Bye, bye Tegel - Berlins Stadtflughafen macht dicht

| Tourismus Tourismus

Wer die Reichstagskuppel besucht, kann dort regelmäßig die Maschinen beobachten, die von Tegel aus in den Himmel über Berlin starten. So manchen stimmen solche Szenen inzwischen nostalgisch. Denn wenn der Hauptstadtflughafen BER Ende Oktober wie geplant eröffnet wird, muss der alte Flughafen Tegel schließen. Dass er überhaupt noch in Betrieb ist, liegt nur an der beispiellosen Pannenserie beim BER-Bau, die dazu geführt hat, dass der neue Airport im brandenburgischen Schönefeld mit neun Jahren Verspätung an den Start geht.

Viele Berlinerinnen und Berliner waren in der Zwischenzeit heilfroh, weiter mit Bordkarten reisen zu können, auf denen der vertraute Flughafencode TXL zu lesen war. Manche halten den Flughafen im Nordwesten Berlins sogar weiterhin für unverzichtbar, auch wenn er längst aus allen Nähten platzt. Ähnlich wie der Flughafen München-Riem, der bereits 1992 geschlossen wurde, heute Standort der Neuen Messe München.

Als in Tegel 1948 kurz nach Beginn der Berlin-Blockade in heute schwer zu glaubenden 90 Tagen ein Flugplatz gebaut wurde, war nicht abzusehen, dass er für die Menschen im West-Teil der Stadt zum Tor zur Welt würde. Die erste Linienmaschine landete erst im Januar 1960.

Die Flughafen-Architektur, die die Berliner heute kennen, ist ein Entwurf der Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg. Beim Wettbewerb für Tegel punkteten sie mit ihrem ungewöhnlichen, als Sechseck konzipierten Terminal. Baustart war 1970, Einweihung vier Jahre später. Seitdem ist die Zahl der Fluggäste bis zum Einbruch in der Corona-Krise fast kontinuierlich gestiegen und hat Dimensionen erreicht, die zu Baubeginn kaum vorstellbar waren: Rund 24 Millionen waren es im vergangenen Jahr.

Ob die britische Königin Queen Elizabeth II., Staatsmänner wie Barack Obama oder Wladmimir Putin, Stars wie Marlene Dietrich oder Renée Zellweger, für ihre Berlin-Besuche schwebten sie in Tegel ein. Genau wie Nationalmannschaftskapitän Philipp Lahm, der mit dem goldglänzenden Pokal in der Hand nach dem Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Juli 2014 in Brasilien aus der Maschine stieg.

«Das war für viele Fans in Deutschland, auch für mich persönlich, ein sehr emotionaler Moment», gestand der Chef der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Engelbert Lütke Daldrup, kürzlich vor Journalisten. Und solche emotionale Erinnerungen an den Flughafen Tegel gebe es viele. «Aber Tegel ist viel zu klein geworden und entspricht nicht mehr den Standards eines modernen Flughafens», sagte er. «Wer mal mit 1500 Personen im Terminal C morgens um sechs an der Security angestanden hat, weiß, wovon ich spreche.»

Das sehen viele so, aber nicht alle. Berlins FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja etwa hält die geplante Schließung für einen großen Fehler: «Als Cityairport ist er nicht nur ein unschlagbarer Standortvorteil für den Wirtschafts- und Messestandort Berlin, er ist auch ein Entlastungsprogramm für den augenscheinlich dysfunktionalen BER.»

Czaja hat jahrelang für den Erhalt des Flughafens gekämpft. Zusammen mit dem Verein Pro Tegel startete die Berliner FDP 2015 eine entsprechende Initiative. Bei einem Volksentscheid, der den Senat allerdings nicht verpflichtete, den Flughafen offen zu halten, gab es 2017 für das Anliegen fast eine Millionen Stimmen und damit eine knappe Mehrheit. Alles umsonst.

Letzter Tag mit regulärem Flugbetrieb soll der 7. November sein. Am Tag darauf startet am Nachmittag noch einmal ein Airbus A320 der Air France Richtung Paris. Da schließt sich ein Kreis: Mit der französischen Fluggesellschaft begann 1960 der Linienflugverkehr.

Aber selbst viele Berlinerinnen und Berliner, die gar nicht fliegen wollten, zog es immer wieder nach Tegel. Manche nur, um in der Zeit der Teilung der Stadt von der Besucherterrasse aus Maschinen abheben zu sehen, die bald darauf im Westen landen durften. Tegel sei eben auch ein Symbol für die Freiheit West-Berlins gewesen, sagte Lütge Daldrup. Wegen der Corona-Krise war die Besucherterrasse monatelang geschlossen. Seit dem vergangenen Wochenende ist sie wieder offen - bis zum 7. November.

Wenn der Flughafen dann tatsächlich dicht ist, soll TXL nicht verschwinden. Das Kürzel steht künftig für ein Projekt, das erst noch entstehen muss: ein neues Stadtquartier mit über 5000 Wohnungen und Platz für mehr als 10 000 Menschen, direkt neben einem Forschungs- und Industriepark mit dem futuristisch klingenden Namen Urban Tech Republic. Die für die Entwicklung verantwortliche landeseigene Tegel Projekt GmbH will dort Gründer, Studenten, Investoren, Industrielle und Wissenschaftler zusammenbringen.

In der Urban Tech Republic sollen einmal bis zu 1000 Unternehmen und Institute ihren Platz finden. Das bisherige Terminal A ist als Hochschulstandort vorgesehen. Die Häuser im weitgehend autofreien neuen Schumacher-Quartier sollen in Holzbauweise entstehen. An sogenannten Mobility Hubs können Bewohner vom Auto auf Rad oder ÖPNV umsteigen.

Noch ist das Zukunftsmusik. Ein halbes Jahr lang muss Tegel ohnehin betriebsbereit bleiben, die Tegel Projekt GmbH übernimmt das Gelände erst im Sommer 2021. Noch im selben Jahr sollen die ersten Arbeiten beginnen. GmbH-Geschäftsführer Philipp Bouteiller rechnet für 2026 mit den ersten Bewohnern im Schumacher-Quartier - und mit 20 bis 30 Jahren für das gesamte Projekt. Falls sich die Bauzeit nicht unerwartet verlängert. Berlin ist da einiges gewohnt.

Zurück

Vielleicht auch interessant

Berlin hat im laufenden Jahr bisher weniger Besucherinnen und Besucher angezogen als in den Vorjahren. Knapp 9,2 Millionen Gäste besuchten in den ersten neun Monaten 2025 die Hauptstadt.

​​​​​​​Tripadvisor hat seine Finanzergebnisse für das dritte Quartal 2025 bekannt gegeben und gleichzeitig eine tiefgreifende Umstrukturierung eingeleitet. Diese Neuausrichtung soll das Unternehmen als einen durch Erlebnisse geführten und KI-fähigen Konzern positionieren. Als Folge der strategischen Verschiebung wird ein Personalabbau vorgenommen.

Die Europäische Union hat einen entscheidenden Schritt zur Harmonisierung der Emissionsberechnung im Transportwesen vollzogen. Nach langjährigem Prozess wurde eine politische Einigung erzielt. Diese schafft einen gemeinsamen Rahmen und legt eine einheitliche Methode zur Berechnung von Treibhausgasemissionen im Güter- und Personenverkehr fest.

Mehrere Millionen Menschen reisen jedes Jahr in ein kleines südbadisches Dorf, um den Europa-Park zu besuchen. Eine Schweizer Familie knackt eine besondere Marke - und bekommt Geschenke.

Sommer, Sonne, volle Strände – so stellen sich viele den Urlaub in Schleswig-Holstein vor. Doch auch im Winter zieht Deutschlands nördlichstes Bundesland zahlreiche Besucher an. Besonders der Dezember gilt als kleine Hochsaison.

Walfleisch und unversteuerte Zigaretten finden Beamte in Kiel und Hamburg immer wieder im Reisegepäck: Besonders während der Kreuzfahrt-Saison sind die Beamten von Zoll und Bundespolizei gefordert.

Die niedersächsische Tourismusbranche steht durch den Klimawandel vor großen Herausforderungen. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass fast 80 Prozent der Betriebe bei der Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen vor allem an den Kosten scheitern.

Thüringens Tourismusbranche hat im vergangenen Jahr mehr Umsatz erwirtschaftet. Tagesausflüge sorgen für fast die Hälfte. Wie viel geben Besucher im Schnitt aus – und wer profitiert am meisten?

Die Nachfrage nach Outdoor-Aktivitäten in deutschen Urlaubsregionen ist auch in den Herbst- und Wintermonaten groß. Eine aktuelle Analyse zeigt, welche Regionen dabei am beliebtesten sind und welche Aktivitäten im Fokus stehen.

Die klassischen Kennzahlen zur Messung des touristischen Erfolgs, wie Ankünfte und Übernachtungen, reichen nicht mehr aus, um die Entwicklung einer Destination ganzheitlich zu beurteilen. Zu diesem Schluss kamen Fachleute aus Tourismus und Wissenschaft beim dritten Jahresdialog des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) in Kempten.