Umgang mit der AfD - Caroline von Kretschmann bezieht Stellung

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Wie der AfD begegnen? Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen. Das sorgt für scharfe Diskussionen in Politik und Wirtschaft. Caroline von Kretschmann, Inhaberin des Luxushotels Europäischer Hof in Heidelberg, die im Präsidium der Familienunternehmer sitzt, bezieht deutlich Stellung – auch klar abweichend von der Verbandslinie.


Hier das Statement von Caroline von Kretschmann auf LinkedIn


Die Entscheidung des Verbandes "Die Familienunternehmer", das "Kontaktverbot" zu AfD-Bundestagsabgeordneten aufzuheben, hat daher auch eine verbandsinterne Komponente über die richtige Brandmauer-Interpretation ausgelöst.

Während Präsidentin Marie-Christine Ostermann den direkten Austausch mit Fachpolitikern zur inhaltlichen Stellung der Partei befürwortet, warnt Präsidiumsmitglied Caroline von Kretschmann vor jeglicher Kommunikation mit Parteifunktionären der AfD auf Bundes- und Landesebene und sieht diese als brandgefährlich an.

Präsidentin Ostermann: Kontaktverbot aufgehoben, um AfD inhaltlich zu stellen

Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann erklärte im "Handelsblatt", die zentrale Frage sei die Interpretation, was die "Brandmauer zur AfD" überhaupt bezwecken solle.

Sie bestätigte die Aufhebung der bisherigen Strategie: "Für uns war die Brandmauer eine totale Isolation der AfD", die so weit ging, "dass wir AfD-Bundestagsabgeordnete prinzipiell nicht einluden", fügte Ostermann hinzu. "Diese Art Kontaktverbot haben wir mit dem letzten Parlamentarischen Abend auf Bundesebene aufgehoben - in unseren Landesbereichen hat es diese Art der 'Brandmauer' noch nie gegeben."

Ziel der neuen Offenheit sei es, die Partei inhaltlich zu stellen. Die Sehnsucht nach der AfD könne verfliegen, wenn im direkten Austausch deutlich werde, dass AfD-Politiker unterhalb "toller Überschriften" oft "inhaltlich blank oder widersprüchlich" seien.

Bereits im Frühjahr sei im Verband beschlossen worden, "dass wir mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch kommen", sagte sie. 

Präsidiumsmitglied von Kretschmann: Dialog mit Wählern, nicht mit Funktionären

Dieser Ansatz steht im Kontrast zur Position von Caroline von Kretschmann, Inhaberin des Europäischen Hofs Heidelberg und Mitglied im Präsidium der Familienunternehmer. Sie sieht zwar die Notwendigkeit, mit frustrierten Wählern in den Dialog zu treten, lehnt aber eine Kommunikation mit Parteifunktionären ab.

Von Kretschmann betont, für eine notwendige Unterscheidung zwischen Erreichbaren und Systemzerstörern sei Kommunikation hilfreich. Sie differenziert jedoch: "Nicht mit Parteifunktionären - sie verfolgen eine klar destruktive Agenda. Aber Gespräche mit den Menschen, die solche Parteien wählen – in Betrieben, im Freundeskreis, im Alltag – sind zentral."

Sie warnt explizit vor der Strategie, die die Verbandsspitze verfolgt, um die Partei "inhaltlich zu stellen": "Klar ist auch: Die Idee, man könne die AfD „entzaubern“, indem man mit ihren Spitzen verhandelt oder sie gar regieren ließe, ist brandgefährlich und funktioniert nicht. Das bestätigen nahezu alle, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen."

Trotz dieses strategischen Dissenses herrscht im Verband Einigkeit über die politische Brandmauer: "Eine Zusammenarbeit mit autoritären oder antidemokratischen Kräften ist kategorisch ausgeschlossen – auf Bundes- wie auf Landesebene. Keine Koalitionen. Keine Absprachen. Keine politische Nähe. Diese Linie gilt unverrückbar – auch für den Verband der Familienunternehmer."

Scharfe Kritik aus Wirtschaft und Politik

Die neue Offenheit des Verbandes führte bereits zur Konsequenz, dass die Deutsche Bank die künftige Nutzung ihrer Räumlichkeiten verweigerte. Auch andere Wirtschaftsverbände blieben auf Distanz:

IW: AfD radikaler als ähnliche Parteien im Ausland

«Gegen die AfD sprechen eine Vielzahl von manifesten ökonomischen Gründen», sagt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, dem «Handelsblatt». Dennoch gelte: «Dass Unternehmen auf kommunaler Ebene über Standortfragen auch mit Vertretern der AfD, wenn sie dort in Verantwortung sind, sprechen, ist wohl unvermeidbar.» Im Ausland werde oft nicht verstanden, dass die AfD – im Gegensatz zu den meisten anderen ähnlichen Parteien in Europa – «sich immer weiter radikalisiert hat». 

Weidel erwartet «weitere Lockerung» 

Die AfD-Parteivorsitzende, Alice Weidel, ist laut ihres Sprechers, Daniel Tapp, seit dem Einzug der Partei in den Bundestag 2017 «im regelmäßigen Austausch mit mittelständischen Unternehmen» sowie mit Vertretern von Industrie- und Handelskammern. «Aufgrund der Angst vor Ausgrenzung und Brandmarkung, finden die Gespräche meist im vertraulichen Rahmen statt», fügt er hinzu. Die Entscheidung des Verbandes der Familienunternehmer begrüße Weidel. «Wir rechnen damit, dass diese Entscheidung ein Auslöser für eine weitere Lockerung des Verhältnisses unterschiedlicher Unternehmen zur AfD sein wird.» 

Handwerkschef: Populismus schadet der Wirtschaft

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Jörg Dittrich, sagte im Gespräch mit dem Sender «Welt TV»: «Das ist nicht die Aufgabe von Wirtschaftsvertretung, über politische Brandmauern zu entscheiden.» Der Handwerksverband müsse schauen: «Wer steht für die Wirtschaft, was wird dafür getan?» Gleichzeitig gelte: «Und wir haben zu brandmarken, wenn Populismus der Wirtschaft schadet.»

Digitalverband bleibt auf Abstand zur AfD

Das sieht der Verband der Digitalwirtschaft, Bitkom, anders. Die AfD sei «digitalpolitisch rückwärtsgewandt, gesellschaftlich auf Spaltung und Abgrenzung ausgerichtet und stellt den demokratischen Rechtsstaat infrage», hieß es seitens des Verbandes. Man biete Politikerinnen und Politikern der AfD auf den Veranstaltungen und Digitalkonferenzen keine Plattform – «eine Änderung dieser grundsätzlichen Linie ist nicht geplant».

Der Verband Die Familienunternehmer hatte zu einem Parlamentarischen Abend in einer Niederlassung der Deutschen Bank in Berlin im Oktober erstmals auch Vertreter der AfD eingeladen. Die Präsidentin des Verbandes, Marie-Christine Ostermann, sagte dem «Handelsblatt», das «Kontaktverbot» zu AfD-Bundestagsabgeordneten sei mit dem jüngsten Parlamentarischen Abend aufgehoben worden. 

Bereits im Frühjahr sei im Verband beschlossen worden, «dass wir mit einzelnen AfD-Fachpolitikern ins Gespräch kommen», sagte sie. Die Partei müsse inhaltlich gestellt werden. In einer Mitteilung des Verbandes hieß es: «Wir Familienunternehmer wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung.» 

Klingbeil: AfD ist arbeitgeber- und arbeitnehmerfeindliche Partei

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte auf dem Arbeitgebertag in Berlin mit Blick auf die Diskussion in der Unternehmenswelt über den Umgang mit der AfD: «Diese Partei schadet unserem Land.» Die AfD sei eine arbeitgeber- und arbeitnehmerfeindliche Partei. Sie habe keine deutschen und europäischen Interessen. Die demokratische Mitte müsse Lösungen finden. «Aber dafür macht man nichts mit den Rechtsextremen», sagte der SPD-Chef. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) warnte vor Populismus von rechts.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, ohne die AfD zu nennen: «Das Vertrauen in die Parteien der Mitte wird zurückkehren, wenn die Probleme angepackt und gelöst werden.» Wenn diese Koalition Erfolg haben wolle, dann müsse sie handeln.

Grünen-Abgeordnete: «Vorfeldorganisation des Kreml»

In einer gemeinsamen Erklärung üben die Grünen-Politiker Konstantin von Notz und Andreas Audretsch Kritik an der Kontaktaufnahme des Verbandes zur AfD: «Wir können uns schlicht nicht vorstellen, dass die Mitglieder im Verband der Familienunternehmen sich von diesem Agieren repräsentiert fühlen.» Jedes Mitgliedsunternehmen, das eine Kooperation mit der Partei ablehne, sollte Ostermann nun «deutlich in die Schranken weisen». Die beiden Bundestagsabgeordneten betonen, gefährlich sei eine Zusammenarbeit auch aus folgendem Grund: «Die AfD betätigt sich immer wieder als Vorfeldorganisation des Kreml und anderer autoritärer Staaten.»

Der Ökonom Marcel Fratzscher warnte davor, die AfD wie eine normale Partei zu behandeln. Dies «könnte erheblichen Schaden für die deutsche Wirtschaft im Ausland wie im Inland anrichten», sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dem «Handelsblatt». Verbände und Unternehmen dürften «politisch wie gesellschaftlich klare Positionen beziehen und diese öffentlich und sichtbar kommunizieren».

Deutsche Bank zieht die Reißleine

Eine praktische Folge der neuen Gesprächsbereitschaft des Familienunternehmer-Verbandes gegenüber der AfD ist, dass er sich für seinen nächsten Parlamentarischen Abend einen anderen Veranstaltungsort suchen muss. Denn die Deutsche Bank verweigert dem Verband eine weitere Nutzung. Man sei «übereingekommen, die Räumlichkeiten künftig dem Verband nicht mehr zur Verfügung zu stellen», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus informierten Kreisen. Zuvor hatten das «Handelsblatt» und andere Medien berichtet.

«Keine Kenntnis von der Gästeliste»

Ein Sprecher des größten deutschen Geldhauses in Frankfurt bestätigt, dass das Institut die Berliner Räumlichkeiten für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt habe. Die Bank habe «aber keine Kenntnis von der Gästeliste und auch keinen Einfluss darauf» gehabt. Im Atrium der Deutschen-Bank-Filiale Unter den Linden finden immer wieder interne und externe Veranstaltungen statt. (mit dpa)

Hier das komplette Statement von Caroline von Kretschmann:

Aktuell werde ich als Präsidiumsmitglied von DIE FAMILIENUNTERNEHMER von vielen Seiten um eine Positionierung gebeten. Es geht um eine Frage, die unsere demokratischen Institutionen herausfordert: Wie geht man mit einer Partei um, die demokratische Grundprinzipien infrage stellt, teilweise als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, ein wirtschafts- und europafeindliches Programm verfolgt und zugleich beunruhigend wachsenden Zuspruch erhält?

Ein zentrales Problem: Die Auseinandersetzung findet kaum auf der Sachebene statt, sondern auf der Identitätsebene. Dort, wo Zugehörigkeit wichtiger wird als Argumente, entstehen hochvergemeinschaftete Gruppen, ähnlich familiärer Bindungen. In solchen Prozessen gilt: Wer frontal bekämpft wird, rückt enger zusammen. Und ebenso: Wer Wähler:innen pauschal entwertet oder diffamiert, stabilisiert oft genau jene Kräfte, die man schwächen möchte.

Klar ist auch: Die Idee, man könne die AfD „entzaubern“, indem man mit ihren Spitzen verhandelt oder sie gar regieren ließe, ist brandgefährlich und funktioniert nicht. Das bestätigen nahezu alle, die sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigen.

Deshalb sind mir drei Punkte wichtig:

1. Demokratische Haltung heißt: glasklare Grenzen.
Eine Zusammenarbeit mit autoritären oder antidemokratischen Kräften ist kategorisch ausgeschlossen – auf Bundes- wie auf Landesebene. Keine Koalitionen. Keine Absprachen. Keine politische Nähe. Diese Linie gilt unverrückbar – auch für den Verband der Familienunternehmer.

2. Demokratische Kultur heißt: Menschen zuhören, bevor sie sich abwenden.
„Kontaktverbote“ haben nicht funktioniert. Viele wenden sich radikalen Rändern nicht aus Ideologie zu, sondern aus Frust, Enttäuschung oder dem Gefühl, nicht mehr gesehen zu werden. Populisten werden zur Projektionsfläche des Wunsches nach Halt in einer verunsichernden Welt. Entscheidend ist daher zu unterscheiden: Wer ist noch erreichbar – und wer will bewusst das System zerstören? Für diese Unterscheidung ist Kommunikation hilfreich. Nicht mit Parteifunktionären - sie verfolgen eine klar destruktive Agenda. Aber Gespräche mit den Menschen, die solche Parteien wählen – in Betrieben, im Freundeskreis, im Alltag – sind zentral. Wir dürfen diese Räume nicht denen überlassen, die sie verengen wollen.

3. An den Ursachen arbeiten, nicht nur an den Symptomen.
Misstrauen verschwindet nicht durch Appelle. Aber man kann es ernst nehmen, verstehen und bearbeiten. Wir müssen die Ursachen angehen, die Menschen in die Arme populistischer Parteien treiben: Bürokratie, die Unternehmen stranguliert; fehlende Verlässlichkeit staatlicher (Infra-)Strukturen; Lebensrealitäten, in denen sich Arbeit subjektiv nicht mehr lohnt; Bildungseinrichtungen, die kapitulieren, etc. Nur wenn wir diese Ursachen ernsthaft angehen, lässt sich der Zuspruch für antidemokratische Kräfte nachhaltig eindämmen.

Wenn wir klare Grenzen setzen UND gleichzeitig im Gespräch bleiben, stärken wir das Vertrauen, von dem unsere Demokratie lebt.


 

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