Noch ein «Schreckensjahr»? - Ungewissheit belastet Reisebranche

| Tourismus Tourismus

Fehlende Öffnungsperspektiven, Ungewissheit in der Corona-Pandemie und die Diskussion um Vorkasse bei Reisen: Die Tourismusindustrie steuert nach dem historischen Absturz in der Corona-Krise 2020 zunächst weiter auf harte Zeiten zu. Zwar sehen Reisebüros und Veranstalter in Deutschland einen ersten Hoffnungsschimmer, wie der Präsident des Reiseverbandes DRV, Norbert Fiebig, auf Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin am Dienstag sagte. Doch von alten Rekordständen sind sie noch weit entfernt. Die Reisemesse findet wegen der Pandemie in diesem Jahr online und ausschließlich für Fachbesucher statt.

Die Neubuchungen von organisierten Reisen für die Sommersaison ziehen Fiebig zufolge langsam an. Sie erreichten bislang allerdings nur 26 Prozent des von der Pandemie noch unbeeinflussten Niveaus des Vorjahreszeitraumes. «Es wäre schon als Erfolg zu werten, wenn wir für den Markt der Reisebüros und Reiseveranstalter rund 50 Prozent des Umsatzvolumens von 2019 erreichen würden», bekräftigte Fiebig die Prognose für laufende Reisejahr. Nach dem Rekordjahr 2018/2019 war der Umsatz mit organisierten Reisen in der Corona-Krise im vergangenen Touristikjahr 2019/2020 um 65 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro eingebrochen. Fiebig sprach von einem «annus horribilis» - einem Schreckensjahr für die Branche.

DER Touristik setzt vor allem auf die zweiten Jahreshälfte. «Ich hoffe, dass wir immer noch ein sehr starkes zweites Halbjahr 2021 bekommen», sagte Firmenchef Sören Hartmann. Er rechnet infolge der Pandemie mit «fundamentalen Veränderungen» der Marktstruktur. Die Kunden buchten deutlich mehr Reisen, die sie mit dem eigenen Auto erreichen könnten. Das werde sich in den kommenden eineinhalb Jahren nicht ändern. Buchungen würden sehr viel kurzfristiger werden, Kunden wünschten sich mehr Flexibilität und einfachere Stornierungsmöglichkeiten.

Hinzu kommt die Debatte über Vorauszahlungen von gebuchten Reisen, die zur Bezahlung von Leistungsträgern wie Fluggesellschaften und Hotels genutzt werden. In der Pandemie mussten viele Reisen abgesagt werden. Die Kunden hätten gemerkt, dass es manchmal nicht leicht gewesen sei, das Geld zurückzubekommen, sagte Hartmann. Die gesamte Finanzierungskette der Tourismusindustrie müsse sich ändern.

Verbraucherschützer fordern schon länger ein Ende der Vorkasse bei Reisen. Rückenwind aus der Politik erhielten sie jüngst vom saarländischen Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD). Geht es nach Jost, sollen Urlauber beim Buchen von Flügen oder Reisen nicht mehr im bisherigen Umfang vorab zu Kasse gebeten werden. Darüber soll beim nächsten Treffen der Ressortchefs der Länder beraten werden.

Im vergangenen Jahr hatte die Corona-Pandemie den Trend zu Auslandsurlauben gestoppt, nicht zuletzt wegen Reisewarnungen für die meisten Länder. Für den Urlaub im eigenen Land in diesem Jahr fehlt bisher eine klare Öffnungsperspektive, wie der Deutsche Tourismusverband (DTV) immer wieder beklagt. Die Reiselust der Menschen sei groß. «Die Verunsicherung ist aber derzeit noch extrem hoch, damit geht eine Buchungszurückhaltung einher», berichtete DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz.

Dramatisch ist die Lage nach Angaben des deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) nach sieben Monaten Lockdown im deutschen Gastgewerbe. Seit Anfang März 2020 ist der Umsatz bis heute um insgesamt 63,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen. Demnach bangen 72,2 Prozent der Unternehmer um ihre Existenz. Spätestens bei der nächsten Sitzung der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am 22. März müsse es einen konkreten Fahrplan geben, wann die Restaurants und Hotels wieder Gäste empfangen dürften, forderte der Verband.

Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, sieht mit Blick auf die geplante Einbindung der Hausärzte in Impfungen eine verbesserte Perspektive für die Tourismusbranche. «Ab April und Mai werden die Impfungen rasant nach oben gehen. Ich denke, dass spätestens im Mai, Juni und in den Reisemonaten im Sommer sehr viele Menschen geimpft sind, auch die Risikogruppen», sagte der Wirtschaftsstaatssekretär im ARD-Mittagsmagazin den Angaben zufolge. Zudem sollten die erweiterten Testmöglichkeiten auch für weitere Sicherheit im Tourismus sorgen. Er erwarte eine Perspektive für ein «schrittweises Öffnen der Reisebranche» bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz am 22. März», sagte Bareiß.

Hoffnungen machen der Tourismusbranche Umfragen, wonach der Reisewunsch der Menschen prinzipiell hoch ist. Wichtig ist ihnen dabei vor allem Sicherheit in Zeiten der Pandemie. Tui-Chef Fritz Joussen rechnet mit einer sehr guten Marktentwicklung nach der Krise. Dafür spreche unter anderem die zunehmende Alterung der Gesellschaft. Viele ältere Menschen hätten Geld und Zeit zu verreisen.

Nach Einschätzung des Marktforschungsunternehmens Euromonitor International wird sich der weltweite Tourismus im Idealfall im Jahr 2022 erholt haben. Dann könnten die Reiseausgaben wieder das Vorkrisenniveau erreichen, vorausgesetzt man bekomme die Pandemie in den Griff. Wird der Urlaub dann ein anderer sein? Nicht unbedingt. Der Tourismusexperte Prof. Martin Lohmann rechnet damit, dass die Menschen nach dem Ende der Pandemie zu alten Reisemustern zurückkehren. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Eine aktuelle Analyse von RateHawk beleuchtet die Buchungstrends für die Weihnachtssaison. Während in Europa traditionelle Ziele stabil bleiben, verzeichnen Fernreiseziele wie Japan ein dreistelliges Wachstum und neue Destinationen abseits der Metropolen gewinnen an Bedeutung.

Das Evangelische Augustinerkloster in Erfurt ist neuer Markenbotschafter für das Reiseland Thüringen. Warum der traditionsreiche Ort als Symbol für Geschichte, Kultur und Glauben ausgewählt wurde.

Die Zeit um Weihnachten und den Jahreswechsel gilt in den Bergen als erster Höhepunkt der Wintersport-Saison. Doch es liegt vielerorts weniger Schnee als sonst. Worauf können sich Skifahrer einstellen? Und wie gehen die Wintersportorte mit dem geringen Niederschlag um?

Der ÖHV-Urlaubsradar prognostiziert eine starke Wintersaison für den Tourismus in Österreich. Drei von vier Reisenden planen ihren Urlaub im Inland, wobei Skifahren und Wellness in den Bundesländern Steiermark, Salzburg und Tirol besonders gefragt sind.

Die Schweiz blickt auf ein ereignisreiches Tourismusjahr 2026. Mit der Eishockey-Weltmeisterschaft, der Eröffnung des TITLIS Tower und exklusiven Hotelprojekten wie der Villa Florhof in Zürich setzt das Land neue Akzente in den Bereichen Sport, Architektur und Gastronomie.

Nach Jahren der Planungs- und Bauarbeiten öffnet das neue Lagunen-Erlebnisbad in Willingen. Was Besucher auf 5.600 Quadratmetern erwartet – und warum das Projekt für die Region so wichtig ist.

Das Flugjahr 2025 ist in Europa von einer zweigeteilten Entwicklung geprägt. Während die Zahl der Flugstreichungen im Vergleich zum Vorjahr laut einer aktuellen Auswertung spürbar zurückgegangen ist, bleibt die Pünktlichkeit eine zentrale Herausforderung für die Branche.

Die Digitalisierung kann das persönliche Gespräch vor Ort nicht ersetzen. Trotz technischer Alternativen steigen die Ausgaben für Geschäftsreisen in Europa massiv an, da Unternehmen physische Präsenz zunehmend als strategisches Instrument nutzen, um in einer volatilen Weltwirtschaft Vertrauen und Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Wirtschaftskrise und hohe Kosten ziehen die winterlichen Urlaubs- und Freizeitpläne vieler Menschen in Deutschland in Mitleidenschaft. Jeweils fünfzehn Prozent wollen in der kalten Jahreszeit entweder Urlaubspläne oder Freizeitaktivitäten einschränken. Ein knappes Viertel will die Ausgaben für die Gastronomie reduzieren.

In Rumänien entsteht mit DraculaLand für eine Milliarde Euro ein neuer Gigant der Unterhaltungsindustrie. Das private Großprojekt nahe Bukarest kombiniert einen 160 Hektar großen Themenpark mit 1.200 Hotelzimmern. Die Eröffnung ist für 2027 geplant.