Merkel fordert «faire Beziehungen» zwischen Handel und Landwirten

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Angesichts extremer Billigangebote für Lebensmittel in vielen Supermärkten, hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Handel zu fairen Bedingungen für die Bauern aufgerufen. «Wir haben ein gemeinsames Interesse an einer starken regionalen Versorgung», sagte sie am Montag bei einem Spitzentreffen mit Vertretern von Handel und Ernährungsindustrie in Berlin. Dafür ziele die Politik nicht auf staatlich verordnete Mindestpreise - aber «faire Beziehungen» der Akteure im Markt, damit Landwirte «auskömmlich» ihr Geld verdienen könnten. Eine EU-Richtlinie, die Praktiken von Händlern zulasten kleinerer Lieferanten verbietet, soll schnell umgesetzt werden.

Merkel verwies auf eine «gewachsene Sensibilität» für Qualität und Umweltauflagen, die sinnvoll und richtig seien, aber natürlich auch ihren Preis hätten. Es gehe deswegen um die Frage, dass diejenigen, die Lebensmittel erzeugten, mit den Auflagen «überleben» könnten. Dabei sei der Handel aber selten direkt mit den Landwirten verbunden. Dazwischen lägen Ernährungswirtschaft, Großabnehmer, Molkereien oder Fleischverarbeiter, mit denen ebenfalls weiterer Dialog nötig sei.

Das Treffen mit Verbänden und Vertretern der Supermarktketten folgte auf einen «Agrargipfel» bei Merkel im Dezember. Hintergrund sind Proteste von Bauern, die sich gegen neue Umweltauflagen, aber auch gegen Billigangebote für Fleisch und andere Produkte richten. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) kündigte nach der Runde ein gemeinsames Treffen mit Handel und Landwirtschaft an. Das Ministerium will unter anderem eine «Beschwerdestelle» einrichten, bei der Erzeuger Probleme und Dumpingpreise melden können. Zudem soll es eine «Kommunikationsallianz» von Bauern und Handel zur Wertschätzung von Lebensmitteln geben, die sich laut Klöckner auch im Preis ausdrückt.

Merkel betonte, dass die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken «sehr schnell» im Laufe dieses Jahres vorangebracht werden solle. Sie soll unter anderem kurzfristige Stornierungen verderblicher Ware oder die verspätete Bezahlung von Lieferanten unterbinden. Bauernpräsident Joachim Rukwied nannte das Handels-Treffen einen «ersten wichtigen Schritt». Auch die Richtlinie habe aber Lücken, viele Probleme blieben damit ungelöst, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).

Der Bundesverband des Lebensmittelhandels und der Handelsverband Deutschland betonten, die Branche sei bereit, den Anteil regionaler Produkte zu steigern. Rewe-Chef Lionel Souque verteidigte die Preisgestaltung des Handels. «In Deutschland leben rund 13 Millionen Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Günstige Lebensmittelpreise ermöglichen diesen Menschen eine gesunde und sichere Ernährung.»

Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte der dpa: «Ein Preisdruck des Handels zulasten von Tierschutz- und Umweltstandards ist nicht im Interesse der Verbraucher.» Viele Kunden wünschten sich hohe Standards etwa beim Tierwohl und wären bereit, mehr zu zahlen. «Aktuell können sie die Qualität eines Produktes aber kaum erkennen, schon gar nicht am Preis.» Nötig seien bessere Haltungsbedingungen, ein Ende der verwirrenden Werbeflut und verbindliche Kennzeichnungssysteme für Lebensmittel.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nannte die «Einbestellung» der Branche bei Merkel ein wichtiges Zeichen. Wer Marktmacht ausnutze und sich beim Verbraucher mit Billigangeboten anbiedere, stehe einer Agrarwende im Weg. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch forderte eine neue EU-Agrarpolitik, die Qualität und nicht Masse fördere.

Grünen-Agrarexperte Friedrich Ostendorff kritisierte, zur Umsetzung der EU-Richtlinie sei die Bundesregierung ohnehin verpflichtet. Sie nutze Spielräume nicht, sondern setze weiter auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Der FDP-Fachpolitiker Gero Hocker warb dafür, Zusammenschlüsse von Landwirten zu stärken, um ein Gegengewicht zum Handel zu bilden. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wandte sich gegen staatliche Eingriffe, bei denen die Verbraucher vom Schnitzel über Käse bis zur Wurst tiefer in die Tasche greifen müssten.

Von Sascha Meyer und Andreas Hoenig, dpa


 

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