bis zum 14. Februar befristete Lockdown verlängert wird. Noch zuvor will das Robert Koch-Institut (RKI) nach Angaben von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Ergebnisse vorlegen, wie stark sich die Virus-Mutationen in Deutschland verbreitet haben. Die zuerst in Großbritannien entdeckte Variante gilt als besonders ansteckend. An diesem Freitag wollen sich Spahn, RKI-Chef Lothar Wieler und der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, zur aktuellen Lage äußern.

Merkel vertrat die Ansicht, der Scheitelpunkt der zweiten Welle sei überschritten. Die Infektionszahlen gingen deutlich herunter, es werde immer mehr geimpft. Allerdings seien Zielwerte noch nicht erreicht. Man wolle am Mittwoch eine Entscheidung, die auch für die Wirtschaft gut sei. «Wenig Infektionszahlen bedeuten auch eine bessere Situation für die Wirtschaft. Das haben alle Untersuchungen gezeigt.»

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) warnten vor vorzeitigen Lockerungen. Alle seien sich einig, dass als erstes Schulen und Kitas an der Reihe seien, sagte Tschentscher in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner». Er sehe aber im Moment noch keinen Spielraum für Lockerungen. Söder mahnte zu Vorsicht, damit kein dritter Lockdown notwendig werde: «Lieber ein Schritt langsamer, als es am Ende wieder zu verstolpern.»

Bund und Länder hatten bei ihren Beratungen am 19. Januar beschlossen, den Lockdown bis Mitte Februar zu verlängern. Restaurants und Bars, Freizeiteinrichtungen sowie viele Geschäfte sollen zumindest so lange geschlossen bleiben. Zugleich wurde aber vereinbart, dass eine Arbeitsgruppe ein Konzept für eine «sichere und gerechte» Öffnungsstrategie erarbeiten soll.

Inzwischen arbeitet auch Thüringen an einem Corona-Stufenplan. Er solle voraussichtlich kommende Woche vom Kabinett verabschiedet und danach dem Landtag vorgelegt werden, sagte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Thüringen orientiere sich dabei an Schleswig-Holstein und Niedersachsen, die bereits Stufenpläne vorgestellt haben. «Und mir wäre es am liebsten, wenn wir so etwas bundesweit hätten», sagte Ramelow. «Ich möchte einen verbindlichen Fahrplan für Deutschland.»

Die deutschen Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 12 908 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 855 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Freitag hervorgeht. Vor genau einer Woche hatte das RKI 14 022 Neuinfektionen und 839 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet.

Wirtschaftsverbände verlangen immer drängender eine klare Öffnungsperspektive. Viele Unternehmer stünden wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand und zehrten angesichts massiver Ertragseinbußen von ihren Reserven, heißt es in einer Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand. «Gerade sie warten dringend auf eine klare und an nachvollziehbaren Kriterien ausgerichtete Öffnungsperspektive.»

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft forderte, einen Wirtschaftsgipfel einzuberufen. Der ZIA begrüßte die stufenweise Öffnungspläne, die die Länder bereits entwickelt hätten. «Jeder Monat Lockdown kostet 34 Milliarden Euro. Trotz aller Wirtschaftshilfen gilt: Öffnungen sind die besten Hilfen», so ZIA-Präsident Andreas Mattner.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief die Bundesländer angesichts größerer angekündigter Liefermengen des Corona-Impfstoffes von Astrazeneca auf, das Vakzin ohne Rückstellungen für die Zweitdosis an die priorisierten Gruppen zu verabreichen. In Anbetracht des in diesem Fall von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Mindestabstands zwischen Erst- und Zweitimpfung von neun bis zwölf Wochen und wegen «der weiter bestehenden Knappheit an Impfstoffen bei gleichzeitig hohem Bedarf» empfehle er, die für den 6., 12. und 19. Februar angekündigten Impfdosen «vollständig und ohne Rückstellungen für die Zweitimpfungen zu verimpfen». So heißt es in einem Schreiben Spahns an die Länder, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

«Auf diesem Weg können nach der Zulassung von Astrazeneca in den ersten drei Februarwochen mehr als 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Erstimpfung erhalten.» Nach dpa-Informationen werden am kommenden Samstag 345 000 Impfdosen in Deutschland erwartet, eine Woche später 391 000 und am 19. Februar eine Million Impfdosen. Anfang März sollen es dann noch einmal 1,5 Millionen Dosen sein. Mit dem Impfstoff von Astrazeneca stehen nach jenen von Biontech/Pfizer und Moderna drei Vakzine zur Verfügung.

Unterdessen räumte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Versäumnisse bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen auf europäischer Ebene ein. Die EU habe unterschätzt, welche Komplikationen bei der Herstellung solcher Impfstoffe auftreten können, sagte von der Leyen in einem Interview der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag) und anderer europäischer Medien. Mit Blick auf Kritik, die EU habe zu zögerlich bestellt, sagte sie: «Natürlich: Ein Land kann ein Schnellboot sein. Und die EU ist mehr ein Tanker.» Die deutsche Kommissionspräsidentin sagte weiter: «Wir haben uns sehr stark auf die Frage fokussiert, ob es ein Vakzin geben wird, also die Entwicklung.» Aus heutiger Sicht hätte man «stärker parallel über die Herausforderungen der Massenproduktion nachdenken müssen».


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die neue Budgetverteilung im Bundeshaushalt 2026 stößt beim Deutschen Tourismusverband auf gemischte Reaktionen. Während der Etat für Kunst und Kultur bejubelt wird, sorgt eine weitere Kürzung der zentralen Tourismusförderung für Unmut.

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz fordert, Werkverträge bei Essenslieferdiensten zu verbieten. Auch die Gewerkschaft NGG unterstützt den Plan. Ähnliches gibt es schon in anderen Branchen.

Europa-Park-Gründer Roland Mack hat im Umgang mit der AfD für einen offenen Austausch geworben. Dass man mit Menschen spreche, die immerhin einen hohen Anteil an Wählerstimmen ausmachten, halte er für notwendig und richtig, so der 76-Jährige in einem Gespräch mit dem «Südkurier».

Im Land Bremen soll es auf Einweggeschirr eine Steuer geben. Aber die geplante Einführung zum 1. Januar muss verschoben werden - zunächst sollen die Träger öffentlicher Belange gehört werden.

Die Gewerkschaft NGG hat ihre Empfehlungen für die Tarifverhandlungen 2026 veröffentlicht und fordert Entgeltsteigerungen von 4 bis 6 Prozent sowie konkrete Verbesserungen für Auszubildende.

Wie der AfD begegnen? Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen. Das sorgt für scharfe Diskussionen in Politik und Wirtschaft. Caroline von Kretschmann, Inhaberin des Luxushotels Europäischer Hof in Heidelberg, die im Präsidium der Familienunternehmer sitzt, bezieht deutlich Stellung – auch klar abweichend von der Verbandslinie.

Der Stadtrat von Kaiserslautern hat mehrheitlich die geplante Einführung einer Übernachtungssteuer abgelehnt. Die Steuer sollte ursprünglich ab dem 1. Januar 2026 auf Gästeübernachtungen erhoben werden.

Schleswig-Holsteins Gastronomie kämpft laut dem FDP-Fraktionschef mit steigenden Kosten. Er hofft auf Entlastungen durch weniger Bürokratie und niedrigere Mehrwertsteuer und fordert ein klares Signal.

Der Hotelverband Deutschland und der Handelsverband Deutschland warnen vor den Folgen einer geplanten EU-Regulierung, die das bedingungslose Rückerstattungsrecht auf händler-initiierte Kartenzahlungen ausweiten könnte.

Der Landtag von Baden-Württemberg hat die Neufassung des Landesgaststättengesetzes beschlossen. Die Reform tritt am 1. Januar 2026 in Kraft und führt zu grundlegenden Vereinfachungen für Gastgewerbebetriebe in Baden-Württemberg.