Berlins Amtsärzte fordern neue Corona-Lockerungsstrategie

| Politik Politik

Berlins Amtsärzte fordern nach einem Medienbericht einhellig, Lockerungen nicht mehr an generelle Inzidenzwerte zu knüpfen. Es sei «nicht zielführend, Eindämmungsmaßnahmen an Inzidenzen von 20/35/50» zu koppeln, heißt es dem «Tagesspiegel» (Montag) zufolge in einer Stellungnahme aller zwölf Amtsärzte. Stattdessen schlagen die Mediziner demnach «intensive Maßnahmen der Infektionsprävention» für Alte und Kranke und gleichzeitig eine Abmilderung der Maßnahmen für andere Gruppen wie Schulkinder vor. Das Papier sei am Wochenende als Stellungnahme an die Senatskanzlei geschickt worden.

«Diese Inzidenzen bilden nicht das wirkliche Infektionsgeschehen ab», schreiben demnach die Amtsärzte. Die Inzidenzen seien von Testkapazitäten und dem Testwillen der Menschen abhängig. «Dadurch kommt es zu Schwankungen, die nicht die infektiologische Lage widerspiegeln», zitiert das Blatt die Ärzte. Es sei ein Unterschied, ob Inzidenzen durch Cluster-Ausbrüche oder breite Durchseuchung zustande kämen und auch, welche Altersgruppen infiziert seien.

Notwendig sei eine nach Altersgruppen ausgerichtete Inzidenzanalyse als «Frühwarnsystem». Aus dem Kreis der Amtsärzte hieß es laut «Tagesspiegel», es sei ein «großer Unterschied», ob eine Sieben-Tage-Inzidenz von 50 herrsche, alle Infizierten symptomfreie Kinder und Menschen über 80 schon durchgeimpft seien oder ob bei einer Inzidenz von 50 vor allem Risikogruppen betroffen seien. Danach müsse man die politischen Maßnahmen ausrichten.

An diesem Montag kehren in Berlin wie in vielen anderen Bundesländern die Klassen eins bis drei als erste in den Präsenzunterricht zurück.

«Absolut unverantwortlich»: Montgomery warnt vor Lockerungen

Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat vor weiteren Lockerungen der Corona-Regeln gewarnt. «Wer in Zeiten steigender R-Werte über Lockerungen spricht, handelt absolut unverantwortlich», sagte der Mediziner den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Für solche Schritte sei es zu früh. «Bei jeder Lockerung wird es einen deutlichen Anstieg der Zahlen geben.»

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag nach dem Lagebericht des Robert Koch-Instituts vom Sonntagnachmittag bei 1,10 (Vortag 1,07). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 110 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab.

Mit Blick auf die zuletzt wieder gestiegene Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche, und den erneut hohen R-Wert warnte Montgomery: «Der Inzidenzwert zeigt, wo wir aktuell stehen. Der R-Wert zeigt, wohin wir gerade gehen. Bei einem Wert klar über 1,0 droht wieder exponentielles Wachstum - und genau das ist jetzt der Fall.» Das Virus habe mit seinen Mutationen eine neue Stufe erreicht. Es sei nicht nur ansteckender, sondern führe wahrscheinlich auch zu schwereren Krankheitsverläufen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem RKI zuletzt binnen eines Tages 4369 Corona-Neuinfektionen gemeldet, wie aus Zahlen vom Montag hervor geht. Am Montag sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag den Angaben zufolge am Montagmorgen bundesweit bei 61,0 - und damit höher als am Vortag (60,2). (dpa)

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Verbot der Bettensteuer in Bayern bleibt bestehen. Das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden. Die Staatsregierung freut sich - aber der Streit könnte bald an anderer Stelle weitergehen.

Weniger als jede zweite in Deutschland verkaufte Weinflasche stammt aus heimischer Produktion. Wie kann hiesiger Wein mehr ins Rampenlicht gerückt werden? Ein Treffen im Kloster Eberbach soll helfen.

Die Dorfkneipen in Brandenburg sollten nach Ansicht von Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) angesichts existenzieller Probleme unterstützt werden - doch wann ist offen. Die CDU-Opposition dringt hingegen auf schnelle Hilfe.

Steigende Kosten und internationale Konkurrenz setzen dem Weinbau zu. Im Kloster Eberbach bei Eltville wollen Minister aus acht Bundesländern der Branche helfen. Worum soll es in ihren Gesprächen gehen?

Verbesserter Datenaustausch und digitale Prüfungen sollen den Kampf gegen illegale Beschäftigung effektiver machen. In der letzten Woche hat der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung verabschiedet. Der DEHOGA begrüßt die angestrebte Bürokratieentlastung, mahnt aber Ursachenbekämpfung an.

Das Europäische Parlament hat den Weg für eine deutliche Entbürokratisierung im Bereich Lieferketten, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Taxonomie freigemacht. Der DEHOGA begrüßt die damit verbundene Chance auf durchgreifende Vereinfachungen und einen mittelstandsfreundlicheren Ansatz.

Die Koalition plant die Senkung der Luftverkehrsteuer. Das Vorhaben polarisiert: Während die Reisewirtschaft eine Trendwende und Entlastung sieht, hagelt es Kritik von Umwelt- und Klimaschützern.

Nach 36 Jahren beim DEHOGA Bundesverband und fast 20 Jahren als Hauptgeschäftsführerin ist Ingrid Hartges heute in Berlin offiziell verabschiedet worden. Die feierliche Veranstaltung fand im JW Marriott Hotel Berlin statt und vereinte führende Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien der Branche und ihrer Partner.

Das bestehende Minijob-System steht im Zentrum einer politischen Debatte. Eine Gruppe von Unions-Bundestagsabgeordneten sehen in der geringfügigen Beschäftigung einen „Systemfehler“, der reguläre Arbeit verdrängt und unsozial sei. Der DEHOGA Bundesverband hingegen warnt eindringlich vor den Konsequenzen einer Abschaffung.

Studierende in Niedersachsen sollen bald wieder ein warmes Mittagessen für 2,50 Euro bekommen. SPD und Grüne im Landtag wollen das sogenannte «Niedersachsen-Menü» an allen Hochschulen im Land neu auflegen. Fünf Millionen Euro sind dafür eingeplant.