Allein mit Nofretete? - Deutsche Touristenziele in Corona-Zeiten

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Ob im Museum oder vor dem Schloss: Wo sich normalerweise Menschentrauben bilden, um den besten Blick zu erhaschen, sind in diesem Sommer oft nur vereinzelt Menschen mit Mund-Nasen-Schutz unterwegs. Ist im Corona-Jahr endlich die Zeit für Fotos ohne störende Passanten gekommen? Oder machen die Zugangsbeschränkungen da einen Strich durch die Rechnung?

HEIDELBERGER SCHLOSS: Das Heidelberger Schloss gehört zu den Hauptattraktionen Deutschlands. Doch wegen der Corona-Pandemie ist es auf der romantischen Ruine hoch über dem Neckar ruhiger als sonst. Statt 4000 Besuchern am Tag sind es nur die Hälfte, die den Kaisersaal, das Große Fass oder den Schlossgarten besichtigen. «Man kann das Schloss ein Stückchen individueller erleben», sagt der Leiter der Schlossverwaltung Michael Bös.

Nur im Deutschen Apothekenmuseum, das im Schloss untergebracht ist, müssen jetzt Gäste Schlange stehen. Im schlauchartigen Museum ist es schwierig, die Abstandsregeln einzuhalten. Deshalb ist die Zahl der Menschen, die gleichzeitig die Laborgeräte, Hausapotheken oder den «Arzneischatz» betrachten, auf 40 begrenzt.
 

ELBPHILHARMONIE-PLAZA: Gute Chancen haben Kurzentschlossene derzeit oft bei der Plaza der Elbphilharmonie. Von der öffentlichen Aussichtsplattform in 37 Metern Höhe haben Gäste einen guten Blick auf Hamburg und den Hafen. Besucher berichten, dass die Gratis-Karten an der Kasse teilweise ohne Schlange zu bekommen seien. Selbst auf der berühmten Röhren-Rolltreppe sei es zu manchen Zeiten leer. Die Elbphilharmonie empfiehlt, den Besuch online zu reservieren.

Wegen der Abstandsregeln dürfen sich auch hier nicht so viele Menschen wie sonst gleichzeitig aufhalten. Seit der Wiedereröffnung der Aussichtsplattform am 25. Mai sind bis zum 12. August einem Sprecher zufolge nur etwa ein Drittel so viele Gäste gekommen wie im gleichen Zeitraum 2019 (311 048 bzw. 895 944).

 

KÖLNER DOM: Ein Besuch im Kölner Dom ist jetzt oft schwieriger als vor der Corona-Pandemie - einmal drinnen, ist das Erlebnis allerdings umso überwältigender. Denn gleichzeitig dürfen nur noch 300 Besucher in die Kathedrale. Dies führt vor allem am Wochenende zu langen Warteschlangen. Drinnen hat man dann den größten Kirchenraum Deutschlands mit einigen wenigen anderen Besuchern für sich.

In der Stille ist der scheppernde Schlag einer alten Domuhr geradezu ohrenbetäubend. Vor Corona hörte man die Uhr gar nicht - das Schlagen wurde von den Geräuschen Tausender Besucher übertönt. Auch bei der Turmbesteigung müssen sich die Touristen auf längere Wartezeiten einstellen: Denn das Treppenhaus wird alle 20 Minuten im Wechsel für den Auf- und für den Abstieg geöffnet. Dadurch wird gewährleistet, dass sich auf der schmalen Wendeltreppe auf- und absteigende Besucher nicht begegnen und die Abstandsregelungen eingehalten werden.
 

REICHSTAGSKUPPEL: Von der Dachterrasse des Reichstagsgebäudes das Brandenburger Tor oder das Regierungsviertel sehen und durch das gläserne Dach der Kuppel in den Plenarsaal schauen - das ist zurzeit nur eingeschränkt möglich. Die von Architekt Norman Foster entworfene Reichstagskuppel ist bis Ende September für Besuchergruppen von Politikern nicht zugänglich. Besuche von Einzelnen sind aber mit Anmeldung möglich.

Man kann außerdem weiter an Plenarsitzungen auf der Tribüne oder an Hausführungen teilnehmen. Abends (täglich von 18.30 Uhr bis 21.45 Uhr) ist die Kuppel zudem für eine begrenzte Anzahl von Gästen geöffnet. Das coronaangepasste Besuchsangebot werde sehr gut angenommen, teilte der Bundestag auf Anfrage mit.
 

BERLINER MUSEUMSINSEL: In den Staatlichen Museen in Berlin sind ebenfalls weniger Menschen unterwegs, da der Zugang begrenzt und nur mit reservierten Zeitfenstern möglich ist, darunter sind das Panorama des Pergamonmuseums und das Neue Museum. Für die Besucher ist das auch eine Chance: endlich einmal Attraktionen wie die Büste der Nofretete in Ruhe besuchen.

Dass es durch die Abstandsregeln Platz gibt, fänden viele Besucher angenehm, heißt es aus der Generaldirektion der Museen. «Ganz generell ist der Umgang in den Museen ein besonnener, was auch an der konsequenten Umsetzung und Einhaltung der aktuellen Hygieneregelungen liegt.» Die Besuchszahlen 2020 würden aber deutlich hinter denen der Vorjahre zurückbleiben. Aktuell wird mit 30 Prozent des Vorjahres gerechnet. 2019 kamen 4,2 Millionen Besucher insgesamt.
 

BLUMENINSEL MAINAU: Blumen über Blumen - und Ruhe: Auf der Insel Mainau im Bodensee fehlen dieses Jahr laut einer Sprecherin die Besucher aus dem Ausland ebenso wie die meisten Busreisenden. «In den letzten Jahren wurde die Insel bei schönem Wetter von 7000 bis 8000 Gästen pro Tag besucht», sagt eine Sprecherin. Insgesamt seien das rund 1,2 Millionen Besucher pro Jahr. «In diesem Jahr werden die Zahlen nicht erreicht.»

Für Gäste bedeutet das: weniger Trubel, mehr Ruhe. So könne man sich etwa das Arboretum ganz entspannt anschauen, erklärt die Sprecherin. In der historischen Baumsammlung der Insel stehen teilweise über 45 Meter hohe Riesenmammutbäume - mit ausreichend Platz für Besucher. Und bei wärmeren Temperaturen ist es dort angenehm kühl.

DRESDNER FRAUENKIRCHE: Nach achtwöchiger Schließung ist die Dresdner Frauenkirche seit Mitte Mai wieder geöffnet. Allerdings sind die Zugänge zur Kuppel und in die Kirche zu Andachten, Gottesdiensten und Konzerten stark reduziert. Auf der Kuppel dürfen nur 50 Menschen gleichzeitig sein, in der Kirche nur 40 Besucher und bei Konzerten dürfen nur etwa 350 der mehr als 1660 Plätze belegt werden. In der Jahresbilanz werde nach Einschätzung der Stiftung Frauenkirche Dresden die Hälfte der Gäste fehlen.

Im ersten Halbjahr kam nur etwa ein Drittel der Besucher des Vorjahres in das weltberühmte, am Ende des Zweiten Weltkrieges zerstörte und nach 1990 originalgetreu wiederaufgebaute Gotteshaus aus dem 18. Jahrhundert. «Im Juni/Juli und auch August haben sich die Zahlen wesentlich verbessert», sagt Geschäftsführerin Maria Noth. Im Vergleich zu sonst kämen mehr deutsche und europäische Touristen. «Unser Vorteil ist: Wir haben Platz und viel Luft nach oben».

SCHLOSS NEUSCHWANSTEIN: König Ludwig II. war menschenscheu und suchte in Schloss Neuschwanstein die Einsamkeit. Kurz nach seinem Tod 1886 kehrte Leben in sein Refugium ein: Es wurde für Besucher geöffnet. In den vergangenen Jahren spazierten pro Tag während der Hochsaison 6000 Menschen durch das im Allgäu gelegene Schloss des «Märchenkönigs». In Zeiten von Corona sind es noch 1080 pro Tag, wie die Bayerische Schlösserverwaltung in München mitteilte.

Neuschwanstein ist vor allem für Touristen aus dem Ausland ein Anziehungspunkt. 28 Prozent der Führungen sind normalerweise englischsprachig, je 19 Prozent Deutsch und Mandarin. Aktuell finden 66 Prozent der Führungen in deutscher Sprache statt. Für Schlossführer Patrick Korb ist die Corona-Saison eine interessante Erfahrung. Es sei für ihn unvorstellbar gewesen, irgendwann einmal Gruppen mit nur zehn Teilnehmern durch die Räume zu führen.

ROTHENBURG OB DER TAUBER: Die mittelalterliche Kleinstadt im fränkischen Landkreis Ansbach zieht jährlich geschätzt 1,9 Millionen Besucher an - bei gut 10 000 Einwohnern. Die Stadt - bekannt für ihre Fachwerkhäuser und den Weihnachtsmarkt - lebt zu einem guten Teil vom Tourismus. 2018 und 2019 wurden nach Angaben eines Stadtsprecher rund 560 000 Übernachtungen registriert. Im Corona-Jahr, so schätzt der Sprecher, könnten es 70 Prozent davon werden. Denn seit der Wiedereröffnung von Übernachtungsbetrieben sei der Tourismus wieder gut angelaufen - nur mit dem Unterschied, dass deutlich weniger ausländische Besucher nach Rothenburg kommen.

MÜNCHEN: Ein Spaziergang durch den Englischen Garten, Flanieren über den Marienplatz, Museumsbesuche oder vom Olympiaturm die Aussicht genießen: In München ist Touristen einiges geboten, und in der Regel ist gerade zur Hauptsaison viel los. An den Sehenswürdigkeiten sind Sprachen aus aller Welt zu hören. Im Corona-Jahr 2020 sieht das anders aus - nicht nur, weil das Oktoberfest ausfällt.

Die Bilanz des ersten Halbjahres fällt aus Sicht des Wirtschaftsreferates «ernüchternd» aus. Die Zahl der Übernachtungen ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 56 Prozent eingebrochen. Statt 8,3 Millionen Übernachtungen waren es 3,6 Millionen. Allein im Juni liegt der Rückgang bei knapp 74 Prozent. Das sei zwar nicht überraschend, aber dramatisch.

Jedoch: Nachdem zunächst vor allem Touristen aus Deutschland das Geschäft wieder ankurbelten, kämen inzwischen auch Gäste aus Nachbarländern nach München. Besucher aus Übersee - wie auch Geschäftsreisende - blieben allerdings noch weitgehend aus.

DACKELMUSEUM PASSAU: Dackel-Fans aus aller Welt reisen seit zwei Jahren nach Passau: Dort gibt es ein Dackelmuseum, das nicht nur Herrchen und Frauchen, sondern auch die Vierbeiner anspricht. Etwa 100 Besucher kämen jeden Tag in das Museum, sagt Inhaber Josef Küblbeck. Zwar dürften weniger Menschen zeitgleich in den Ausstellungsraum hinein, insgesamt seien es aber sogar mehr als vor Corona. Denn zurzeit kämen in erster Linie deutsche Touristen, und die schauten sich das Museum an, während sonst die ausländischen Gäste oft nur in den Dackel-Souvenir-Laden gingen. Seit der Eröffnung im April 2018 seien zudem schon rund 3000 Dackel zu Besuch gewesen.

Dennoch sei die Saison schwierig, denn im Januar und Februar ist das Dackelmuseum ohnehin geschlossen. Danach kamen die Corona-Beschränkungen, so dass das Museum erst Ende Mai wieder öffnete. Die Menschen seien aber verständnisvoll und hielten sich auch an die Auflagen wie Abstandsregeln oder Maskenpflicht. Im Dackelmuseum gibt es inzwischen sogar Dackelmasken.

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