Ein Gastbeitrag von Stefan Brehm
Man kann gerade kaum noch an einem Restaurant vorbei gehen, an dem kein Schild hängt: “Personal dringend gesucht!” Die von mir sehr geschätzte Gastronomie-Kollegin Kerstin Rapp-Schwan aus Düsseldorf erzählte mir vergangene Woche, wie sehr sie sich erst gegen die Krise und nun auch noch gegen den Personalmangel stemmt. Ähnliches berichtete mir ein befreundeter Gastronom aus Berlin. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, überall wird in unserer Branche derzeit nach Personal gesucht – händeringend, ja fast schon verzweifelt.
Unumgänglich ist also der Weg in die Digitalisierung, um Prozesse zu automatisieren, zu vereinfachen und das eigene knappe Personal damit so gut wie möglich zu entlasten. Helfen kann es da zum Beispiel, den Gast mit in den Bestellprozess einzubeziehen. Klingt komisch, ist aber heute überhaupt kein Problem mehr – neuen digitalen Tools und Services sei Dank.
Startpunkt für eine erfolgreiche Mission Digitalisierung ist und bleibt übrigens das Kassensystem. Hier laufen seit jeher alle wichtigen Daten zusammen. Aber nur mit einer cleveren Kasse, die Daten sammelt und aufbereitet, kann man auch smarte Unternehmensentscheidungen treffen.
Wer hat Angst vorm Gastro-Neuland?
Für viele ist der Start in die Digitalisierung des gastronomischen Betriebs noch immer ein Schritt ins Ungewisse, ein Aufbruch ins digitale Gastro-Neuland. Der Betriebsleiter muss schließlich eine mehr oder minder elementare Entscheidung fällen: Bleibe ich bei meiner veralteten aber bewährten Technologie mit der Registrierkasse und den zahllosen zusätzlichen Insellösungen, die irgendwie funktionieren und mit denen ich meinen Betrieb in der Vergangenheit immer ganz okay gesteuert habe? Oder wage ich jetzt den Schritt und fange nochmal von vorne an – mit einem smarten Kassensystem und passgenau zugeschnittenen Erweiterungen aus einer Hand, die mir Rückschlüsse auf alle wichtigen Kennzahlen erlauben, damit ich meinen Personaleinsatz so effizient wie möglich gestalte?
Viele entscheiden sich immer noch für den ersten Weg. Ist halt nicht so sexy, funktioniert aber doch auch irgendwie. Außerdem ist jetzt zum Restart endlich wieder viel los im Gastraum und da hat man gerade auch gar keine Zeit für sowas. Geld für derartige Investitionen ist im Moment sowieso nicht viel da. Wird schon alles irgendwie weitergehen mit der bestehenden Ausstattung. Aber ganz, ganz bald gehen wir das Thema Digitalisierung an, versprochen. Wirklich?
Die Learnings aus Corona ernst nehmen
Wenn die Pandemie unsere Branche eines gelehrt hat, dann dass vor allem diejenigen Kolleginnen und Kollegen einigermaßen unbeschadet durchgekommen sind, die jederzeit genau über alle Zahlen Bescheid wussten und ihren Betrieb dementsprechend schnell und flexibel manövrieren konnten, ob bei Lieferservice-Angebot, digitaler Speisekarte oder eben dem Personaleinsatz.
Und das waren erfreulicherweise gar nicht so wenige, denn mittlerweile nehmen moderne, cloudbasierte Kassensysteme, die man einfach erweitern kann, einen immer größeren Raum in der Gastronomie ein. In den letzten 10 Jahren hat sich der Markt extrem verändert und die Technologien, die dort zum Einsatz kommen, basieren auf gängigen Betriebssystemen. Die Apps und Tools sind also einfach zu integrieren sowie intuitiv zu bedienen.
Insel oder Plattform, das ist hier die Frage
Dabei findet der digital interessierte Gastronom so ziemlich alles, was sein Herz begehrt: Von der digitalen Speisekarte über Apps zur Platzreservierung bis hin zu innovativen Marketing-Lösungen. Manche der Tools lassen sich auch mit dem Kassensystem verbinden, was viele Vorteile hat und generell eine gute Idee ist. (Einen recht guten Überblick von digitalen Tools und Services findet man bei Gastrotools24.de.)
Gehört man also zu den glücklichen Gastronomen, die weniger Probleme mit dem Finden von geeignetem Personal haben und nur etwas die Abläufe im Tagesgeschäft optimieren wollen, kann es absolut sinnvoll sein, auf solche handverlesenen Insellösungen zu setzen. Hauptsache, man wird überhaupt aktiv und schaut, wie man den Betrieb für die Zukunft flexibler und effizienter aufstellen kann. Denn das muss jetzt, nach dem gefühlt ewig andauernden Lockdown, die oberste Maxime sein.
Technik kann Mangel an Personal auffangen
Für die meisten Gastronomen sieht die Welt aber mittlerweile anders aus. Nicht erst seit Corona kämpfen sie um gutes Personal, oft auch mit harten Bandagen, um dann oftmals doch nicht fündig zu werden. Wenn, wie vergangene Woche auf der Insel Fehmarn geschehen, eine Gastronomin sich hinstellt und bei Facebook sagt: “Wir können nicht mehr, wir haben kein Personal mehr, wir sind am Leistungslimit und deshalb machen wir jetzt montags & dienstags zu”, dann sind wir an einem sehr kritischen Punkt angelangt.
Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen, dass gerade diese Betriebe sich jetzt einmal hinsetzen und alle vorhandenen Prozesse und eingesetzten Produkte hinterfragen müssen – schonungslos und direkt. Denn die Prämisse in so einer schwierigen Situation muss die Antwort auf die Frage sein, wie ich meine gesamten Abläufe so digitalisieren kann, dass ich die Ressourcen-Probleme – in diesem Fall den massiven Mangel an Personal – trotzdem in den Griff bekomme. Denn es ist durchaus möglich, den Mangel an Personal durch optimierte Arbeitsabläufe aufzufangen, zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Große Lösung, großer Impact
Der Fortbestand des Betriebs kann hier meiner Meinung nach aber nur mit einer umfangreichen Digitalisierung über das Implementieren einer ganzheitlichen Plattform-Software gelingen, die alles miteinander verzahnt: Personalmanagement, Kassensystem, Self-Ordering, Shoplösung, Payment-Prozesse, mobile Kassen, Speisekarten-Management, Bestandsverwaltung und so weiter. Je mehr desto besser. Denn wenn bei dieser “großen Lösung” alles aus einer Hand kommt und bereits bei Lieferung fix und fertig aufeinander abgestimmt ist, ist das ein riesiger Vorsprung, den mehrere zusammengestellte Insellösungen niemals einholen können. Eine große Hilfe ist hier übrigens auch, dass es bei einer Plattformlösung einen konkreten Ansprechpartner für mich gibt, während bei den Insellösungen wahrscheinlich jedes Produkt seinen eigenen Vertriebler oder Support mit sich bringt.
Um zu sehen, wie es gehen kann, lohnt ein Blick auf die Großen: Brauereien, Konzerne und Zulieferer wie Metro beschäftigen sich nicht umsonst seit Jahren mit dem Plattformgedanken und wie die zukünftige, vollständig verzahnte Supply Chain aussehen kann. Die Anzahl der vorhandenen Plattformen wird jedenfalls stetig größer.
Digitalisiert euch!
Liebe Gastgeber, ob ihr euch nun für mehrere Insellösungen entscheidet oder aber eine große Plattform bevorzugt, wir sollten die Angst vor neuen Lösungen ablegen. In den nächsten Monaten wird auf diesem Markt noch viel entwickeln, was der Branche helfen kann.
Zum Autor: Seit drei Jahrzehnten ist der gelernte Hotelkaufmann Stefan Brehm als Gastgeber und Gründer von Start-ups wie BookaTable und Gastrofix (heute Lightspeed) erfolgreich. Er gilt als ausgewiesener Digitalisierungsexperte und Visionär des Gastgewerbes der Zukunft.