Unionspolitiker wollen Mindestlohn absenken oder 2021 Erhöhung aussetzen

| Politik Politik

Die Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Energie der CDU/CSU im Bundestag hatte sich dafür ausgesprochen den Mindestlohn in Deutschland abzusenken oder zumindest eine Erhöhung im kommenden Jahr auszusetzen. Der Vorschlag erntet reichlich Kritik - auch von der CDU-Chefin.

Eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden statt einer täglichen, der Verzicht auf die Erhöhung des Mindestlohns im kommenden Jahr und die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge auf 40 Prozent: Diese drei Forderungen sieht das Papier „Wachstumsprogramm für Deutschland“ der AG Wirtschaft und Energie der Union im Bundestag vor. Mit Blick auf den Mindestlohn können sich die Wirtschaftspolitiker im Zuge der Coronakrise neben dem Verzicht auf die Erhöhung sogar eine Absenkung vorstellen. Weitere Forderungen der Unions-AG sind das Vorziehen der Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf den 1. Juli, steuerliche Entlastungen vor allem für Unternehmen, Bürokratieabbau und eine Senkung der Energiepreise.

Schnelle und massive Abwehr der Mindestlohnvorschläge kam nach Bekanntwerden der Vorstellungen allerdings nicht nur seitens des Koalitionspartners SPD. Auch die CDU-Parteispitze bemühte sich, sehr schnell darzustellen, dass dies keine Position der gesamten CDU oder der Führungsgremien sei. 

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den Vorstoß von Wirtschaftspolitikern der Union, den Mindestlohn wegen der Corona-Krise abzusenken, deutlich zurückgewiesen. «In dieser Zeit brauchen Unternehmen Spielraum und Liquidität zum Investieren. Darüber reden wir beim Konjunkturpaket. Aber für die CDU ist klar: Nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Deshalb: Hände weg vom Mindestlohn», schrieb sie am Dienstag bei Twitter.

Im Juni neuer Vorschlag für Erhöhung

Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt im Januar von 9,19 Euro auf aktuell 9,35 Euro erhöht. Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern will voraussichtlich im Juni einen neuen Vorschlag für die Erhöhung zum 1. Januar 2021 unterbreiten. Auch aus der Wirtschaft hatte es schon Forderungen nach Aussetzung einer Erhöhung gegeben.

Die Unionswirtschaftspolitiker verlangen außerdem eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes, eine langfristige Deckelung der Beiträge zur Sozialversicherung, also der Lohnnebenkosten, auf maximal 40 Prozent und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags schon am 1. Juli statt am 1. Januar 2021, und zwar vollständig. Dies lehnt der Koalitionspartner SPD aber seit längerem ab; die Sozialdemokraten wollen den Zuschlag nur für 90 Prozent der Steuerzahler abschaffen.

SPD: "Der Mindestlohn gilt"

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast erklärte der Deutschen Presse-Agentur dazu: «Das CDU-Wirtschaftskonzept ist ein Schlag ins Gesicht aller, die zu extrem geringen Löhnen arbeiten müssen. Das geht gar nicht. Es ist völlig unnötig, die Geringverdiener jetzt durch solche spalterischen Vorschläge zu verunsichern.» Es bleibe dabei: «Der Mindestlohn gilt, und für seine Erhöhung gibt es ein vereinbartes und bewährtes Verfahren.»

Auch Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte mit Blick auf den Mindestlohn: «Das scheint mir nicht von dieser Welt zu sein», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). «Der Mindestlohn ist bei uns zu niedrig.» Riexinger sagte, es sei «nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch falsch». Denn die Nachfrage sei in der Corona-Krise weltweit eingebrochen. Da müsse man gegenhalten.

Der FDP-Politiker Johannes Vogel kritisierte an dem Vorschlag, «der Mindestlohnkommission politische Vorschriften machen» zu wollen. Gerade der Wirtschaftsflügel «müsste die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission respektieren», so der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat die Entscheidung keine direkte Auswirkung.

Macht ein EU-Urteil Änderungen am deutschen Mindestlohn-System notwendig? Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie die Politik blicken an diesem Dienstag gespannt nach Luxemburg.

Vertreter von Bundesregierung, Bundesländern, Wirtschaft und Gewerkschaften haben für die duale Berufsausbildung in Deutschland geworben und auf akute Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hingewiesen. Die Lage sei mehr als herausfordernd, sagte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) fordert eine rasche und dauerhafte steuerliche Entlastung für das Gastgewerbe. Der Verband sieht darin einen entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität der Innenstädte.

Die im Europäischen Parlament angestoßenen Pläne für ein Bezeichnungsverbot von Fleisch-Namen für pflanzliche Ersatzprodukte stoßen im Bundestag auf breite Ablehnung. Quer durch fast alle Fraktionen äußerten Abgeordnete Kritik an einem möglichen Verbot von Begriffen wie „Tofu-Wurst“ oder „Veggie-Burger“.

Die wiederholte Blockade in Washington hat für das US-Hotelgewerbe bereits zu massiven Verlusten geführt. Über 30 Branchenverbände richten einen verzweifelten Appell an die politischen Entscheidungsträger.

Der Mindestlohn steigt wie geplant zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin eine entsprechende Verordnung.

Bundesagrarminister Alois Rainer spricht sich gegen ein Verbot von Bezeichnungen wie «Veggie-Schnitzel» oder «Tofu-Wurst» für pflanzliche Lebensmittel aus. Es würde «unglaublich hohe Kosten für die Wirtschaft» sowie Bürokratie verursachen, sagte der CSU-Politiker vor einem Treffen mit einem EU-Amtskollegen in Luxemburg.

Zwei Drittel der abhängig Beschäftigten in Deutschland sprechen sich für eine Lockerung der täglichen Arbeitszeitbegrenzung und die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus. Dies ist das zentrale Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Debatte um geplante Steuerentlastungen für die Gastronomie und Pendler spitzt sich zu. Nach der ablehnenden Haltung von Bundesfinanzminister Klingbeil hinsichtlich einer Kompensation für die Länder, kam scharfe Kritik von Ministerpräsidenten der CDU. Gleichzeitig warnt der DEHOGA vor den Folgen einer Verzögerung der Entscheidungen.