Streit um Sterne - Yelp darf bei Online-Bewertungen Auswahl treffen

| Politik Politik

Internet-Bewertungen können über den Erfolg von Unternehmen mit entscheiden. An welche Regeln muss sich ein Bewertungsportal wie Yelp dabei halten? Eine Unternehmerin, die Fitnessstudios im Raum München betreibt, fühlte sich unfair behandelt, weil viele positive Bewertungen für die Gesamtnote unberücksichtigt blieben - und verlor jetzt in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH). (Az. VI ZR 495/18 u.a.)

Yelp darf demnach seine in Sternen ausgedrückte Gesamtbewertung von Unternehmen auf eine automatisierte Auswahl stützen. Der VI. Zivilsenat hob am Dienstag ein anderslautendes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München auf.

Die Einstufung von Bewertungen in «empfohlen» und «nicht empfohlen» durch Yelp sei durch die Berufs- und Meinungsfreiheit geschützt. «Ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen», sagte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters.

Klägerin Renate Holland zeigte sich nach dem Urteil enttäuscht. «Ich bin schon ein bisschen traurig darüber», sagte sie. «Man hätte endlich mal ein bisschen Klarheit schaffen können, aber jetzt geht es leider weiter so.» Die 67 Jahre alte frühere Weltmeisterin im Bodybuilding hatte zur Verhandlung im vergangenen November berichtet, dass ihre Studios unter den Yelp-Bewertungen litten.

Yelp-Anwalt Stephan Zimprich betonte nach dem Urteil, es sei im Interesse der Nutzer, dass nur solche Bewertungen für die Gesamtnote berücksichtigt werden, die als vertrauenswürdig und relevant eingeordnet werden. Die Empfehlungssoftware diene auch dazu, möglicherweise manipulierte und beeinflusste Bewertungen nicht in die Gesamtbewertung einfließen zu lassen.

Auf Yelp können die Nutzer Restaurants, Dienstleister und Geschäfte bewerten. Zu vergeben sind ein Stern («Boah, das geht ja mal gar nicht!») bis fünf Sterne («Wow! Besser geht's nicht!»), außerdem kann man einen Text schreiben.

Zu den Auswahlkriterien gehören laut Yelp beispielsweise die Qualität, die Vertrauenswürdigkeit und die bisherige Aktivität des Nutzers. So sollen Gefälligkeitsbewertungen und Fälschungen aussortiert werden. Es treffe aber auch Beiträge von Kunden, die man nicht gut genug kenne und daher nicht empfehle.

Im Durchschnitt werden nach Yelp-Angaben etwa drei Viertel aller Beiträge als empfohlen eingestuft. Bei Holland erhielt eines ihrer Studios im Februar 2014 auf Grundlage von nur 2 Bewertungen 2,5 Sterne. 74 überwiegend sehr positive Beiträge bleiben unberücksichtigt. Auch Beiträge, die Yelp nicht empfiehlt, können gelesen werden. Dazu muss der Nutzer aber auf der Seite nach unten scrollen und einen Link anklicken. Normalerweise hätte sie 4 bis 4,5 Sterne in jedem Studio, sagte Holland.

Vor dem Oberlandesgericht (OLG) München hatte Holland noch Erfolg: Durch das Aussortieren vieler Bewertungen entstehe ein verzerrtes Gesamtbild. Die BGH-Richter argumentierten dagegen, der «unvoreingenommene und verständige Nutzer» erkenne, wie viele Beiträge es zu einem Unternehmen gebe und dass die Grundlage für die Gesamtbewertung nur die von Yelp empfohlenen Beiträge seien.

Florian Dietrich, Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland sieht in dem Urteil eine Signalwirkung für die gesamte E-Commerce-Branche, «da es den Betreibern von Bewertungssystemen eine von der Meinungsfreiheit gedeckte, subjektiv gefärbte Darstellung von Bewertungsergebnissen erlaubt».

Der Geschäftsbereichsleiter Digital Law bei EY Law, Stefan Krüger, sieht die Position von Online-Bewertungsportalen durch das Urteil dagegen nicht generell gestärkt, weil es konkret um das Geschäftsmodell von Yelp gegangen sei.

Ein Gutes hat der langwierige Rechtsstreit aus Hollands Sicht dennoch: «Vielleicht ist der User dadurch, dass es jetzt durch die Presse ging, sensibilisiert. Vielleicht schauen sich die Leute, wenn sie auf den ersten Blick nur schlechte Bewertungen sehen, auch den Rest an.» Sie habe sich natürlich einen anderen Ausgang gewünscht - auch im Sinne der Bewerter. «Deren Meinungen und deren Bewertungen werden ja beschnitten», sagte Holland. «Aber das ist jetzt das Ende - leider.» dpa


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Ifo-Institut plädiert für die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Die Niederlande, Schweden und Finnland hätten das bereits beschlossen. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen bleibe damit stabil, so die Wirtschaftsforscher.

Mit einer langen Kolonne von Traktoren haben Tausende Landwirte in Berlin ihrem Ärger über die Ampel-Koalition Luft gemacht. Bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor sprach auch DEHOGA-Präsident Guido Zöllick und verlangte die Rückkehr zu sieben Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie.

Es ist der erste Bürgerrat dieser Art und das Thema ist hochaktuell: Ernährung. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder steht dabei an erster Stelle der Empfehlungen, die nun im Bundestag vorgestellt wurden.

Das Justizministerium hat einen Referentenentwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Darin enthalten ist auch die Hotelmeldepflicht, die abgeschafft werden soll – allerdings nur für deutsche Staatsangehörige. Auch die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen verkürzt werden.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent für Speisen in der Gastronomie bei gleichzeitig massiv steigenden Kosten stellt die Unternehmer vor größte Herausforderungen. Das geht aus einer Umfrage des Dehoga hervor.

Obwohl Finanzminister Lindner noch im letzten Jahr mehrfach seine Sympathie für eine dauerhafte Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie kundgetan hatte, will der Politiker heute von einer Senkung nichts mehr wissen. In der ARD-Sendung Maischberger schloss Lindner die Rückkehr zur Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer jetzt deutlich aus.

Auch am Donnerstag haben Landwirte ihre Proteste gegen die Sparmaßnahmen der Bundesregierung in vielen Regionen fortgesetzt. Unterstützung kommt auch vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. 

Pandemie, Kundenzurückhaltung, Personalmangel und Mehrwertsteuererhöhung: Die Gastrobranche steht nach Krisen in der Vergangenheit vor neuen Herausforderungen. Eine saarländische Kampagne soll für positive Stimmung sorgen.

Nach dem sogenannten Weihnachtsfrieden nimmt der Tarifstreit bei der Deutschen Bahn Fahrt auf: Von Mittwoch bis Freitag will die Lokführergewerkschaft GDL im Personenverkehr streiken.

Am 15. Januar findet als Abschlussaktion der Aktionswoche „Ohne uns kein Essen“ der Landwirte in Berlin eine Großdemo statt. Hier ist auch der DEHOGA als Partner und Unterstützer mit dabei. Auch in den Bundesländern gibt es Aktionen. Teilnahmen an Straßenblockaden sind nicht geplant.