Schritt für Schritt zur Wende - Fahrplan der Corona-Massenimpfung

| Politik Politik

Mit dem Start der Impfungen in Deutschland rückt der ersehnte Wendepunkt der Corona-Pandemie näher. Klar ist mittlerweile: Die ersten Menschen sollen das Serum wie ein nur leicht verspätetes Weihnachtsgeschenk bekommen. Voraussetzung ist die für Anfang kommende Woche erwartete Zulassung des Impfstoffs, den die Mainzer Firma Biontech mit dem Pharmakonzern Pfizer entwickelt hat.

DIE VORGESCHICHTE:

Die Vorbereitungen der Impfstoffe, auf denen die Hoffnungen beruhen, begannen schon vor Jahren. Darauf weist das in Deutschland für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut hin. Denn ähnliche Coronaviren gibt es schon lange. Schon seit einer Epidemie mit SARS-CoV-1 2002 und 2003, spätestens aber seit jener mit MERS im Jahr 2012 haben sich Forscher auf eine mögliche Pandemie vorbereitet.

DER AKTUELLE STAND:

Wissenschaftler, Ärzte und Behörden arbeiten seit Monaten fokussiert an den Impfstoffen. «Der eigentliche Zulassungsprozess ist dann die kleinste und kürzeste Angelegenheit dabei», sagt der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek. Zuerst wurde der Erregerbestandteil für den Impfstoff ermittelt. Dann kümmerte man sich um die qualitätsgesicherte Herstellung. Dann folgten Untersuchungen im Labor, um zu erforschen, ob größere Risiken zu befürchten sind und wie hoch die ungefähre Dosis sein muss.

Dann folgten drei Phasen mit klinischen Prüfungen: für die Sicherheit und die genauere Dosisfindung, noch einmal für die gründliche Sicherheit sowie ein Impfschema und dann mit vielen Probanden für die Verträglichkeit bei der gesamten Bevölkerung und die Wirksamkeit. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) betont: An 44 000 Menschen wurde der Impfstoff getestet.

DIE RECHTLICHEN SCHRITTE:

Schon seit Monaten ist klar: Nicht alle können nach Impfstart zum Zug kommen. Dafür gibt es am Anfang zu wenig Impfstoff. Im Auftrag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) empfahlen der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die Ständige Impfkommission am 9. November: Ältere, Mitarbeiter in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Menschen mit Vorerkrankungen und Menschen in Schlüsselstellungen in der Gesellschaft sollen zuerst Schutz bekommen. Mehrfach wurde die Corona-Impfung im Bundestag diskutiert, etwa als am 18. November das Infektionsschutzgesetz novelliert wurde.

Auf Basis sämtlicher wissenschaftlicher Studien legte die Impfkommission am 7. Dezember einen 62-Seiten-Entwurf ihrer Impfempfehlung vor. Dort sind die Gründe für den Weg der Einzelnen zur Impfung und die Priorisierung nachzulesen, etwa das unterschiedliche Sterberisiko bei unterschiedlich alten Covid-19-Kranken. Dieser Entwurf wurde auf Basis weiterer Erfahrungen der Ärzte nun noch einmal aktualisiert. Auf dieser Basis erlässt Spahn an diesem Freitag eine Impfverordnung.

DIE ZULASSUNGSENTSCHEIDUNG:

Ja oder nein? Eigentlich niemand erwartet mehr, dass der Daumen runter geht, wenn die europäische Arzneimittelagentur EMA an diesem Montag mitteilt, wie ihre Prüfung der Studien ausgefallen ist. Bis Mittwoch will dann die EU-Kommission über die Zulassung entscheiden. Auch dann geht es noch einmal um die Sicherheit: In Deutschland prüft das Paul-Ehrlich-Institut alle Chargen.

DER IMPFSTART:

«Unsere Mitarbeiter werden über Weihnachten arbeiten, dass das wirklich möglich ist, dass in jedem Land der Impfstoff ankommt (...)», sagte Biontech-Chef Ugur Sahin. Der Impfstoff wird gleichzeitig in allen EU-Staaten ausgeliefert. Drei Tage nach Heiligabend soll es losgehen. Am 27., 28. und 29. Dezember solle die Impfung EU-weit beginnen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Allerdings werden einzelne Länder wohl etwas später starten, etwa die Niederlande.

Spahn: «Unser Ziel ist es, zuerst diejenigen zu schützen, die über 80-jährig sind und die in Alten- und Pflegeheimen leben oder arbeiten, um die besonders Verwundbaren zuerst zu schützen mit diesem sehr wirksamen Impfstoff.» Anfänglich rund 400 000 Impfdosen soll es in Deutschland geben.

DIE ERSTEN WOCHEN UND MONATE:

In die Pflegeheime gehen mobile Impftrupps. Die weitere Bevölkerung wird zunächst in bundesweit bis zu 442 Impfzentren geimpft - unter anderem in Messehallen, Sportzentren und Hotels. Die Infrastruktur steht. Bundesweit sind Tausende medizinisch ausgebildete Freiwillige, vielfach Ärztinnen und Ärzte, bereit. Streit um das potenziell lebensrettende Serum soll vermieden werden.

So wissen zum Beispiel Krankenkassen und Ärzte anhand der Behandlungsdaten, welche Menschen einschlägige Vorerkrankungen haben. Daher sagte Spahn: «Alle anderen werden darüber unterrichtet, wann sie dran sind, wenn sie dran sind.» Dies sei ihm wichtig: Nach und nach würden die Gruppen, die einen Termin erhalten, darüber informiert. Dabei ist klar: Die erste Impfung bringt eine Grundimmunisierung. Dann folgt ein Zeitfenster von drei bis vier Wochen bis zur zweiten Impfung. Zwei bis drei Wochen nach der Zweitimpfung ist voller Schutz aufgebaut.

DIE PERSPEKTIVE:

«Dann können wir Schritt für Schritt das Virus besiegen.» So formulierte es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Bis Februar könnten zunächst 1,5 Million Menschen in Deutschland gegen Corona geimpft sein. Diese Zahl nannte die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar im Bundestag. Je mehr Serum es gibt, desto mehr kann das Impfen in die normalen Praxen verlagert werden. Spahn erwartet mögliche Impfungen von rund 60 Prozent der Menschen in Deutschland bis Ende kommenden Sommers. Biontech-Gründer Sahin ist zuversichtlich: Im nächsten Winter sei wieder ein «normales Leben» möglich. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.