Der Titel «Kulturhauptstadt Europas» weckt die Neugier auf Unbekanntes, setzt Altes neu in Szene. Er soll einen Querschnitt durch den Reichtum und die Vielfalt der Kulturen zeigen und auch Orte in den Blickpunkt rücken, die sonst von prominenten Metropolen überstrahlt werden.
Insofern macht der Titel, den die Europäische Union regelmäßig vergibt, die Städte auch über das Festjahr hinaus interessant. Bislang haben rund 70 Städte die Auszeichnung erhalten. Athen war 1985 die erste Kulturhauptstadt Europas, 2025 wird mit Chemnitz die Reihe wieder an Deutschland sein.
In diesem Jahr tragen mit Tartu in Estland, Bodø in Norwegen und der Region Bad Ischl Salzkammergut in Österreich gleich drei Orte den Titel. In jeder Destination gibt es zahlreiche Veranstaltungen.
Kaffee, Kunst und Keramik: Bad Ischl Salzkammergut, Österreich
«Kultur ist das neue Salz.» So lautet der Slogan der alten Salzabbauregion für das Festjahr, das mit 500 Programmpunkten gespickt ist – verteilt auf 23 Gemeinden. Der Begriff «Kulturhauptstadt» passt da also nicht ganz. Und Touristen-Magneten wie das von tausenden Tagesgästen besuchte Hallstatt am Hallstättersee bräuchten gewiss keinen PR-Anschub.
Doch vielerorts sind engagierte Initiativen entstanden, die das Salz in der Suppe bei einer Reise durch die von Bergen, Seen und idyllischen Dörfern geprägten Region um Bad Ischl sein werden.
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Koch Christoph Held coacht das Projekt «Wirtshauslabor», bei dem das verlassene Bahnhofsgasthaus in Bad Ischl durch Schüler der örtlichen Tourismusschule Wiederauferstehung feiert. «Wir wollen in diesem Jahr mindestens 40 Tage öffnen, plus ähnlich viele Tage mit Pop-ups mit anderen Gastronomen», sagt Held. Damit, so der 39-Jährige, wolle man ein Zeichen gegen das Wirtshaussterben auf dem Land setzen und demonstrieren, was die Jugend in Zeiten von Fachkräftemangel auf die Beine stellen kann.
Der Kurort Bad Ischl ist an Rampenlicht gewohnt. Die Kaiservilla bewahrt die Erinnerungen an Franz Joseph und Sisi, einst fand in Hotels und Kaffeehäusern die Wiener High Society zusammen. Im ehemaligen Sudhaus läuft die Hauptausstellung «Kunst mit Salz und Wasser», bestückt mit Skulpturen, Installationen und Videokunst. Kurator Gottfried Hattinger hat Werke von Künstlern aus zwölf Ländern zusammengestellt.
Die Keramikstadt Gmunden zeigt zwischen April und November drei hochkarätige Keramikkunstausstellungen im neuen Kunstquartier Stadtgarten. Eva Fürtbauer, die städtische Projektleiterin für Keramik, erhofft sich diverse Anstöße: «Eine Anlaufstelle für den Nachwuchs und einen Künstlertreffpunkt über 2024 hinaus.»
Zudem wolle man den Fremdenverkehr im Zeichen der Kultur ankurbeln, denn: «Der Kulturtourist ist ein guter Gast.» (www.salzkammergut-2024.at)
Tor zum Süden: Tartu, Estland
Aus dem Schatten der Metropole Tallinn dürfte Tartu wohl nie heraustreten, aber zumindest den Blick auf den Südteil Estlands weiten. Denn auch das Umland ist bei den Feierlichkeiten, die über tausend Termine umfassen, quasi eingemeindet.
«Wir sind das Tor in den Süden, was ein Viertel des Landes bedeckt, wo sich bis heute eine einzigartige traditionelle Kultur lebendig hält», so Kommunikationsexpertin Kaidi-Lisa Kivisalu und führt als Beispiele fünf Lokalsprachen an.
Tartu selber besitzt die älteste Universität im Baltikum. Dynamisch geht es in der Hochschulstadt zu, die 100 000 Einwohner zählt und ebenso für ihr historisches Zentrum wie ihre Start-ups bekannt ist.
Foto: IMAGO / Scanpix
Laut Kivisalu erwarte man eine Million Besucher, davon sieben bis zehn Prozent aus dem Ausland. Das Leitmotiv lautet «Künste des Überlebens» und ist geknüpft an «das Wissen, die Fähigkeiten und die Werte, die uns helfen werden, ein gutes Leben in der Zukunft zu führen», heißt es von Veranstalterseite.
Das klingt vielleicht etwas unkonkret, doch im Programm gibt es durchaus Highlights. Dazu zählen eine Ausstellung der zeitgenössischen Porzellan- und Textilkünstlerin Kris Lemsalu vom 16. März bis 21. Juli im Kunstmuseum Tartu, die Tanztage von Viljandi vom 25. bis 29. April («Künste des Überlebens – ökologischer Fußabdruck in Tanz und Darstellenden Künsten») und ein Konzert von Superstar Sting am 10. Juni. (http://tartu2024.ee)
Arktisch und ein bisschen verrückt: Bodø, Norwegen
«Die erste europäische Kulturhauptstadt nördlich des Polarkreises» – so jubelt man in Bodø, das im Nordwesten des Landes in der Region Salten liegt und gerade einmal 54 000 Einwohner zählt. Der Vestfjord drückt der Gegend den Stempel auf. Mit aller Macht will man die einmalige Chance nutzen, sich im Fokus der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.
Marketingdirektor Helge Grønmo verspricht: «Der wahre Superstar des Programms ist die breite Vielfalt. Mit über tausend Veranstaltungen, aus denen man wählen kann, wird definitiv für jeden Geschmack etwas dabei sein. Und viele der Events werden kostenlos sein.» Angekündigt wird das größte kulturelle Happening in Norwegen in über einem Jahrzehnt, das in die nahe und weitere Umgebung ausstrahlt.
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Das Volk der Samen mit seinen Traditionen und Mythen wird angemessenen Raum einnehmen. Zwischen 15. Februar und 21. April steht in Bodø an vielen Tagen die Begegnung mit der indigenen Kultur unter dem Titel «Rentier besuchen» auf dem Programm, dies allerdings nicht zum Nulltarif.
Anfang Mai folgen die Neujahrsfeierlichkeiten der Samen, Ende September die «Sprachtage der Samen», am 7. und 8. Dezember ein Markt mit Gastrokultur; Veranstaltungsort ist jeweils das Nordland-Kulturzentrum in Bodø.
Weitere Höhepunkte im Jahresprogramm sind das Skilanglauf-Event «Marcialonga Arctic Ski Race» am 9. März und das, was liebevoll als «Midsummer Madness» etikettiert wird: die Verrücktheit um die Sommersonnenwende mit Feuern, Musik, Tanz, Theater. Marketingchef Grønmo verspricht: «Da werden alle Sinne aktiviert.» (http://visitbodo.com)
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