Bollenhut und Co. - Schwarzwaldklischees überstehen Trends und Krisen

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Im Heimatfilm-Klassiker «Schwarzwaldmädel» wird viel gesungen, und Hauptdarstellerin Sonja Ziemann trägt vor der Bilderbuchkulisse einen Bollenhut mit roten Kugeln. Das Farbstreifen aus dem Jahr 1950 war ein Kassenschlager und prägt das Bild der Sehnsuchtsregion im Südwesten Deutschlands bis heute - so sieht es zumindest Markus Herbener, Forstwissenschaftler an der Universität Freiburg und Schwarzwaldexperte.

«Das Image des Bollenhuts ist vor allem dem "Schwarzwaldmädel" entsprungen», meint er. Andere sind davon überzeugt, dass auch die TV-Unterhaltungsserie «Schwarzwaldklinik», die von 1985 bis 1989 ausgestrahlt wurde, das Bild der Region nachhaltig prägte.

Traditionell wird der Bollenhut nur in drei Gemeinden der Ferienregion getragen. Er stieg jedoch zu einem Wahrzeichen auf, neben der Kuckucksuhr und der Schwarzwälder Kirschtorte. «Der Bollenhut hat eine sehr witzige Form, es sind die Kugeln auf dem Kopf», meint Herbener.

 

Das Skurile fasziniere die Menschen, man sehe mit der ungewöhnlichen, bis zu zwei Kilo schweren Kopfbedeckung mitunter aus «wie eine Eistüte». Für Schwarzwälder sei es aber durchaus vorteilhaft, mit dem klischeebehaftenen Hut ein weltweites Erkennungszeichen zu haben. Herbener kam als Wissenschaftler und gebürtiger Schwarzwälder dazu, sich intensiv mit regionalen Klischees zu beschäftigen.

Siegfried Eckert, Bürgermeister der «Bollenhut»-Gemeinde Gutach in Ortenaukreis, verteidigt den mit weißem Gips gefestigten Strohhut mit den Wollkugeln bei jeder Gelegenheit. Der CDU-Politiker, der auch den Trachten-Dachverband Heimat und Volksleben führt, ist sozusagen kraft Amts vom Trachtentragen überzeugt: «Das ist wieder in», bilanziert er. «Die Klischees sollten wir weiterspielen», lautet das Credo des 68-Jährigen, der dabei auch den Tourismus im Blick hat.

Nachwuchsprobleme bei der Brauchtumspflege sieht der Lokalpolitiker nicht. In Gutach und den beiden «Bollenhut»-Nachbarorten Wolfach-Kirnbach und Hornberg-Reichenbach seien zusammen rund 150 Frauen und Männer in Trachtengruppen aktiv. In Eckerts Gemeinde arbeitet zudem die 68 Jahre alte Gabriele Aberle, eine der letzten Bollenhutmacherinnen im Schwarzwald.

Als Cathy Hummels sich einem traditionellen Bollenhut schmückte und Fotos davon auf Instagram postete, gab es im vergangenen Jahr Kritik. Der Influencerin wurde vorgeworfen, den Bollenhut zu moderner Kleidung zu tragen. Bürgermeister Eckert nahm Hummels in Schutz und mahnte an, großzügig zu sein. Hummels zeige mit dem Foto, dass sie ein Gefühl für die schönen Dinge habe. «Außerdem ist es eine gute Werbung für den Schwarzwald - und das auch noch umsonst», sagte er damals.

Der etwas spielerische Umgang mit der Tradition war vielleicht nicht immer gegeben. Experte Herbener ist davon überzeugt, dass vor allem Künstler in den vergangenen Jahrzehnten den Weg zu einem entstaubten und moderneren Schwarzwaldimage ebneten: Der Offenburger Stefan Strumbel beispielsweise wurde mit bunten Kuckucksuhren bekannt. Und Fotograf Sebastian Wehrle zeigt junge Menschen - auch mit Tätowierungen - die nicht in das perfekte Klischee fallen, aber traditionelle Trachten tragen, wie Herbener sagt: «Es wird heute akzeptiert, wenn man sich als Schwarzwälder outet, ohne dabei gleich als "Landei" oder "Hinterwälder" zu gelten.»

Die Kuckucksuhr ist ebenfalls ein tief verwurzeltes Symbol und ein beliebtes Souvenir - auch für hohe Gäste. Prinz William und Herzogin Kate erhielten vor sechs Jahren in Heidelberg eine Kuckucksuhr mit britischer Flagge als Gastgeschenk des Landes Baden-Württemberg.

Die Ursprünge dieser besonderen Uhr liegen im Dunkeln, wie das Deutsche Uhrenmuseum in Furtwangen nüchtern berichtet. Und wer die erste Kuckucksuhr im Schwarzwald zusammenbaute, ist auch nicht richtig klar.

Eine entscheidenden Etappe gab es auf jeden Fall Mitte des 19. Jahrhunderts. 1850 veranstaltete der damalige Chef der Uhrmacherschule in Furtwangen, Robert Gerwig, einen Designwettbewerb. Der Erfolgsentwurf stammte von Friedrich Eisenlohr, der für Bauten entlang der badischen Staatseisenbahn verantwortlich war. Der Architekt blieb im Fach und zierte die Fassade eines Bahnwärterhäuschens mit einem Zifferblatt.

Das Urbild der Kuckucksuhr in Häuschenform war geboren - so sieht es das Museum. Später wurde dieses Design ergänzt und verändert, so kamen Tier- und Pflanzenschnitzereien dazu. Ingenieur Gerwig stieg übrigens später zum Eisenbahnpionier auf - die von ihm gebaute Schwarzwaldbahn von Offenburg nach Konstanz feiert in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag.

Über die Herkunft der Schwarzwälder Kirschtorte ist auch schon viel gerätselt worden. In der Region ist man mancherorts überzeugt, dass sie aus einem schon lange bekannten Sahne-Kirsch-Dessert hervorging. Oder war vielleicht der Konditor Josef Keller der Erfinder? Er hatte behauptet, die Torte 1915 im Rheinland erfunden zu haben.

Weiße Sahnecreme, rote Kirschen und Schokospäne – daran erkennt man die Kalorienbombe in der Konditoreivitrine. Gehört das Kirschwasser dazu? Viele Fachleute in der Region sind davon überzeugt - es gibt inzwischen aber auch zahlreiche Rezepte, die auf Alkohol verzichten. Der Bäckermeister Johannes Ruf aus St. Peter verkauft seit über zehn Jahren einen Schwarzwälder Kirschkuchen mit Kirschwasser in einer Dose. Sahne gibt es im Dosenkuchen allerdings nicht, wegen der Haltbarkeit. (dpa)


 

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