Der lange Weg zur größten Skischaukel

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Sissi liebte die Bergruhe. An einem Augusttag im Jahr 1885 stieg die Kaiserin im Morgengrauen auf die Schmittenhöhe, ohne Tross, nur mit einem Bergführer. Sie wollte die Sonne aufgehen sehen über Hochkönig und Dachstein, den Blick schweifen lassen über die Gletscher der Hohen Tauern. Sie wollte ungestört sein auf diesem Gipfel, der schon damals berühmt war für seinen Rundblick. Das Panorama ist 135 Jahre später genauso beeindruckend, aber Muße würde Sissi auf der Schmittenhöhe kaum noch finden.
 

Aus der «SchnapsHans-Alm» dröhnen Après-Ski-Schlager. Vor der geschindelten Elisabeth-Kapelle drängen sich die Wintersportler selbst im Januar-Loch, der ruhigen Zeit nach den Weihnachtsferien. Und bald dürfte es hier noch voller werden: Ende 2021 wird das Skigebiet mit dem Giganten Saalbach-Hinterglemm verschmelzen - zu Österreichs größter Skischaukel mit 347 Kilometern Piste.

«Das schleudert uns in eine ganz andere Dimension», sagt Erich Egger. Der östlichste Grasberg der Kitzbühler Alpen werde dann nicht mehr mit den österreichischen Nachbarn konkurrieren, sondern mit den Riesen in Frankreich und der Schweiz. Eine Aussicht, die der Chef der Schmittenhöhebahn offensichtlich genießt.

Es gibt noch viel zu tun

Egger, 60, sitzt auf der neuen Terrasse des Restaurants «Franzl» und erzählt von den guten alten und den noch besseren neuen Zeiten. Ins Glemmtal seien die Skifahrer schon hinab gewedelt, als im Jahr 1927 der erste Lift auf die Schmittenhöhe gebaut wurde. Jetzt hat man die alte Abfahrt als Piste planiert, parallel zum neuen Zellamseexpress.

Der obere Teil der Zehner-Kabinenbahn wurde schon 2016 vollendet, auf dem unteren Teil nach Viehhofen laufen die Gondeln seit 7. Dezember. Damit sei man eigentlich schon mit Saalbach verbunden, sagt Egger. Denn von der anderen Talseite führt bereits eine Piste nach Viehhofen. Es kann aber sein, dass diese Piste aus Saalbach, die nicht künstlich beschneit wird, mangels Schnee geschlossen ist. Und auch in die Gegenrichtung fahren bisher nur Wagemutige ab. Denn das letzte Stück ist nicht planiert. Und die obere Piste ist dunkelrot einzustufen, mit steilen, engen und eisigen Passagen.

Egger hat es deshalb gar nicht eilig, sich den Superlativ «größtes Skigebiet Österreichs» auf die Fahnen zu schreiben. «Wenn das langsam anläuft, ist es mir sehr recht», sagt er.

Bis zur großen Fusion bleibt noch einiges zu tun. Die Schilder müssen geändert, die schattigen Westhänge schon morgens präpariert werden. Vor allem aber müssen einige altersschwache Lifte erneuert werden. Die Kapellenbahn etwa, bisher ein Viererlift, soll zu einem Sechser- oder besser gleich Achterlift aufgerüstet werden. Auf dem kleinen Plateau vor der Bergstation ist nicht viel Platz. An Spitzentagen kurvten schon jetzt mehr als 17 000 Wintersportler über die Pisten der Schmittenhöhe, sagt Egger. «Dann wird es schon sehr, sehr eng bei uns.»

Der Skigast ist neugierig

An einem Wochentag Mitte Januar bemerkt man davon nichts. Am Sonnkogel wedelt man breite, leere Pisten hinab, mit Blick auf den Zeller See, in dem sich braungrünen Almen, dunkler Bergwald und weiße Kämme am anderen Ufer spiegeln. Gelobt sei das Jännerloch.

In den Ferien aber werden schon die Vorbeben dessen spürbar, was auf die Schmittenhöhe zurollt. Ab diesem Winter gibt es einen gemeinsamen Skipass. «Seitdem kommen doppelt so viele Gäste von Saalbach herüber als umgekehrt hinüber fahren», sagt Egger.Kein Wunder, schließlich wuseln im Ende 2015 fusionierten Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn an manchen Tagen 40.000 Wintersportler über die Pisten. Egger rechnet damit, dass besonders in den ersten beiden Jahren viele von ihnen auf die Schmittenhöhe kommen werden. «Der Skigast ist neugierig», sagt er. Er wolle sich alles anschauen, wofür er bezahlt hat. Danach aber, das zeigten Erfahrungen anderer Bergbahnen, blieben die meisten in ihrem Stamm-Skigebiet. «Die Bequemlichkeit siegt», sagt Egger.

Auch am Kitzsteinhorn wurde aufgerüstet

Darauf setzt auch Norbert Karlsböck. Der Chef der Gletscherbahnen Kaprun, die über den neuen Skipass mit der Schmittenhöhe und Saalbach verbunden sind, hat vor diesem Winter ebenfalls kräftig investiert: 47 Millionen Euro flossen in eine Hightech-Seilbahn, die es dem Gast so angenehm wie möglich machen und damit Stammgäste binden soll.

«Bisher musste man sich morgens entscheiden, ob man auf den Maiskogel oder aufs Kitzsteinhorn fahren will», erklärt Karlsböck. Wer zum Gletscher-Skigebiet wollte, musste von Kaprun mit dem Auto oder Skibus zur Talstation der beiden Seilbahnen weiter hinten im Tal fahren. Nun starten die Wintersportler im Zentrum von Kaprun mit der Maiskogelbahn und steigen an der Bergstation des kleinen Familien-Skigebiets in die neue Gondel namens 3K K-onnection zum Kitzsteinhorn um. 1,5 Millionen Autokilometer würden so jährlich eingespart, erklärt Karlsböck. «Und ganz wichtig ist, dass wir jetzt eine Talabfahrt vom Kitzsteinhorn haben.»

Genüsslich spult Karlsböck, 63, all die technischen Stärken seiner neuen Bahn herunter. Die Dreiseilumlaufbahn sei die modernste Technik weltweit, mit acht Metern pro Sekunde surren die Kabinen dahin. 500 Tonnen schwere Stahlseile hielten sie auch bei Winden von 100 Stundenkilometern stabil. Und für die 4,3 Kilometer lange Strecke wurden nur fünf Masten in den Berg betoniert.

Gäste aus Asien wollen schauen, nicht Ski fahren

Beim Bau hatte der Seilbahnchef auch die Kunden von Morgen im Blick: die Nicht-Skifahrer aus 102 Ländern, die übers ganze Jahr gesehen bereits ein Viertel der Gäste ausmachen und überproportional zunehmen. Viele Chinesen, Inder und Araber wollen einfach Schneeberge sehen. In Peking hat man bereits eine Repräsentanz eröffnet.

Gerade für diese Gäste soll schon die Auffahrt zum Gletscher ein Erlebnis sein. Die Kabinen sind rundum verglast, so dass man von jedem der 24 Sitzplätze möglichst viel Aussicht hat. Und die wird mit jeder Minute grandioser. Zu beiden Seiten fallen steile Bergflanken ab, weit oben teilt der Grat des Kitzsteinhorns die sonnige Ostflanke und die schattigen Westhänge.

Der lange Schatten der dreiseitigen Gipfelpyramide lasse die Gletscher unterhalb langsamer abschmelzen, erklärt Christoph Enslen, 43, Skilehrer aus Kaprun. Seit seiner Kindheit hätten sie sich nur ein kleines Stück zurückgezogen. «Aber sie sind deutlich dünner geworden.» Er lenkt den Blick auf die Staumauern der beiden Speicherseen, mit denen der Strom fürs Skigebiet produziert wird, und auf die Schneisen abgegangener Lawinen zur Rechten. Eine Piste vom Gletscher zum Maiskogel sei unmöglich, zu steil seien die Hänge.

Hinter dem dritten Mast sackt die Gondel wieder hinab, mehr als zwei Kilometer schwebt sie hier bis zum nächsten Mast - und ist so vor Stürmen oben auf dem Kamm geschützt. Um ihnen wenig Fläche zu bieten, sind die Kabinen des Gletscherjet 2, in den man am Langwiedboden umsteigt, eiförmig. «Wenn es stark windet, werden Sandsäcke rein gelegt, damit sie nicht an die Masten schlagen», erklärt Enslen.

Skizirkus auf 3000 Metern

Als man nach einer guten Dreiviertelstunde schließlich unterhalb des Gipfelrestaurants aussteigt, bekommt man eine Ahnung von den Naturgewalten in 3000 Metern Höhe. Der Föhn bläst Schneeschwaden über die Piste, die Skifahrer schirmen mit den Handschuhen ihr Gesicht ab. Also schnell rein in die Bindung und hinab kurven auf die herrlich breiten, perfekt geneigten Pisten.

Das Gletscher-Skigebiet war 1965 das erste, das in Österreich mit einem Lift erschlossen wurde. Und zwar ursprünglich nur für den Sommer. Von oben betrachtet, wirkt es heute wie das Berglager der Armee eines Superschurken in einem James-Bond-Film. Kreuz und quer spannen sich die Lifte und Seilbahnen über den Kessel, der eingefasst ist von schroffen Felsflanken. Zwischen die Pisten zwängen sich eine Halfpipe und die Schanzen des Funparks, Schneekanonen, Restaurants und ein mehrstöckiges Ausbildungslager. Eine Höhenloipe gibt es auch, falls tatsächlich jemandem nach Langlaufen in 2900 Metern Höhe ist.

Der normale Skiurlauber ist freilich vollkommen damit ausgelastet, an einem Tag all die Pisten hier oben abzufahren, von der gemächlichen Schneehasenpiste bis zur giftigen Black Mamba. Vor allem wenn er mittags im Gipfelrestaurant einkehrt und danach durch den Stollen zur Aussichtsplattform auf der anderen Bergseite stiefelt.

Als Dessert bekommt man dort einen Panoramablick serviert, über die unverbauten Schneehänge des Nationalparks Hohe Tauern, auf Bärenköpfe und Hocheiser, Großglockner und Großvenediger. Ein Blick, wie er Sissi gefallen hätte.

(dpa)


 

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