Ich packe meinen Koffer: Unterhose, Sonnenbrille, Vorurteile

| Tourismus Tourismus

Tourismus lebt von Anziehungskraft: Reisende möchten ihren Horizont erweitern und was erleben. Oft werden «exotische und unerforschte Landschaften», «andere Kulturen» in «fremden Welten» und auf «wilden Kontinenten» beworben. In den Urlaubsbeschreibungen der «bunten Einheimischen» und «ursprünglichen Lebensweisen» stecken jedoch jede Menge Vorurteile und Stereotype.

«Exotisch, fremd, anders - all diese Beschreibungen in Reisetiteln setzen stark auf Andersartigkeit und erhöhen den Abstand zwischen Gast und Gastgeber», kritisiert die Leiterin von Tourism Watch bei Brot für die Welt in Berlin, Antje Monshausen. Dort setzt sie sich für faires und verantwortungsvolles Reisen ein.

Auch Rosaly Magg vom Informationszentrum 3. Welt in Freiburg befasst sich beim hauseigenen Forum Tourismus & Kritik mit den Zusammenhängen von Tourismus, Kultur und Rassismus. «Werbung im Stile von '1001 Nacht' ist vor allem deshalb so problematisch, weil hier rassistische und koloniale Muster reproduziert werden», erklärt sie.

Sind Entdecker rassistisch?

Viele Reisende möchten Entdecker sein - ein in sich sehr koloniales Bild. «Auf Safari wird beispielsweise das koloniale Erbe in Luxusexpeditionen in die Wildnis vermarktet», sagt Magg. Es handele sich also um eine Neuformulierung alter rassistischer Weltbilder.

Bedeutsamer als der Text ist auf der Suche nach dem neuen Urlaubsziel das Bild. Beispiel Afrika: In Reisekatalogen sieht man vor allem feinsandige, kilometerlange und menschenleere Strände. Oder Nationalparks: auch eher ohne Menschen, dafür mit Giraffen und Löwen. Werden Menschen doch abgebildet, dann meist in eher folkloristischen Posen, zum Beispiel beim Tanzen. Dabei besteht der Kontinent aus 54 Ländern mit großer Diversität in jedem Staat.

«Da wird ein stereotypes Bild gezeigt, das nur einen kleinen Ausschnitt der Vielfalt eines Landes und seiner Menschen zeigt. Und durch das wiederholte Zeigen dieser exotisierten Bilder und Klischees werden Stereotype verstärkt», sagt Monshauser. Das treffe auf viele Länder zu. Da afrikanische Länder oftmals als Wildlife- und Safaridestination beworben werden, finde es hier verstärkt statt.

Werbung erzeugt Klischees

«So eine Werbung motiviert nicht, sich mit Land und Leuten auseinanderzusetzen, weil die Menschen eher als Kulisse dienen und nicht im Mittelpunkt stehen», findet Monshauser. Da die meisten Reisen in Länder wie beispielsweise Marokko, Thailand und Äthiopien heute über Reiseveranstalter gebucht werden, sieht Monshausen die Reiseveranstalter in der Verantwortung. Sie sollten Reisende mehr und differenzierter einladen, hinter die touristische Kulisse zu blicken.

Bei der Werbung sollten die Veranstalter sich ihrer Meinung nach stärker an der Realität als an touristischen Klischees orientieren. Es sei besser, weniger mit Bildern zu arbeiten. «Auf Fotos sind die Menschen immer Objekt des Betrachters. Wenn man sie selbst zu Wort kommen lässt, werden sie zu Subjekten mit individueller Perspektive.»

Was aber, wenn ich genau auf diese Bilder und die Versprechen angesprungen bin und die Reise gebucht habe - Vorurteile inklusive? Kann ich es trotzdem schaffen und meinen Urlaub so gestalten, dass ich mich von den Klischees in meinem Kopf löse?

«Auf Reisen hat man die eigenen Vorurteile und Stereotype stets mit im Gepäck, aber es ist bereits ein großer Gewinn, wenn man sich diese Vorurteile bewusst macht», sagt Magg. Das ist auch für Monshausen der erste Schritt. «Und auch überhaupt nicht verwerflich, sondern ganz normal, gerade wenn man in einem Land noch keine intensive Reiseerfahrung hat.»

Vorbereitungen treffen

Zur Vorbereitung empfiehlt sie vor der Reise Sachbücher und Romane aus dem und über das Land zu lesen. Oder untertitelte Filme aus der Region zu schauen. Klingt erst einmal nach Arbeit: «Ja, aber dann wird ja auch die Reise schöner», sagt Monshausen. «Das ist keine lästige Hausaufgabe, sondern Einstimmung auf die Reise.» Und durch Vorbereitungen entstehe die Möglichkeit, die Vorfreude zu steigern.

Auch vor Ort gibt es Monshausen zufolge in der Regel viele Angebote, um tiefer in die Kulturen einzutauchen. «Man kann ganz bewusst bei lokalen Agenturen nachfragen. Nach home stays, nach gemeindebasiertem Tourismus.» Sucht man so einen Austausch nicht, kann sich der Kontakt vor Ort schnell auf Straßenhändler und Hotelangestellte beschränken.

Claudia Mitteneder ist Geschäftsführerin des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung. Der Verein macht immer wieder repräsentative Erhebungen, wie groß das Interesse der Deutschen an Begegnungen im Urlaub ist.

«Gäste wollten mehr wissen als bloße Fakten über touristische Sehenswürdigkeiten. Wie leben die Menschen in den Gastländern, wie bestreiten sie ihren Alltag?», sagt Mitteneder. Das bestätigten Forschungsergebnisse des Studienkreises zu den Erwartungen von Urlaubern an die Reiseleitung vor Ort.

Wunsch nach einer einfühlsamen Vermittlung

Demnach wünschen sich 84 Prozent der befragten Urlauber aus Deutschland mit aktueller Entwicklungsländer-Erfahrung objektive und glaubwürdige Informationen über Land und Leute, 72 Prozent möchten eine einfühlsame Vermittlung der Realitäten des Gastlandes.

Reiseleiter sollten ein differenzierteres Bild von Land und Leuten schaffen. Sie können ihre Gruppe nicht nur über die kulturellen oder religiösen Besonderheiten, die Sitten und Gebräuche eines Landes informieren, sondern auch dabei helfen, Begegnungen zu ermöglichen.

«Wenn Touristen im Urlaub auf Einheimische treffen, kann die Hemmschwelle in Kontakt zu treten oft groß sein. Dabei gäbe es viel zu erfahren - für beide Seiten», sagt Mitteneder. Um den Urlaub erfolgreich und gewinnbringend zu gestalten, muss eine gute Reiseleitung ihrer Meinung nach Brücken zwischen den Kulturen bauen.

Dabei ist oftmals ist Fingerspitzengefühl gefragt, gerade wenn es um heikle Themen oder die politische Situation im Lande geht. Denn ebenso wie man basierend auf Werbefilmen ein Paradies erwarten kann, besteht auch die Möglichkeit, dass die Reisenden aufgrund medialer Berichterstattung ein eher düsteres Bild im Kopf haben.

«Begegnung auf Augenhöhe gelingen oft am besten, wenn es Gemeinsamkeiten zwischen Gast und Gastgeber gibt. Dass also beispielsweise eine Lehrerin aus Deutschland einen Lehrer aus Ghana trifft und sie sich über ihren Arbeitsalltag und ihre Erfahrungen austauschen», weiß auch Monshausen. Auch Hobbys und Kinder verbinden. (dpa)


 

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