Arbeitgeber dürfen Corona-Tests anordnen

| Politik Politik

Mit ihrem Widerstand gegen eine vom Arbeitgeber verordnete Corona-Testpflicht hat sich eine Flötistin der Bayerischen Staatsoper durch alle Gerichtsinstanzen gekämpft - und für ein Grundsatzurteil gesorgt. Deutschlands höchste Arbeitsrichter stellten am Mittwoch in Erfurt fest, dass Arbeitgeber ihren Angestellten Corona-Tests vorschreiben können, um das Infektionsrisiko zu verringern. Eine solche Anordnung sei möglich, aber die Testpflicht müsse verhältnismäßig sein und die Interessen beider Seiten abwägen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Streit um Testpflichten in Hygienekonzepten von privaten und öffentlichen Unternehmen (5 AZR 28/22).

Arbeitgeber dürfen Corona-Tests anordnen - Die Begründung der Bundesarbeitsrichter

Arbeitgeber hätten eine Fürsorgepflicht und könnten im Interesse des Arbeitsschutzes Weisungen erteilen, um Leben und Gesundheit zu schützen, erklärte der Fünfte Senat. «Nach der Rechtsprechung des BAG müssen Arbeitgeber aktiv werden, wenn es Gefährdungen für Arbeitnehmer gibt», sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Linck in der Verhandlung. Das Schutz- und Hygienekonzept der Staatsoper in München, bei der die Klägerin etwa 25 Jahre beschäftigt war, sei mit wissenschaftlicher Beratung auf Basis der bayerischen Corona-Verordnung erlassen worden. «Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig», so die Richter.

Arbeitgeber dürfen Corona-Tests anordnen - Die Konsequenzen der Entscheidung

Das Urteil hat nach Ansicht von Fachleuten Auswirkungen auf Tausende Arbeitnehmer, wenn die Zahl der Corona-Infektionen im Herbst in Deutschland wieder stark steigen sollte. Es könne «für die nächste Infektionswelle entscheidende Hinweise zur Abwägung von Daten- und Gesundheitsschutz geben», sagt der Bonner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing. «Viele haben in der Vergangenheit darauf gedrängt, dass es betriebliche Tests gibt.»

Der Fall der Münchner Flötistin

Die Orchestermusikerin weigerte sich, wie von ihrem Arbeitgeber vorgeschrieben zum Spielzeitbeginn 2020/21 einen PCR-Test abzulegen. Das Hygienekonzept der Staatsoper in München sah vor, dass sich alle etwa 1000 festen Mitarbeiter bei Dienstantritt kostenfrei testen lassen, die 140 Musiker zudem weiterhin nach einer bis drei Wochen. Auf die Test-Verweigerung der Flötistin reagierte der Arbeitgeber prompt - keine Arbeit und damit kein Gehalt waren die Konsequenz. Es ging um brutto etwa 18 000 Euro. Wie die Vorinstanzen in Bayern erklärte das BAG die PCR-Testpflicht für rechtens - ebenso das wegen «fehlenden Leistungswillens» kein Gehalt gezahlt wurde.

Noch keine staatlichen Vorgaben

Der Fall spielt in einer relativ frühen Phase der Corona-Pandemie, im August 2020. Eine staatlich verordnete Pflicht zu Tests für ungeimpfte Arbeitnehmer jenseits von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bestand nur von November 2021 bis März 2022.

Die Klage der Orchestermusikerin

Die Flötistin pochte darauf, dass ihr Gehalt für die Monate August bis Oktober 2020 nachgezahlt wird. Sie vertrat über ihren Anwalt die Auffassung, dass es keine rechtliche Grundlage für anlasslose, allgemeine PCR-Tests gab und weder Datenschutz noch Arztgeheimnis gewahrt worden seien. Was trieb sie, durch alle Instanzen zu gehen? «Sie fühlte sich ungerecht behandelt durch den Ausschluss vom Arbeitsleben», sagte ihr Anwalt. Inzwischen gehöre sie der Staatsoper nicht mehr an - ihr sei gekündigt worden. Zu den Gründen wollte sich der Anwalt nicht äußern.

Die Haltung des Arbeitgebers

Die Anwältin, die die Staatsoper und letztlich den Freistaat Bayern vertrat, verwies in der Verhandlung auf den Schutz der Ensemblemitglieder und des Publikums vor dem Coronavirus. Die Oper habe Umbauten im Orchestergraben vorgenommen, Stücke mit kleinerer Besetzung gespielt - schließlich sei klar geworden: «Abstand und Plexiglasscheiben reichen nicht aus. Wir haben einen hochsensiblen Bereich.»


Notizblock

Internet

Zurück

Vielleicht auch interessant

Weniger Werbung für Ungesundes: Vor allem Kinder sollen dadurch geschützt werden. Die britische Regierung erhofft sich langfristig Milliardeneinsparungen im Gesundheitssektor.

Am 2. Oktober beginnt vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim eine entscheidende Verhandlungsreihe. Gegenstand sind Berufungen der landeseigenen L-Bank gegen Urteile, die zuvor Rückforderungsbescheide der Corona-Soforthilfe als unrechtmäßig eingestuft hatten.

Gastwirte sollen 2026 entlastet werden, die Umsatzsteuer auf Speisen sinkt. Doch ob es auch zu Preissenkungen in Restaurants kommt, ist fraglich. Die DGB-Vorsitzende hätte da einen anderen Vorschlag. Bayerns Tourismusministerin widerspricht.

Die geplante Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf Restaurants, Imbisse und Co. stößt auf heftigen Widerstand. Branchenvertreter sehen darin eine neue, unnötige Bürokratie und befürchten Wettbewerbsnachteile, ohne dass es einen echten Mehrwert für die Gäste gibt.

Die europäische Kommission hat von den Tech-Unternehmen Apple, Google, Microsoft und Booking.com Auskünfte darüber verlangt, wie sie sich auf ihren Plattformen gegen Betrugsmaschen zur Wehr setzen. Grundlage dafür ist das Gesetz über digitale Dienste.

Beim „Burger Dialog“ von McDonald's trafen Vertreter der Gen Z auf Abgeordnete der Regierungskoalition. Im Zentrum des Austauschs standen die Sorgen junger Menschen, die zunehmend daran zweifeln, dass Leistung allein noch den gesellschaftlichen Aufstieg sichert.

In vielen Ballungsräumen gehen etliche reguläre Wohnungen ausschließlich an Feriengäste. Lindert es die Wohnungsnot, wenn man die kurzfristige Vermietung eindämmt?

Die Bundesregierung richtet ihre Tourismuspolitik neu aus. Eine neue Nationale Tourismusstrategie (NTS) soll künftig die „Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft“ in den Mittelpunkt stellen.

Die Europäische Kommission hat einen Verhaltenskodex für Online-Bewertungen​​​​​​​ im Tourismussektor veröffentlicht. Zahlreiche Forderungen der Hotellerie wurden in die Leitlinien aufgenommen, dennoch sieht die Österreichische Hotelvereinigung weiteren Handlungsbedarf, insbesondere was die rechtliche Verbindlichkeit betrifft.

Die Bundesregierung hat bei einer Kabinettssitzung die Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer auf den Weg gebracht. Die Ministerinnen und Minister beschlossen einen Gesetzentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil. Damit soll die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft von derzeit 19 auf 7 Prozent reduziert werden.