Wird Schleswig-Holsteins Tourismus zum Gewinner im Klimawandel? Möglicherweise werde man in der Zukunft aktiv mit dem gemäßigteren Sommerwetter werben, wie das skandinavische Länder bereits machten, sagte die Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TA.SH), Bettina Bunge, bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. Das Stichwort sei «Coolcation», was gleichzeitig kühler und cooler Urlaub bedeuten kann. «Es ist etwas, wo wir Chancen sehen», sagte Bunge. Über die Folgen des Klimawandels für den Tourismus werde weltweit diskutiert.
Boom beim Camping vorbei
Aktuell müssen sich die Touristiker in Schleswig-Holstein aber erst einmal mit einem eher schwachen ersten Halbjahr 2024 auseinandersetzen. Einen regelrechten Dämpfer erhielt der Campingbereich mit einem Minus von 5,9 Prozent auf knapp 1,9 Millionen Übernachtungen. Der während der Corona-Pandemie begonnene Boom beim Camping scheint damit zumindest vorläufig beendet.
Insgesamt kamen im ersten Halbjahr gut 4,1 Millionen Gäste in den Norden, 0,2 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten 2023. Bei den Übernachtungen stand mit gut 15,7 Millionen ein Minus von 0,3 Prozent. «Es gibt keinen Corona-Nachholeffekt mehr», sagte Bunge.
Fußball-EM und späte Sommerferien
Der Juni sei in diesem Jahr ungewöhnlich schwach gewesen. Vor allem Gäste aus dem Inland hätten gefehlt. Die Fußball-Europameisterschaft habe hier eine Rolle gespielt. Viele Fans hätten sich die Spiele zu Hause angesehen und seien erst nach der EM in den Urlaub aufgebrochen. Auch das Wetter habe mit Unbeständigkeit und teils verregneten und kühlen Perioden zu einem zögerlichen Buchungsverhalten der Gäste beigetragen. Erfasst werden in den Zahlen des Statistikamts Nord Betriebe mit mindestens zehn Betten.
Aus Sicht von Tourismusminister Claus Ruhe Madsen (CDU) ist es in diesen Zeiten bereits ein wichtiger Erfolg, Übernachtungszahlen und touristische Wertschöpfung auf hohem Niveau zu halten. «Angesichts vieler Unsicherheiten überlegen die Menschen verständlicherweise, wofür sie ihr Geld ausgeben wollen.» Ein einfaches «schneller – höher – weiter» bei den Zahlen sei nicht das alleinige Kriterium für Erfolg. «Dazu gehört viel mehr», sagte Madsen und verwies auf den Nachhaltigkeitsansatz in der Tourismusstrategie. Bunge sagte, die Hoffnungen ruhten auf dem wichtigen zweiten Halbjahr, das einen größeren Anteil am Gesamtergebnis habe als die ersten sechs Monate.
Es gibt Gewinner und Verlierer
Schleswig-Holstein bietet seinen Gästen knapp 146.000 Betten in 3.508 Betrieben. Das sind etwas mehr Betten in etwas weniger Unternehmen als im Vorjahr. Die Auslastung ging um einen Punkt auf 30 Prozent zurück. Bei den Regionen und Orten in Schleswig-Holstein stehen Büsum mit plus 10,9 Prozent bei den Übernachtungen ohne Camping, Timmendorfer Strand (plus 9,4 Prozent) und Kappeln (plus 8,0 Prozent) auf der Gewinnerseite ganz oben. Verluste gab es in Wyk auf Föhr mit minus 1,6 Prozent, Heiligenhafen (minus 1,1 Prozent) Grömitz (minus 0,5 Prozent), und in der Gemeinde Sylt (minus 0,3 Prozent).
Fachkräftemangel erschwert die Arbeit
Ein weiter zunehmendes Problem ist nach Madsens Angaben der Fachkräftemangel. Das Problem wird größer.» Manche Gastronomen reagierten darauf mit Ruhetagen oder einem eingeschränkten Angebot. Damit mehr Menschen eine Arbeit aufnehmen, muss nach Ansicht des Ministers das Bürgergeld reformiert werden. Flexiblere Arbeitszeiten seien notwendig. Auch die Unternehmer seien gefordert, attraktives Arbeiten zu ermöglichen. Der Arbeitskräftemangel führe zu Umsatzrückgängen. Madsen appellierte an Unternehmer, sich gegebenenfalls abzusprechen, damit Urlauber nicht an einzelnen Tagen ohne Service, etwa am Stand, dastehen.
Opposition kritisiert den Tourismusminister
Die SPD-Landtagsfraktion hatte bereits vor einigen Tagen auf die Tourismuszahlen für den Juni mit Kritik an Madsen reagiert. «Die Landesregierung hat die Kontrolle über die Entwicklung beim Tourismus verloren», so der Abgeordnete Thomas Hölck. «Der Rückgang an Übernachtungszahlen hängt auch mit der schlechten Performance von Schwarz-Grün zusammen.» Das «Tourismus-Barometer» zeige, dass sich die Einschätzung der Arbeit der Landesregierung unter Touristikern noch nie so stark verschlechtert habe wie unter Madsen. (dpa)