Hoffnungsschimmer in NRW - Länder verlangen bundesweite Reiseregeln

| Politik Politik

Nach dem schweren Corona-Ausbruch in Nordrhein-Westfalen haben sich die Reisemöglichkeiten für die Menschen aus den Risikogebieten deutlich verschlechtert. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans sprach sich am Donnerstag für ein bundesweites Verbot von Reisen für Menschen aus Landkreisen mit hohen Corona-Infektionszahlen aus. Es sei eine «bundesweit einheitliche Verfahrensweise» für Reisende aus betroffenen Gebieten nötig, teilte der CDU-Politiker in Saarbrücken mit. «Damit lokal begrenzte Lockdowns funktionieren, sollten Reisen aus Landkreisen mit hohem Infektionsgeschehen nicht möglich sein», hieß es in der Mitteilung. Mehrere Bundesländer sind mit eigenen Einschränkungen und Beherbergungsverboten bereits vorgeprescht.

Im schwer vom Ausbruch getroffenen Kreis Gütersloh in NRW ließen sich derweil weiter zahlreiche Menschen freiwillig testen. Die Ergebnisse brachten einen Hoffnungsschimmer: Von 2000 aktuellen Corona-Tests bei Menschen aus der Allgemeinbevölkerung sei nur einer positiv ausgefallen, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) im Gesundheitsausschusses des Düsseldorfer Landtags.

Am Abend nannte der Kreis Gütersloh neuere Zahlen: Bis Donnerstag 15 Uhr seien 2521 Abstriche genommen worden. 1655 Befunde lägen vor. Davon sei einer klar positiv, zwei seien schwach positiv. Der Kreis zähle in Abstimmung mit dem Robert-Koch-Institut diese schwach positiven Fälle mit. Damit seien es insgesamt drei positive Fälle.

Um das Infektionsgeschehen besser überblicken zu können, wurden die Massentestungen massiv ausgeweitet. Geplant sind 10 000 Tests täglich. Fünf neue Testzentren sollten am Donnerstag im Kreis Gütersloh eingerichtet werden. Darunter ist auch ein Drive-In-Zentrum. Dort können die Bürger im Auto während des Tests sitzen bleiben.

Beim Fleischkonzern Tönnies hatte es zuletzt einen massiven Corona-Ausbruch mit mehr als 1500 infizierten Arbeitern gegeben. Im Kreis Gütersloh, aber auch im Kreis Warendorf, lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage zuletzt teils deutlich über der Marke 50. Laut Robert Koch-Institut sanken die Raten am Donnerstag im Kreis Gütersloh auf 192,8 und im Kreis Warendorf auf 50,4.

Bund und Länder haben in der Corona-Krise vereinbart, dass ab einer Marke von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage wieder strengere Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Das Land NRW hat das für die beiden betroffenen Kreise auch getan und das Alltagsleben vorläufig bis zum 30. Juni wieder deutlich eingeschränkt.

Weitere Bundesländer reagierten nun, pünktlich zu Beginn der Sommerreisesaison, mit Verboten für Urlauber aus solchen Corona-Risikogebieten. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern haben ein Beherbergungsverbot oder andere Beschränkungen für Menschen aus den Hotspots festgelegt, die keinen negativen Corona-Test vorweisen können.

Rheinland-Pfalz entschied sich für eine Quarantänepflicht für Einreisende aus Risikogebieten im In- und Ausland. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) betonte, dass es sich nicht um eine «Lex Gütersloh» handle. Im Falle Niedersachsens gilt die neue Regel dagegen speziell für Menschen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf. Ein Landeverbot für Flieger aus NRW in Österreich ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Wien vom Tisch.

Der Ruf nach einer einheitlichen Regelung unter den Bundesländern wird lauter. Ähnlich wie Saarlands Ministerpräsident Hans äußerte sich am Donnerstag auch Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping: Es müsse eine möglichst einheitliche Regelung bundesweit geben, wie mit Reisenden aus Regionen «mit einem sehr hohen Infektionsgeschehen» umgegangen werden solle, sagte die SPD-Politikerin. Zwischen den Bundesländern würden gerade mehrere Varianten besprochen.

Druck macht auch der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga: «Mit Blick auf die beginnende Urlaubssaison fordern wir dringend nachvollziehbare, praktikable, eindeutige und im besten Fall bundeseinheitliche Verordnungen mit präzisen Handlungsanweisungen zum Umgang mit Reisenden aus Risiko-Landkreisen», sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Freitag). Mögliche Haftungsrisiken dürften nicht bei den Beherbergungsbetrieben liegen. «Es muss unmissverständlich geregelt sein, wer für Stornierungskosten und für eventuelle Verdienstausfälle aufkommt sowie welche staatliche Behörde die Einhaltung der Vorschriften kontrolliert», sagte Hartges.

In den Kreisen Gütersloh und Warendorf hatten sich bereits am Mittwoch vor den Testzentren lange Schlangen von Menschen gebildet, die einen Corona-Test machen wollten, um mit einem negativen Ergebnis Sicherheit für einen bevorstehenden Urlaub zu haben. Auch am Donnerstag blieb der Andrang teils groß. An diesem Freitag ist in Nordrhein-Westfalen der letzte Schultag vor den Sommerferien.

Eine erste Welle von Infizierten beim Fleischverarbeiter Tönnies hatte es nach Angaben des NRW-Gesundheitsministeriums Mitte Mai im Zusammenhang mit einer «kirchlichen Veranstaltung» gegeben. Das sagte Staatssekretär Edmund Heller in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses des Landtags. Nach Recherchen des Portals «t-online.de» handelte es sich um einen Gottesdienst am 17. Mai. Bei diesem Gottesdienst in einer Kirche in Herzebrock-Clarholz seien auch Arbeiter eines Tönnies-Konkurrenten dabei gewesen.

Der Sprecher des Kreises Gütersloh bestätigte entsprechende Erkenntnisse. Es seien sowohl Mitarbeiter von Tönnies als auch eines anderen Unternehmens aus der Branche vor Ort gewesen. Ob aber diese Veranstaltung Grund für den Corona-Ausbruch bei Tönnies sei, sei völlig offen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das bestehende Minijob-System steht im Zentrum einer politischen Debatte. Eine Gruppe von Unions-Bundestagsabgeordneten sehen in der geringfügigen Beschäftigung einen „Systemfehler“, der reguläre Arbeit verdrängt und unsozial sei. Der DEHOGA Bundesverband hingegen warnt eindringlich vor den Konsequenzen einer Abschaffung.

Studierende in Niedersachsen sollen bald wieder ein warmes Mittagessen für 2,50 Euro bekommen. SPD und Grüne im Landtag wollen das sogenannte «Niedersachsen-Menü» an allen Hochschulen im Land neu auflegen. Fünf Millionen Euro sind dafür eingeplant.

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat die Entscheidung keine direkte Auswirkung.

Macht ein EU-Urteil Änderungen am deutschen Mindestlohn-System notwendig? Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie die Politik blicken an diesem Dienstag gespannt nach Luxemburg.

Vertreter von Bundesregierung, Bundesländern, Wirtschaft und Gewerkschaften haben für die duale Berufsausbildung in Deutschland geworben und auf akute Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hingewiesen. Die Lage sei mehr als herausfordernd, sagte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) fordert eine rasche und dauerhafte steuerliche Entlastung für das Gastgewerbe. Der Verband sieht darin einen entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität der Innenstädte.

Die im Europäischen Parlament angestoßenen Pläne für ein Bezeichnungsverbot von Fleisch-Namen für pflanzliche Ersatzprodukte stoßen im Bundestag auf breite Ablehnung. Quer durch fast alle Fraktionen äußerten Abgeordnete Kritik an einem möglichen Verbot von Begriffen wie „Tofu-Wurst“ oder „Veggie-Burger“.

Die wiederholte Blockade in Washington hat für das US-Hotelgewerbe bereits zu massiven Verlusten geführt. Über 30 Branchenverbände richten einen verzweifelten Appell an die politischen Entscheidungsträger.

Der Mindestlohn steigt wie geplant zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin eine entsprechende Verordnung.

Bundesagrarminister Alois Rainer spricht sich gegen ein Verbot von Bezeichnungen wie «Veggie-Schnitzel» oder «Tofu-Wurst» für pflanzliche Lebensmittel aus. Es würde «unglaublich hohe Kosten für die Wirtschaft» sowie Bürokratie verursachen, sagte der CSU-Politiker vor einem Treffen mit einem EU-Amtskollegen in Luxemburg.