G7 will Preisanstieg bei Lebensmitteln mildern

| Politik Politik

Die Märkte offenhalten, von Russland blockierte Getreidelieferungen aus der Ukraine herausbekommen und Hamstern vermeiden - so will die G7-Gruppe der führenden demokratischen Industriestaaten den Anstieg der Nahrungsmittelpreise dämpfen. «Wir haben alle miteinander, gerade die großen Exportnationen, auch eine Verantwortung für den Rest der Welt», sagte Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) am Samstag in Stuttgart nach Abschluss des Treffens mit seinen G7-Amtskollegen. «Wir sprechen uns gegen Exportstopps aus und rufen dazu auf, die Märkte offen zu halten.» Zur Ankündigung Indiens, keinen Weizen mehr exportieren zu wollen, sagte Özdemir: «Wenn jetzt alle anfangen, solche Exportbeschränkungen zu machen oder gar Märkte zu schließen, wirkt das krisenverschärfend.»

Nach dem Willen der Ressortchefs sollen die G7-Staats- und Regierungschefs nun über das Thema beraten, berichtete Özdemir. Indien sei beim Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern Ende Juni zu Gast. Deutschland führt derzeit die Staatengruppe. Die internationalen Getreidemärkte sind wegen des Russland-Ukraine-Kriegs besonders angespannt, die Preise gehen nach oben. Der Höhenflug bedroht insbesondere arme Länder, die auf Importe angewiesen sind.

Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge, sieht die Gefahr von Hungersnöten. «Länder wie Ägypten, Kenia, der Südsudan, der Libanon und viele andere Staaten waren bislang direkt oder indirekt stark von russischen und ukrainischen Exporten abhängig», sagte Mogge dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Diese Länder erhalten jetzt nicht die bestellten Mengen oder müssen dafür sehr viel mehr bezahlen.» Leidtragende seien besonders arme Menschen, die einen hohen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssten. Auch für Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe seien die gestiegen Preise ein riesiges Problem.

Die G7 sprechen sich Özdemir zufolge grundsätzlich gegen Exportstopps aus. «Wir rufen dazu auf, die Märkte offen zu halten.» Indien als weltweit zweitgrößter Weizenproduzent hatte zuvor angekündigt, die Ausfuhr des Getreides mit sofortiger Wirkung zu verbieten. Die Entscheidung sei angesichts des Anstiegs der weltweiten Weizenpreise getroffen worden, wodurch Neu Delhi die Lebensmittelsicherheit Indiens gefährdet sieht. In dem Land hatte in den vergangenen Monaten eine Hitzewelle Teile der Ernte vernichtet.

Die G7 wollen laut Özdemir die Preise für Produktions- und Lebensmittel stärker überwachen als bisher, dabei gehe es beispielsweise um Düngemittel. Dazu solle das Agrarinformationssystem der G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer gestärkt werden.

«Es darf keine übermäßige Lagerhaltung von Agrarprodukten in einzelnen Ländern geben - das ist unsolidarisch und führt zu weiteren Preissteigerungen», sagte Özdemir. Der G7-Gruppe gehören neben der Bundesrepublik die USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan an.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace zeigte sich unzufrieden mit den Ergebnissen der G7-Agrarministerkonferenz. «Die Ministerinnen und Minister sind Erklärungen schuldig geblieben, welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen, um die Märkte zu stabilisieren», sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «So steht noch kein Gramm Weizen bereit, um die Menschen zu versorgen, die vom Hunger bedroht sind, wenn die Exporte aus der Ukraine ausfallen.»

Deutschland sollte demnach in Europa vorangehen und die Beimischung von Biosprit zu Diesel und Benzin umgehend beenden. «Wenn Millionen Menschen hungern, ist nicht vertretbar, dass in den reichen Ländern wertvolle Lebensmittel in Verbrennungsmotoren verheizt werden.»

Die G7 prüft Alternativen zum Schiffstransport von Getreide aus der Ukraine, um die russische Blockade zu brechen. Nachdem es beim Schienentransport über Rumänien wegen der unterschiedlichen Spurbreite der Bahnen Probleme gebe, prüfe man etwa die Ausfuhr über die baltischen Häfen, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Samstag zum Abschluss eines G7-Treffens nahe dem Weißenhäuser Strand an der Ostsee.

Die Gruppe der G7 forderte Russland auf, die Blockade ukrainischer Getreideexporte zu beenden. Russlands grundloser Krieg in der Ukraine habe die globalen Wirtschaftsaussichten mit stark steigenden Nahrungsmittel-, Kraftstoff- und Energiepreisen verschlechtert, hieß es in einer beim Treffen der Außenminister verabschiedeten Erklärung. Rund 43 Millionen Menschen stünden nur einen Schritt entfernt von einer Hungersnot. Es drohe Ernährungsunsicherheit und Unterernährung.

Russland wies die Verantwortung für die hohen Lebensmittelpreise und die Gefahr einer Hungerkrise zurück. Die Preise stiegen wegen der westlichen Sanktionen, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Samstag auf ihrem Telegram-Kanal. «Wenn man das nicht versteht, ist das entweder ein Zeichen von Dummheit oder für die bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Nach dem sogenannten Weihnachtsfrieden nimmt der Tarifstreit bei der Deutschen Bahn Fahrt auf: Von Mittwoch bis Freitag will die Lokführergewerkschaft GDL im Personenverkehr streiken.

Am 15. Januar findet als Abschlussaktion der Aktionswoche „Ohne uns kein Essen“ der Landwirte in Berlin eine Großdemo statt. Hier ist auch der DEHOGA als Partner und Unterstützer mit dabei. Auch in den Bundesländern gibt es Aktionen. Teilnahmen an Straßenblockaden sind nicht geplant.

Beim Blick in die Kühltheken sollen Verbraucherinnen und Verbraucher bald zusätzliche Informationen auf Lebensmitteln finden - zur Herkunft von Fleischwaren schon in wenigen Wochen. Ein anderes Logo kommt auch auf den Weg.

Per Gesetz sollen Plastik-Einwegverpackungen bei Essen zum Mitnehmen eingedämmt werden. Der Dehoga findet die Idee grundsätzlich gut. Es hakt aber bei der Rückgabe des als Ersatz genutzten Mehrweggeschirrs.

Auch im Ausland ist das allgemeine Preisniveau zuletzt deutlich gestiegen - in unterschiedlicher Weise. Die Finanzverwaltung reagiert darauf mit neu berechneten Pauschalen für Dienstreisende.

Thüringen stellt Gastronomen und Hoteliers Finanzhilfen in den kommenden Jahren in Aussicht. Es solle ein «Gastrobonus» für Investitionen aufgelegt werden, teilte die Linke-Landtagsfraktion in Erfurt mit.

Fast zwei Jahre nach Einführung der Verpackungssteuer rechnet die Stadt Tübingen mit einem Geldregen. Es sei mit einem Steueraufkommen von mindestens rund 692 000 Euro für das Jahr 2022 auszugehen. Eine Franchise-Nehmerin von McDonald's hat gegen die Steuer Verfassungsbeschwerde erhoben.

Bundesminister Cem Özdemir traf sich mit Repräsentanten der Gemeinschaftsgastronomie im Dehoga, um den Austausch zu den praxisrelevanten Herausforderungen bei der Realisierung der Ziele der Ernährungsstrategie der Bundesregierung zu intensivieren.

Nach ihrer Einigung im Haushaltsstreit gaben sich die Ampel-Spitzen zunächst ziemlich zugeknöpft. Jetzt gibt es erstmals eine Liste ihrer Beschlüsse. Doch Änderungen sind nicht ausgeschlossen.

Bei der Deutschen Bahn drohen im kommenden Jahr mehrtägige Streiks mit Tausenden Zugausfällen. Die Mitglieder der Lokführergewerkschaft GDL haben per Urabstimmung den Weg für unbefristete Arbeitskämpfe freigemacht, wie GDL-Chef Claus Weselsky am Dienstag mitteilte.