„Gastgewerbe als Prellbock“: Neue Corona-Verordnung in Baden-Württemberg

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Im Kampf gegen die Corona-Pandemie gelten von diesem Donnerstag an in Baden-Württemberg strengere Regeln für Ungeimpfte. Die neuen Regeln machten das Gastgewerbe mehr denn je zum Prellbock der gesellschaftlichen Impfdebatte und treffen die Branche wirtschaftlich härter als andere Wirtschaftszweige, kritisierte der DEHOGA im Südwesten.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie gelten von diesem Donnerstag an in Baden-Württemberg strengere Regeln für Ungeimpfte. Das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beschloss am Mittwoch im Umlaufverfahren eine neue Corona-Verordnung mit einem dreistufigen Alarmsystem, wie die Landesregierung in Stuttgart mitteilte. Sie stützt sich nicht mehr auf die Sieben-Tages-Inzidenz an Neuinfektionen, sondern auf die Belastung der Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten.

Informationen über den Eintritt der jeweiligen Stufe veröffentlicht das Landesgesundheitsamt unter folgendem Link.

Nach dem neuen System gilt derzeit die so genannte Basisstufe. Die Warnstufe wird ausgerufen, sobald 250 Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt sind oder acht von 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen mit Corona-Symptomen in eine Klinik eingeliefert wurden. Dann haben Ungeimpfte nur noch mit negativem PCR-Test Zugang zu bestimmten öffentlichen Bereichen. Ein Antigentest reicht nicht mehr.

Stufe drei - die Alarmstufe - gilt, sobald 390 Covid-Patienten auf Intensivstationen behandelt werden oder die so genannte Hospitalisierungsinzidenz bei 12 liegt. Dann haben Ungeimpfte gar keinen Zutritt mehr zu Restaurants, Kultur- und Sportveranstaltungen.

Neu ist außerdem die Bestimmung, dass ungeimpfte Beschäftigte, die Gäste- bzw. Kundenkontakt haben, die Testangebote ihres Arbeitgebers annehmen und die Test-Ergebnisse vier Wochen lang aufbewahren müssen. Bei Verstößen gegen diese Annahmepflicht wird für die Beschäftigten ein Bußgeld fällig. Arbeitgeber sind bereits seit geraumer Zeit verpflichtet, ihren Arbeitnehmern zwei kostenlose Antigen-Schnelltests pro Woche anzubieten. Neu ist also nur die Annahmepflicht für Arbeitnehmer. Die Testpflicht gilt allerdings analog zu den Arbeitnehmern auch für ungeimpfte Unternehmer und Selbstständige mit Gäste- und Kundenkontakt.

Auf den Intensivstationen der baden-württembergischen Krankenhäuser werden derzeit (Stand: Dienstag) 206 Covid-19-Patienten behandelt. Davon bekommen 95 (46,1 Prozent) künstliche Beatmung. Die Zahl der Corona-Infizierten, die innerhalb von einer Woche pro 100 000 Einwohner in eine Klinik eingeliefert wurden, beträgt 2,25.

Der DEHOGA Baden-Württemberg sieht die neuen Regelungen wegen der besonderen Betroffenheit der Branche sehr kritisch. Die neuen Regeln machten das Gastgewerbe mehr denn je zum Prellbock der gesellschaftlichen Impfdebatte und würden die Branche wirtschaftlich härter als andere Wirtschaftszweige treffen. Dieses Sonderopfer sei zu kritisieren. Gleichzeitig unterstütze der DEHOGA die Anstrengungen zur Erhöhung der Impfquote, denn je höher die Impf- und Genesenenquote sei, um so geringer der Schaden durch „2G“.

Der massiven Kritik des DEHOGA an der praxisfernen Regelung in der Warnstufe (im Hotel und in den Gastro-Außenbereichen brauchen ungeimpfte Gäste in dieser Stufe einen negativen Antigen-Schnelltest, in den Gastronomie-Innenbereichen wird aber ein negativer PCR-Test verlangt) habe die Landesregierung nicht Rechnung getragen. Der DEHOGA hält daher seine Kritik aufrecht und weist noch einmal deutlich darauf hin, dass Regelungen, die in der Praxis nicht funktionieren, die Akzeptanz des Regelwerks als Ganzes schwächen.


„Eine Regel, die keiner will“

Kommentar von Fritz Engelhardt, Vorsitzender DEHOGA Baden-Württemberg

Keiner von uns will die 2G-Regel. Der Ausschluss der Ungeimpften aus Gastronomie und Hotellerie, den die neue Corona-Verordnung in der „Alarmstufe“ vorsieht, bedeutet bei der aktuellen Impfquote eine Reduzierung unseres Gästepotenzials um deutlich mehr als 20 Prozent. In der Realität ist der Schaden noch größer, weil Gruppen, in denen sich Ungeimpfte befinden, durch die 2G-Regel von Restaurantbesuchen, Feiern und Veranstaltungen abgehalten werden. Auch das Geschäft mit Businessgästen wird massiv leiden, wenn Ungeimpfte in der „Alarmstufe“ nicht mehr an Tagungen teilnehmen dürfen. Zudem stellt die Abfrage des Impfstatus bei Buchungen ein enormes Problem für uns dar.

Die neuen Regeln machen das Gastgewerbe mehr denn je zum Prellbock der gesellschaftlichen Impfdebatte und treffen uns wirtschaftlich härter als andere Branchen. Dieses Sonderopfer, das der Staat uns erneut zumutet, haben wir gegenüber der Landesregierung deutlich kritisiert.

Dem wichtigsten Argument der Regierung – der drohenden Überlastung der Krankenhaus-Intensivstationen durch (ganz überwiegend ungeimpfte) Covid-19-Patienten – können wir uns aber als verantwortlich handelnde Branche nicht verschließen. Wir sind kein Verband, der wirtschaftliche Interessen höher bewertet als das Leben von Menschen, die in überfüllten Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden können.

Trotzdem verteidigen wir – durchaus erfolgreich – die Interessen unserer Branche: Die neue Corona-Verordnung trägt daher vielen unserer Forderungen Rechnung:

  • Unsere Betriebe bleiben unabhängig von der Inzidenz-Entwicklung geöffnet. Es droht nach übereinstimmenden Aussagen führender Politiker kein Lockdown mehr.
  • Auch der chaotische „Flickenteppich“ mit unterschiedlichen Landkreis-Regelungen gehört in Baden-Württemberg der Vergangenheit an. Die neuen Regeln gelten, wie von uns gefordert, landeseinheitlich.
  • Und, ganz wichtig: Wir sind im Geschäft mit Geimpften und Genesenen weiterhin von umsatzschädlichen Auflagen befreit, denn in diesem Bereich gibt es keine negativen Änderungen: keine Kontaktbeschränkungen, keine Tischabstands-Regelungen, keine Personenzahl-Obergrenzen bei Veranstaltungen… Im Rahmen der allgemeinen Hygienekonzepte können wir mit diesem Gästekreis also normal arbeiten.


Neu ist auch, dass die neue Corona-Verordnung ungeimpfte Mitarbeiter im Gastgewerbe verpflichtet, die Test-Angebote, die ihnen ihr Arbeitgeber auch bisher schon machen musste, künftig anzunehmen. Das sorgt – in Verantwortung der Mitarbeiter – für noch besseren Gesundheitsschutz in unseren Betrieben und erspart vielen von uns kritische Diskussionen mit Gästen.

All das ändert freilich nichts an unseren Problemen mit der drohenden 2G-Regel, aber auch hier hat die Landesregierung zumindest in Teilen auf unsere Einwände reagiert: Die 2G kommen, wie von uns gefordert, nicht sofort, sondern – wenn überhaupt – erst als letzte von insgesamt drei Stufen, wenn kritische Schwellenwerte bei der Intensivbetten-Belegung oder bei der Hospitalisierungsrate erreicht werden. Die Zeit, die wir so gewinnen, muss jetzt fürs Impfen genutzt werden! Denn je höher die Impf- und Genesenenquote, um so geringer der Schaden durch „2G“.

Wo das Land dringend nachbessern muss
Kritik müssen wir trotzdem üben und auf schnelle Nachbesserung drängen: Was die Landesregierung in der Stufe 2 (Warnstufe) vorsieht, ist nicht durchdacht und wird in der Praxis nicht funktionieren: Im Hotel und in den Gastro-Außenbereichen brauchen ungeimpfte Gäste in dieser Stufe einen negativen Antigen-Schnelltest – in den Gastronomie-Innenbereichen wird aber ein negativer PCR-Test verlangt. Schon jetzt ist klar, dass diese seltsame Regelung in Praxis zu vielen Fragen, zu unerfreulichen Diskussionen und massiven Problemen führen wird, worunter dann die Akzeptanz des ganzen Regelwerks leidet. Wir drängen deshalb massiv auf Nachbesserung: In Stufe 2 (Warnstufe) sollte auch in den Gastro-Innenbereichen ein negativer Antigen-Schnelltest genügen. Denn die Erfahrung lehrt: Nur Regeln, die in der Praxis umsetzbar sind, helfen bei der Eindämmung der Corona-Pandemie.

Fritz Engelhardt
Vorsitzender DEHOGA Baden-Württemberg


 

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