Mehrwertsteuer Gastronomie - Empörte Reaktionen aus der Branche auf das Sieben-Prozent-Aus

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Die Empörung in der Gastronomiebranche ist immens – die Ampelspitzen haben sich geeinigt, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent Ende 2023 auslaufen zu lassen. „Die vereinbarten Priorisierungen sind so weder nachvollziehbar noch vermittelbar. Respekt und Wertschätzung für das, was unsere Gastgeber mit ihren Beschäftigten leisten, hat die Politik mit dieser Entscheidung nicht gezeigt“, kritisiert Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbandes und warnt vor den dramatischen Folgen.

„Statt Steuerfairness zu schaffen und Essen einheitlich mit sieben Prozent zu besteuern, werden mit der Steuererhöhung auf 19 Prozent ab 1. Januar 2024 Tausende Existenzen gefährdet, der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert.“ Dramatische Umsatzeinbußen in der Branche und bei ihren Partnern, Jobverluste, Betriebsaufgaben, Insolvenzen sowie marode regionale Wirtschaftskreisläufe seien vorprogrammiert.

„Diese 19-Prozent-Entscheidung macht deutliche Preiserhöhungen notwendig. Damit trifft sie Normal- und Geringverdiener besonders hart“, erklärt Zöllick. Nur mit den sieben Prozent Mehrwertsteuer sei es bislang gelungen, die enormen Kostensteigerungen nicht 1:1 an die Gäste weiterzugeben.

Besonders groß ist die Enttäuschung, da die Branche bis Mittwoch eine breite Unterstützung der Ampelspitzen erfahren hatte. Offenbar ist diese mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gekippt, die Umwidmung von Corona-Krediten in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für Klimaprojekte als verfassungswidrig zu erklären. Nun fehlen rund 60 Milliarden Euro im Sondervermögen für Klimaausgaben. „Dies darf nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden!“, moniert Zöllick. „Wir geben ernsthaft zu bedenken: Der erwartete fiskalische Effekt von Mehreinnahmen mit einer Steuererhöhung auf 19% kann genau ins Gegenteil umschlagen, indem durch Umsatzverluste die Erwartung von Mehreinnahmen nicht eintritt. Ertragsrückgänge bedeuten auch weniger Steuereinnahmen in Bund, Ländern und Kommunen. Betriebe, die nicht mehr existieren, können auch keine Steuern zahlen.“

Mit der Steuererhöhung geraten insbesondere die vielen kleinen und mittelständischen Familienbetriebe weiter ins Straucheln. „Es dürfen nicht noch mehr öffentliche Wohnzimmer der Gesellschaft verschwinden“, sagt DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. „Es kann nicht sein, dass nach dem Corona-Sonderopfer uns nun ein neues Sonderopfer auferlegt wird mit unabsehbaren negativen Folgen.“ Es sei zudem absurd, dass ab 1. Januar 2024 das Essen im Restaurant mit 19% verteuert werde, das Essen zur Mitnahme und die Lieferung bei 7% bliebe, so Hartges weiter. „Das Essen muss für unsere Gäste bezahlbar bleiben. Kneipen, Restaurants und Cafés sind wichtige soziale Treffpunkte.“

Bis zuletzt hatte der DEHOGA sich mit guten Argumenten, Appellen und vielfältigen Aktionen dafür stark gemacht, eine Steuererhöhung ab Januar 2024 abzuwenden. Zöllick betont: „Die Mitglieder des Bundestages haben das letzte Wort.“

„Diese Steuererhöhung auf Speisen ist ein fataler Irrweg, es wird in der Gastronomie zu Betriebsschließungen, steigenden Preisen, sinkenden Umsätzen und einem enormen Verlust an Arbeitsplätzen und Lebensqualität führen, gerade auch in ländlichen Regionen“, erklärt Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern: „Eine solche Entscheidung richtet sich gegen hunderttausende familiengeführte klein- und mittelständische Unternehmen, gegen Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie gegen Abermillionen Gäste“, so Inselkammer weiter: „Sehenden Auges nimmt man durch diese Entscheidung Insolvenzen, Ausbildungs- und Arbeitsplatzverluste im ländlichen Raum und die Verteuerung von Speisen in nahezu allen Bereichen unseres Lebens in Kauf“.

Ministerpräsident Markus Söder sagte, die höhere Mehrwertsteuer führe zu höheren Lebensmittelpreisen, sei mittelstandsfeindlich und heize die Inflation an. «Unsere Wirtschaft und Bevölkerung müssen in diesen Krisenzeiten entlastet werden - und nicht belastet.» Wenn die FDP der Steuererhöhung zustimmen würde, «wäre dies ein beispielloser Wortbruch, der zum Verlust von Arbeitsplätzen führt und berufliche Existenzen vernichtet», sagte der CSU-Chef der Deutschen Presse-Agentur. 

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte, mit der Mehrwertsteuererhöhung gerieten etliche Gastronomiebetriebe in eine Schieflage und müssten um ihre Existenz fürchten. «Das ist für uns als Tourismusland nicht akzeptabel.» Deshalb habe MV dazu eine Bundesratsinitiative eingebracht. Erschwerend komme hinzu, dass auch Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime von einer Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie betroffen seien. «Eine zusätzliche Belastung von Familien und Seniorinnen und Senioren ist eine falsche Entscheidung», so Schwesig. 

„Tausende kleine familiengeführte Betriebe des Gastgewerbes müssen nun unter den Taschenspielertricks der GRÜNEN leiden, die das Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig entlarvt hat. Es ist eben nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, unverbrauchtes Corona-Sondervermögen in Höhe von 60 Mrd. Euro einfach mal so in einen grünen „Klima- und Transformationsfonds (KTF)“ umzuwidmen, um am originären Haushalt vorbei geschmuggelt zu werden! Für diese Fehler nun fast zweihunderttausend familiengeführte klein- und mittelständische Betriebe des Gastgewerbes in die Haft zu nehmen und zur Rechenschaft zu ziehen ist mehr als unfair, ungerecht und die zweite fatale Fehlentscheidung dieser Bundesregierung im Umgang mit dem Corona-Sondervermögen und dessen Folgen“, sagt Gereon Haumann, Präsident des DEHOGA Rheinland-Pfalz. 

Dass die Mehrwertsteuer wie von der Ampelkoalition beschlossen ab Januar wieder von 7 auf 19 Prozent steige, koste Existenzen, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands in Thüringen, Dirk Ellinger, am Freitag. Er gehe davon aus, dass etwa fünf Prozent der Unternehmen dichtmachen müssten. Im Moment gebe es etwas weniger als 4000 gastronomische Betriebe im Freistaat. «Das wird weiter dazu führen, dass wir leider ein Kneipensterben haben. Und das vor allem im ländlichen Raum.»

Der Branchenverband Dehoga befürchtet durch die wieder steigende Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie etwa 2000 Betriebsschließungen und weitere gravierende Folgen in Nordrhein-Westfalen. Deutlich steigende Preise, weniger Gäste, weniger Umsatz, Umsatzverluste bei Lieferanten, Preisdruck in der Kita- und Schulverpflegung, Arbeitsplatzverluste und eine Verlagerung der Umsätze hin zum Essenmitnehmen, Lieferdiensten und Supermärkten, zählte Patrick Rothkopf, Präsident des Dehoga NRW, am Freitag die Konsequenzen aus seiner Sicht auf.

Die Entscheidung sei für das mittelständische Gastgewerbe ein Tiefschlag, sagte der Dehoga-Landesvorsitzende Fritz Engelhardt laut Mitteilung. Das Sterben der Dorfgasthäuser werde sich dadurch weiter beschleunigen. Leidtragende seien nicht nur die Betriebe mitsamt Beschäftigten und Gästen, sondern die gesamte Tourismuswirtschaft im Land. «Wir sind tief enttäuscht», teilte Engelhardt mit.

Den Unmut seiner Vereinigung fasst JRE Präsident Oliver Röder zusammen: „Wir alle fühlen uns betrogen, ausgenutzt und zudem vom Bundeskanzler belogen. Uns wurde immer wieder signalisiert, dass der reduzierte Mehrwertsteuersatz erhalten bleibt. Olaf Scholz hatte das fest zugesagt.“ Nach Ansicht des JRE Chefs hatten die Gastronomen nach den jüngsten Signalen aus Berlin fest mit einer Verlängerung der geltenden Regelung gerechnet. „Man hat uns in dem Glauben gelassen, dass es zumindest mittelfristig keine Änderung geben wird. Damit haben wir fest geplant. Jetzt stehen wir wie die Deppen da und müssen unseren Gästen erklären, warum die Preise drastisch steigen werden“, beschreibt Röder die Situation.

«Wir stehen schlechter da als 2019», warnte der Hauptgeschäftsführer des niedersächsischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Rainer Balke, am Freitag. Während der Corona-Zeit seien bereits rund 3000 Gastgewerbe im Land verloren gegangen. Ihre Zahl sei damit auf etwas mehr als 17 000 gesunken. Nun drohe bis zu 1000 weiteren Betrieben die Schließung, sagte Balke unter Berufung auf eine Umfrage unter den Unternehmen. Tausende Menschen könnten in der Folge ihren Job verlieren. «Das alles hat, glaube ich, die Politik nicht eingepreist», sagte Balke.

Die Systemgastronomen schickten ihren Verbandschef Markus Suchert ins Rennen, der sagte: „Sollte diese Entscheidung auch in der kommenden Woche formell vom Haushaltsausschuss bestätigt werden, hätte dies katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Gastronomie. Es ist insbesondere deshalb absolut unverständlich, da die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer in der Gastronomie steht. Die Gastronomie und ihre Gäste dürfen kein Kollateralschaden eines Grundrechtsverstoßes der Politik werden!“

Fernsehkoch und Unternehmer Frank Rosin verspürt große Existenzängste in der Gastronomie angesichts der wieder steigenden Mehrwertsteuer auf Speisen. "Es ist wirklich zum Weinen", sagte Rosin am Wochenende der Deutschen Presse-Agentur. Bei vielen seiner Kollegen und Gastronomie-Freunde gehe das Stimmungsbarometer trotz aller Leidenschaft für den Beruf gerade gegen null.

Der TV-Koch und Restaurantbesitzer Alexander Herrmann erwartet, dass mit der Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer Tausende Gastronomien schließen müssen. «Mit diesem Schritt wird seitens der Politik förmlich dabei zugeschaut, wie eine durchaus systemrelevante Branche in Teilen zerbricht», teilte Herrmann am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit. 

 


 

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