Mailand hadert mit Draußen-Rauchverbot

| Tourismus Tourismus

Ein Schnappschuss aus Mailand. Ein früherer Besuch, vielleicht 20 Jahre her: In den Straßencafés auf dem Platz vor dem Dom sitzen die Leute mit Zeitung und Zigarette in der Hand. Andere hetzen mit der Kippe zwischen den Fingern über die weitläufige Piazza del Duomo ins Büro. Von den Touristen, die in Gruppen herumstehen, rauchen viele auch.

Und heute? Auf den Tischen stehen nicht einmal mehr Aschenbecher. Die meisten gucken ins Smartphone. Raucher sieht man vor dem Dom gerade noch zwei: die beiden älteren Italiener, die auf dem Sockel einer Straßenlaterne sitzen. Ihre Zigaretten halten sie etwas versteckt: Es könnte ja die Polizei kommen.

Strafen bis zu 240 Euro

In der 1,4-Millionen-Einwohner-Stadt mit Mitte-Links-Regierung gilt seit Beginn des Jahres Italiens strengstes Rauchverbot - und eines der strengsten auch in ganz Europa. Nicht nur drinnen, auch draußen darf praktisch nicht mehr geraucht werden. Erlaubt ist es nur noch, wenn zu anderen Leuten mindestens zehn Meter Abstand gehalten wird. Ansonsten drohen Strafen bis zu 240 Euro. 

Begründet wird das damit, dass die Luft in der Hauptstadt der Lombardei so belastet ist wie kaum sonst wo in Italien. Nach offiziellen Angaben sind Zigaretten in der Region ursächlich für sieben Prozent der Feinstaub-Emissionen. Andere Städte erwägen, dem Beispiel zu folgen, auch Rom. In Turin gilt draußen bereits ein «Höflichkeitsabstand»: Wenn Kinder oder Schwangere in der Nähe sind, ist Rauchen nur mit deren Zustimmung erlaubt.

Verbotsgegner verpassen Denkmal riesige Zigarette 

In Mailand selbst ist die Stimmung nach den ersten drei Monaten geteilt. Viele freuen sich, auf Spielplätzen, an Haltestellen oder vor Restaurants nicht mehr den Rauch anderer Leute einatmen zu müssen. Aber es gibt auch viele Gegenstimmen - von Rauchern natürlich, aber auch grundsätzlicher Natur.

Mailands konservative Tageszeitung «Il Giornale» erklärte in einem Leitartikel: «Das eigentliche Problem ist nicht die Zigarette, sondern der Verlust an Freiheit. In einer Welt, in der versucht wird, jeden Aspekt unseres Lebens zu kontrollieren, in der wir vor allem und jedem Angst haben, ist das Rauchen im Freien nicht nur eine Geste der geselligen Kraft des Tabaks, sondern auch ein Akt der Rebellion gegen die Konformität.»

So sahen das wohl auch die Leute, die einem früheren Stadtoberen auf seinem Denkmal vor der Universität eine riesige Zigarette in den Mund steckten. Oder Flugblätter zum aktuellen Bürgermeister Giuseppe Sala mit dem Untertitel «Du bist nicht unser Papa. Lass uns rauchen» in Umlauf brachten.

Nicht einmal mehr jeder fünfte Italiener raucht noch

In Italien, wo zum Abschluss eines Essens die Zigarette früher ebenso dazu gehörte wie der Espresso, gilt schon seit 2005 eines der strengsten Nichtrauchergesetze Europas. Anfangs glaubte niemand daran, dass sich die Italiener daran halten. Inzwischen ist es völlig normal, dass Zigaretten in Cafés, Restaurants, Schulen und Universitäten nicht mehr erlaubt sind. Offiziellen Zahlen zufolge raucht nicht einmal mehr jeder Fünfte (19 Prozent). 

Allerdings wäre die Annahme, dass sich in Mailand nun alle auch ans Draußen-Verbot hielten, ziemlich verkehrt. Auf dem Boden liegen Kippen überall: auf den Straßen, vor dem Dom und auch in der noblen Einkaufspassage Vittorio Emanuele II, die vom Domplatz abgeht. Dort haben sich zwei Kellnerinnen für eine Zigarettenpause an den Eingang gestellt. «Je mehr man uns etwas verbietet, desto mehr machen wir es», meint Alessia, eine von ihnen.

Schonfrist noch für Touristen

Mittags und abends sind auch vor vielen Restaurants Gruppen von Rauchern zu sehen. Kaum jemand macht sich die Mühe, die Kippe versteckt zu halten - zumal elektronische Zigaretten nach der städtischen Verordnung weiterhin erlaubt sind. In den ersten drei Monaten wurden auch nur einige Dutzend Strafzettel verhängt. Genauere Zahlen nennt die Stadt nicht. Touristen, von denen viele das Verbot überhaupt nicht kennen, haben ohnehin Schonfrist.

Allerdings könnte sich das bald ändern. Im ersten Vierteljahr war auch in Mailand das Wetter nicht immer unbedingt so, dass man längere Zeit draußen sein wollte. Mit den steigenden Temperaturen wird das anders. 

Die Stadt hat angekündigt, härter durchzugreifen, Bußgeld inklusive. Vize-Bürgermeisterin Anna Scavuzzo sagt: «Italiener sind keine Skandinavier, die ein Gesetz auch einhalten, wenn es keine Strafe gibt.»

Polizist jagt lieber Taschendiebe

Vermutlich wird es noch ein paar Monate dauern, bis klar ist, was aus dem Verbot wird. Auf die Polizei vor dem Domplatz sollte sich die Stadtverwaltung dabei nicht unbedingt verlassen. Dort schaut einer der uniformierten Beamten zwei Rauchern in aller Ruhe zu, ohne etwas zu unternehmen. Seine Erklärung: «Wir haben mit Taschendieben genug zu tun.» (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

In Mailand sind Schlüsselkästen zum Einchecken in Ferienwohnungen künftig verboten. Ab Januar werden bis zu 400 Euro fällig, wenn immer noch eine Keybox in der Nähe der Wohnungstür oder an der Hausfassade hängt.

Die Tourismusbranche in Deutschland erhält eine neue Basis zur Messung von Nachhaltigkeit. Neun Kernindikatoren, von der Gästezufriedenheit bis zu den Treibhausgasemissionen, sollen künftig eine einheitliche und ganzheitliche Steuerung des regionalen Tourismus ermöglichen.

Zum Entwurf der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie wurde im Trilogverfahren eine Einigung erzielt. Eine erste Bewertung des Deutschen Reiseverbandes sieht Licht und Schatten: Während die Vermittlung von Einzelleistungen möglich bleibt, führen erweiterte Pflichten und unveränderte Fristen für Erstattungen zu neuem Aufwand für die Reiseunternehmen.

Die französische Compagnie des Alpes (CdA) plant, den im April 2025 erworbenen Freizeitpark Belantis in Sachsen schrittweise in den ersten Astérix-Park außerhalb Frankreichs umzugestalten. Die Transformation des Standorts in der Nähe von Leipzig soll bis 2030/31 abgeschlossen sein und eine offizielle Namensänderung beinhalten.

TUI meldet einen frühen und erfolgreichen Buchungsstart für den Sommer 2026. Besonders Griechenland setzt sich an die Spitze der beliebtesten Urlaubsziele. Der Veranstalter reagiert mit einem erweiterten Angebot für Familien, Alleinreisende und Rundreisen.

Der Tourismusverband Wonderful Copenhagen hat das neue Tourismusmodell DestinationPay vorgestellt. Das Konzept lädt Städte weltweit dazu ein, den bereits in Kopenhagen etablierten Ansatz CopenPay zu übernehmen, welcher Touristen für nachhaltiges Verhalten mit Vergünstigungen belohnt.

Nach elf Jahren soll die Marienschlucht am Bodensee im kommenden Frühjahr wieder öffnen. Die Touristenattraktion wird am 28. März bei einem «Tag der offenen Schlucht» erstmals wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

Neue Zahlen zum Flugsommer 2025: Während die internationalen Passagierzahlen steigen, setzen die Inlandsflüge ihren Rückgang fort. Das beliebteste europäische Reiseziel verzeichnet leichte Zuwächse gegenüber dem Vor-Corona-Niveau, während andere Mittelmeerstaaten starke Sprünge machen.

Der internationale Tourismus verzeichnete in den ersten neun Monaten 2025 ein robustes Wachstum mit über 1,1 Milliarden internationalen Ankünften. Die aktuelle Analyse der UN Tourismus zeigt eine weiterhin starke Reisenachfrage trotz anhaltender Inflation und geopolitischer Spannungen. Insbesondere Regionen in Afrika und Asien meldeten signifikante Zuwächse.

Übernachtungsrekorde in Österreich zeigen eine positive Entwicklung hin zur Ganzjahresdestination. Gleichzeitig stehen die Betriebe aufgrund steigender Kosten und geringer Margen wirtschaftlich unter Druck.