«Desaströses Corona-Jahr»: Trend zur Inlandsreise mildert Tourismuskrise kaum

| Tourismus Tourismus

Viele Menschen in Deutschland haben im Corona-Jahr 2020 Urlaub zwischen Rügen und Garmisch-Partenkirchen gemacht. Gut jede zweite Urlaubsreise fand einer Umfrage zufolge im eigenen Land statt - ein Reiseverhalten ähnlich wie in den 1970er Jahren. Dennoch verzeichnete der Deutschland-Tourismus einen massiven Einbruch. Die Übernachtungszahlen sanken auf ein Rekordtief. Die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) rechnet vor allem für die Sommermonate mit einer Belebung der Reisen aus Deutschland und Europa. Allerdings ist die Verunsicherung der Menschen einer Umfrage zufolge derzeit noch groß.

Reisebeschränkungen und zeitweise Übernachtungsverbote für Privatleute in der Pandemie trafen Hotels, Pensionen und andere Unterkünfte im vergangenen Jahr mit voller Wucht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch sank die Zahl der Übernachtungen von Reisenden aus dem In- und Ausland gegenüber dem Vorjahr um 39,0 Prozent auf das Rekordtief von 302,3 Millionen. Es war der niedrigste Stand seit dem Vorliegen gesamtdeutscher Ergebnisse im Jahr 1992. (Tageskarte berichtete)

Der Einbruch infolge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 ließ sich auch nicht durch eine mancherorts gute Sommersaison kompensieren. Es fehlten auch Geschäftsreisende und internationale Gäste. Wegen der Pandemie wurden reihenweise Messen, Konferenzen und andere Veranstaltungen abgesagt. Der weltweite Reiseverkehr wurde eingeschränkt. So galt beispielsweise von Mitte März bis Ende Juni 2020 ein Einreiseverbot für Bürgerinnen und Bürger aus Nicht-EU-Staaten. Seit Anfang November befindet sich die Branche in Deutschland erneut im Lockdown.

Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Guido Zöllick, schlug Alarm: «Nach dem desaströsen Corona-Jahr mit vier Monaten Lockdown sind die Konten unserer Betriebe leer. Wegen der verzögerten Hilfszahlungen und der fehlenden Öffnungsperspektiven nehmen Verzweiflung und Existenzängste in der Branche dramatisch zu.» Das Geschäft mit den wenigen Übernachtungen der Geschäftsreisenden decke kaum die Kosten für das Offenhalten der Hotels, Gasthäuser und Pensionen.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) machte auf die aus ihrer Sicht wachsende Notlage der Beschäftigten im Gastgewerbe aufmerksam. Angesichts niedriger Löhne in der Branche und monatelanger Kurzarbeit befänden sich Hotelangestellte, Köche und Kellner in einer prekären Lage. «Selbst 80 Prozent des Nettolohns ab dem siebten Monat Kurzarbeit sind bei jemandem, der nur knapp über dem Mindestlohn verdient, zu wenig, um Rechnungen oder die Miete zu bezahlen», sagte NGG-Vorsitzender Guido Zeitler. Ohne zusätzliche Hilfen der Politik drohten enorme soziale Verwerfungen im unteren Einkommenssektor.

Einer Umfrage zufolge verpasste die Corona-Pandemie der Reiselust der Menschen in Deutschland im vergangenen Jahr einen kräftigen Dämpfer. Lediglich 37 Prozent der mehr als 3000 Befragten waren mindestens fünf Tage verreist, wie aus der Tourismusanalyse der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen von British American Tobacco (BAT) hervorgeht. Im Vorjahr waren es noch 61 Prozent.

Der Anteil der Inlandsreisen stieg im Vergleich zum Vorjahr um gut 21 Prozentpunkte auf 55,5 Prozent. Das entspricht den Angaben zufolge dem Reiseverhalten der 1970er Jahre. Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg konnten ihre Marktanteile jeweils in etwa verdoppeln. Die Anzahl der Ankünfte blieb allerdings in etwa gleich, weil insgesamt weniger Menschen verreisten.

«Die Bundesbürger zeigen sich krisenbewusst und pragmatisch. Statt zu verreisen, blieben sie 2020 überwiegend zuhause - teilweise zwangsweise, teilweise aber auch durch die große Verunsicherung und Angst vor Infektionen», erläuterte der wissenschaftliche Leiter der BAT-Stiftung, Ulrich Reinhardt.

Das beliebteste Auslandsziel war der Umfrage zufolge Österreich, das erstmals seit 50 Jahren diesen Spitzenplatz belegte. Wie Anfang der 1970er Jahre folgten Italien und Spanien auf Platz zwei und drei, auch wenn beide Länder Marktanteile einbüßten. Skandinavien, Griechenland, die Benelux-Staaten und Polen konnten ihre Anteile erhöhen, bei insgesamt niedrigem Gesamtniveau. Nur noch jeder 15. Urlauber habe ein Ziel außerhalb Europas gewählt. Reisen nach Amerika oder Afrika fanden fast gar nicht statt.

Zwar möchten gut drei Viertel der Befragten (76 Prozent) in diesem Jahr mit Familie oder Freunden Urlaub machen. Doch ungefähr genauso viele Befragte (78 Prozent) glauben, dass das Gefühl der Unsicherheit wegen der andauernden Corona-Pandemie erstmal bleiben wird. «Solange die Angst sich zu infizieren, krank zu werden oder im Urlaub gar ärztliche Hilfe zu benötigen im Hinterkopf ist, werden viele Bundesbürger mit einem unguten Gefühl unterwegs sein oder gleich ganz zuhause bleiben», erklärte Reinhardt. «Sicherheit war, ist und bleibt die Grundvoraussetzung beim Reisen.»


Zurück

Vielleicht auch interessant

Eine aktuelle Analyse von RateHawk beleuchtet die Buchungstrends für die Weihnachtssaison. Während in Europa traditionelle Ziele stabil bleiben, verzeichnen Fernreiseziele wie Japan ein dreistelliges Wachstum und neue Destinationen abseits der Metropolen gewinnen an Bedeutung.

Das Evangelische Augustinerkloster in Erfurt ist neuer Markenbotschafter für das Reiseland Thüringen. Warum der traditionsreiche Ort als Symbol für Geschichte, Kultur und Glauben ausgewählt wurde.

Die Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel gilt in den Bergen als erster Höhepunkt der Wintersport-Saison. Doch es liegt vielerorts weniger Schnee als sonst. Worauf können sich Skifahrer einstellen? Und wie gehen die Wintersportorte mit dem geringen Niederschlag um?

Der ÖHV-Urlaubsradar prognostiziert eine starke Wintersaison für den Tourismus in Österreich. Drei von vier Reisenden planen ihren Urlaub im Inland, wobei Skifahren und Wellness in den Bundesländern Steiermark, Salzburg und Tirol besonders gefragt sind.

Die Schweiz blickt auf ein ereignisreiches Tourismusjahr 2026. Mit der Eishockey-Weltmeisterschaft, der Eröffnung des TITLIS Tower und exklusiven Hotelprojekten wie der Villa Florhof in Zürich setzt das Land neue Akzente in den Bereichen Sport, Architektur und Gastronomie.

Nach Jahren der Planungs- und Bauarbeiten öffnet das neue Lagunen-Erlebnisbad in Willingen. Was Besucher auf 5.600 Quadratmetern erwartet – und warum das Projekt für die Region so wichtig ist.

Das Flugjahr 2025 ist in Europa von einer zweigeteilten Entwicklung geprägt. Während die Zahl der Flugstreichungen im Vergleich zum Vorjahr laut einer aktuellen Auswertung spürbar zurückgegangen ist, bleibt die Pünktlichkeit eine zentrale Herausforderung für die Branche.

Die Digitalisierung kann das persönliche Gespräch vor Ort nicht ersetzen. Trotz technischer Alternativen steigen die Ausgaben für Geschäftsreisen in Europa massiv an, da Unternehmen physische Präsenz zunehmend als strategisches Instrument nutzen, um in einer volatilen Weltwirtschaft Vertrauen und Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Wirtschaftskrise und hohe Kosten ziehen die winterlichen Urlaubs- und Freizeitpläne vieler Menschen in Deutschland in Mitleidenschaft. Jeweils fünfzehn Prozent wollen in der kalten Jahreszeit entweder Urlaubspläne oder Freizeitaktivitäten einschränken. Ein knappes Viertel will die Ausgaben für die Gastronomie reduzieren.

In Rumänien entsteht mit DraculaLand für eine Milliarde Euro ein neuer Gigant der Unterhaltungsindustrie. Das private Großprojekt nahe Bukarest kombiniert einen 160 Hektar großen Themenpark mit 1.200 Hotelzimmern. Die Eröffnung ist für 2027 geplant.