Tübinger Corona-Modellprojekt wird nach sechs Wochen beendet

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Nun also doch das Aus nach sechs Wochen: Das Tübinger Corona-Modellprojekt wird wegen der Bundes-Notbremse vorerst beendet. «Ab Montag ist also auch bei uns alles dicht. Theater, Handel, Schulen und Kitas», schrieb Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) auf seiner Facebook-Seite. Nach Angaben des baden-württembergischen Sozialministeriums vom Donnerstag werden mit Inkrafttreten des Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes neben dem Tübinger Modell ebenso andere Projekte ausgesetzt. «Auch für andere entsprechende Projekte ist dann kein Raum mehr.»

Dem Ministerium zufolge wurden aus dem seit Mitte März laufenden Tübinger Pilotprojekt bereits viele wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt. «Wir werden die Zeit nutzen, und diese noch weiter auswerten, um sie dann auch auf andere Regionen übertragen zu können, wenn es die Inzidenzlage wieder zulässt.» Zur Ausgestaltung künftiger Modellprojekte sei man im Austausch auch mit den kommunalen Landesverbänden.

Von der Entscheidung hatte zunächst die CDU-Wahlkreisabgeordnete Annette Widmann-Mauz berichtet. Die Tübinger Notärztin Lisa Federle reagierte enttäuscht und traurig darüber, dass der von ihr mitunterstützte Versuch nun vor dem Aus steht.

Die Inzidenz im Landkreis sei mit 180 eben viel zu hoch, schrieb Palmer. Er machte darauf aufmerksam, dass die Inzidenz - die Zahl der Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche - in Tübingen konstant unter 100 sei seit zwei Wochen. «Der Anstieg findet nur außerhalb Tübingens statt und hat jetzt den Wert von 240 erreicht, während wir bei 91 stehen», schrieb Palmer. «Unser Modell hält die Zahlen unten. Und der Bundestag hat nun beschlossen, dass wir es so machen müssen, wie alle Gemeinden um uns rum». Der zuletzt für die Stadt gemeldete Wert lag laut dem Sozialministerium am Mittwoch bei 91,8. Der Wert für den Landkreis wurde mit 181,5 angegeben.

Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit der Bundes-Notbremse passierte am Donnerstag den Bundesrat. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete das Gesetz am Nachmittag, das bei hohen Infektionszahlen Ausgangsbeschränkungen ab 22.00 Uhr und weitere Maßnahmen zur Vermeidung von Kontakten vorsieht.

Menschen in Tübingen können sich seit dem 16. März an mehreren Stationen kostenlos testen lassen - mit den Bescheinigungen der Ergebnisse, den Tagestickets, können sie dann in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen gehen. Wegen großen Andrangs von außerhalb sind die Tests inzwischen auf Menschen aus dem Kreis Tübingen beschränkt.

Laut Federle wäre es besser gewesen, wenn man als Grundlage für die Entscheidung die Inzidenz in der Stadt genommen hätte anstatt die im Landkreis Tübingen. Die Menschen hätten nun keinen Anreiz mehr, sich testen zu lassen. «Somit können wir auch die Tests nicht mehr in der Form durchführen, wie wir das schon seit Monaten machen», erklärte Federle.

Das Vorzeigeprojekt war bereits zwei Mal verlängert worden und hatte bundesweit für viel Aufsehen gesorgt, aber auch für einige Kritik. So hatte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einen Stopp solcher Versuche wie in Tübingen gefordert. «Sie geben das falsche Signal», schrieb Lauterbach auf Twitter. Das Tübinger Projekt zeige, dass unsystematisches Testen mit Öffnungsstrategien die schwere dritte Corona-Welle nicht aufhalten werde. «"Testen statt Lockdown" ist Wunschdenken, genau wie "Abnehmen durch Essen".»

Der Tübinger Infektiologe Peter Kremsner hatte das Projekt als Direktor des Instituts für Tropenmedizin an der Uniklinik Tübingen wissenschaftlich begleitet. «Das Ende des Projekts ist nicht gerechtfertigt. Aus meiner Sicht sollte das Projekt weitergehen», sagte Kremsner. Mit Blick auf die Bundesnotbremse fügte er hinzu: «Ich sehe nicht ein, warum jetzt wieder alle eingesperrt werden.» (dpa)


 

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