Klagen bei Flugverspätungen - «Möglichkeit hat sich rumgesprochen»

| Tourismus Tourismus

Immer mehr Fluggäste klagen vor nordrhein-westfälischen Gerichten auf Entschädigungen für verspätete oder ausgefallene Flüge. Nachdem schon im vergangenen Jahr die Zahl der bei den Amtsgerichten an den Flughafenstandorten eingereichten Klagen nach oben geschnellt war, gab es in diesem Jahr einen weiteren deutlichen Anstieg. «Die Klagemöglichkeit hat sich rumgesprochen», sagte der Sprecher des Kölner Amtsgerichts, Wolfgang Schorn, zu den ständig wachsenden Fallzahlen.

Beim Amtsgericht Düsseldorf waren bis Ende August schon rund 13 600 Klagen aus dem Tourismusbereich eingegangen, mehr als im gesamten Vorjahr, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Für das gesamte Jahr 2019 rechnet das für den größten NRW-Flughafen zuständige Amtsgericht mit gut 20 000 Klagen aus diesem Bereich. Damit hätte sich die Zahl der Klagen von Fluggästen und Pauschalreisenden innerhalb von nur zwei Jahren fast vervierfacht.

Beim Ausfall eines Fluges oder einer Verspätung von mehr als drei Stunden steht Reisenden nach EU-Recht eine Entschädigung zu - je nach Flugdistanz 250 Euro bis 600 Euro. Es sei denn, die Airline kann «außergewöhnliche Umstände» für Verspätung oder Flugausfall geltend machen.

Auch in Köln hatte die Zahl der neuen Zivilverfahren, zu den die Klagen von Fluggästen gehören, Ende August mit insgesamt rund 16 400 bereits das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht. Etwa 65 Prozent dieser Zivilklagen kommen nach Schorns Angaben aus dem Flugbereich. Für das Gericht hätten die Flugfälle zu einem erheblichen Arbeitsanstieg geführt, «und zwar nicht nur für die Richter».

Auch bei den für die kleineren NRW-Flughäfen zuständigen Amtsgerichten stapeln sich inzwischen die Fluggastklagen. Das Amtsgericht Geldern, an das sich Passagiere wenden müssen, die von und nach Weeze fliegen, rechnet bis zum Jahresende mit gut 2000 Fällen. Im vergangenen Jahr waren es 840. In Dortmund waren es bis Ende September fast 1000 Klagen, eine Verdoppelung gegenüber dem gesamten Vorjahr.

Der Deutsche Richterbund (DRB) verfolgt den Anstieg bei den Klagen von Fluggästen mit Sorge. «Die Masse der Fälle führt dazu, dass andere Aufgaben in den Gerichten liegen bleiben», hatte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn kürzlich geklagt. Zwar handele es sich häufig um Bagatellverfahren, die sich ohne Streit erledigen ließen. Teilweise würden die Streitigkeiten «aber mit zunehmender Härte geführt».

Nach einer Umfrage der Deutschen Richterzeitung erwarten die Amtsgerichte an den 15 größeren Flughafenstandorten in Deutschland rund 90 000 Fluggastfälle in diesem Jahr - doppelt so viele wie 2018. Und der Zuwachs dürfte weitergehen, «weil Rechtsdienstleister über Portale im Internet derzeit massiv um neue Mandate betroffener Flugkunden werben», erwartet Rebehn.

«Die Anzahl der Flugprobleme steigt», betont der auf Schadenersatzklagen spezialisierte Dienstleister EUClaim. Im vergangenen Jahr habe es so viele Verspätungen, Annullierungen und andere Missstände gegeben wie nie. Hinzu komme, dass die Fluggastrechte durch die zunehmende Berichterstattung bekannter würden. «In der Vergangenheit wussten viele Fluggäste nicht mal, dass ihnen eine Entschädigung zustehen könnte«, sagte ein Sprecher. EUClaim ist nach eigenen Angaben in Deutschland in diesem Jahr bislang von rund 12 000 Fluggästen mit der Einforderung von Entschädigungen beauftragt worden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Zehntausende Menschen haben am Samstag unter dem Motto «Die Kanaren haben eine Grenze» gegen Massentourismus demonstriert. Insgesamt 55 000 Demonstranten forderten eine Obergrenze der Zahl der Touristen oder etwa bezahlbaren Wohnraum für Einheimische.

235 Vertreter der internationalen Reiseindustrie und 110 Medienvertreter aus 38 Ländern nehmen am 50. Germany Travel MartTM (GTM) der DZT in Chemnitz teil. Vom 21. Bis 23. April 2024 informieren sie sich beim GTM über die neuesten Trends, Entwicklungen und touristischen Produkte in Deutschland, lernen die Region kennen und verhandeln Geschäftsabschlüsse.

Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig jetzt Eintritt: Wer ein paar Stunden zwischen Markusplatz und Rialtobrücke verbringen will, muss zahlen. Die Tourismusbranche beobachtet das genau.

Amsterdam will die Hälfte der anlegenden Flusskreuzfahrtschiffe streichen. Innerhalb von fünf Jahren solle die Zahl der Schiffe, die in der Stadt anlegen dürfen, halbiert werden. Die Stadt schätzt, dass dadurch pro Jahr rund 270 000 Touristen weniger die Stadt besuchen werden. 

 

Mehr als 11 Millionen verkaufte Tickets, von vielen als Tarifrevolution gefeiert: Das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr wird bald ein Jahr alt. Seit dem 1. Mai 2023 kann es bundesweit im Nah- und Regionalverkehr genutzt werden. Der monatliche Preis liegt in der Regel bei 49 Euro - aber wie lange noch?

Der Reisekonzern FTI wechselt den Besitzer und soll frisches Kapital bekommen. Das in der Corona-Krise in Bedrängnis geratene Unternehmen sieht darin die Grundlage für Wachstum.

Vom Flughafen Hahn hat Billigflieger Ryanair den deutschen Markt aufgerollt. Auch 25 Jahre später spielt der Hunsrück-Flughafen noch eine Rolle in der Strategie der Iren.

Tourismus ist für Spanien überlebenswichtig. Trotzdem wächst vielerorts im Lande der Verdruss gegenüber den stetig zunehmenden Besuchermassen. Betroffen ist nun auch eine einstige «Friedensoase».

Wer in diesem Jahr hierzulande ein Ferienhaus mietet, darf einer Umfrage zufolge mit weitgehend stabilen Preisen rechnen. Weniger als die Hälfte der Ferienhausvermieter erhöht einer Umfrage zufolge in diesem Jahr die Preise. 90 Prozent der Vermieter rechnen mit gleich vielen oder mehr Buchungen als im Vorjahr.

Bereits zum 20. Mal verleiht der Deutsche Tourismusverband den Preis an Projekte, die neue Ideen im Tourismus umsetzen und als Innovationsmotor gesehen werden. Der Fokus liegt auch in diesem Jahr auf Nachhaltigkeit.