Tief einatmen und Schuhe aus: Neue Wanderangebote im Schwarzwald kommen an

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Von Simone Andrea Mayer, dpa

Der Urlaub beginnt mit tiefen Atemzügen: Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Nein, das ist kein Yoga-Camp. Das ist der Beginn einer Wanderung durch den Wald. Und zwar in der Höhenklimaregion Hochschwarzwald. Die Bäume reichen hier gefühlt bis zu den Wolken, die Luft ist selbst an heißen Sommertagen angenehm erfrischend. Und genau deswegen fährt man hierher: Für die Luft. Zum Atmen. Zum auftanken und entspannen.

Die Höhenklimaregion Schwarzwald bietet gesundheitlich relevante Rahmenbedingungen, Klimatherapeut Nicolas Prinz spricht auch vom Schonklima. «Es ist tagsüber im Sommer weniger schwül und abends kühler.» Der immerzu leichte Wind trägt ganzjährig Allergiefaktoren rascher weg. Und da Bäume über ihre Blätter Feuchtigkeit abgeben, ist die Luft hier im Wald auch etwas feuchter - «das lässt hier seltene Flechten wachsen».

Geht man nun in so einem Klima wandern - oder, wie es wahlweise heißt, Vitalwandern, Luft- oder Waldbaden - wird der Körper auf mehrere Weisen gefördert: Zum einen bewegt er sich natürlich. Zum anderen wird er klimatischen Reizen ausgesetzt, die seine körpereigenen Reaktionsmechanismen ansprechen, erläutert Prinz. Das führe zu einer Erhöhung der Abwehrkräfte und mindere die Empfindlichkeit gegenüber Umweltreizen. Geht es dann durch einen Wald, kommen dessen Geräusche und Gerüche als Wellnessfaktoren hinzu.

Route um den Schluchsee führt vorbei an alten Bäumen

Soweit zur Theorie. In der Praxis ist es dann vor allem ein Gefühl, das einen trotz aller Skepsis irgendwann beim Vitalwandern doch packt: Pure Erholung mitten im Wald, wo man mit etwas Glück nahezu alleine unterwegs ist und nur das Rauschen der Blätter oder Zirpen von Insekten hört. Und das eigene betonte Atmen, wenn Prinz mal wieder auffordert: «Jetzt stehen bleiben und tief Luft holen.»

Auch dazwischen werden alle Sinne gefordert: Die Pfade von der gewählten Route um den Schluchsee führen mitten durch sehr alten Baumbestand. Er steht eng, es geht zwischendurch über Stock und Stein, Wurzeln und auch mal ein Moosfeld. Immer wieder findet man kniehohe Sträucher voller reifer Heidelbeeren - bereit zum Naschen.

Angebote wie das Vitalwandern gibt es inzwischen häufig, auch andernorts. Prinz wundert das nicht: «Die meisten Menschen sind in ihrem Lebensalltag so weit weg von der Natur. Wir müssen und wir wollen wieder lernen, ihr näher zu sein.»

Und da ist noch der Naturschutzgedanke, der immer mehr Menschen umtreibt: Die Erde muss mit Achtsamkeit behandelt werden. Wie wichtig das ist, wird an einem Tag im Wald klar, den man ganz bewusst und vielleicht deswegen auch mal unter Anleitung wahrnimmt.

18 ausgewiesene Wanderwege

Erleben kann man das Höhenklima im Schwarzwald in den sechs sogenannten heilklimatischen Kurorten Hinterzarten, St. Blasien, Schluchsee, Lenzkirch, Titisee und Saig. Sie tragen diese Bezeichnung, weil sie ein wissenschaftlich anerkanntes und therapeutisch anwendbares Bio-Klima besitzen. Und es gibt 18 ausgewiesene Vital-Wanderwege.

Wem das Wandern nicht reicht, der sollte mal die Schuhe ausziehen, rät der Wanderführer Markus Dutschke. «Ich mag das Barfußgehen im Wald besonders, man reflektiert die Umgebung noch mal anders. Man spürt mehr.» Er selbst läuft wann immer möglich barfuß durchs Leben.

Wer es ihm im Wald nachtut, der merkt: Barfuß wandern tut erst einmal weh. Auch wenn man auf weichem Moos geht, denn darin verfangen sich kleine Äste und Zapfen, und die piksen. Und wenn man schon dabei ist, sollte man auch gleich die besonders fiesen Steinchen und Tannenzapfen erwähnen, auf die man besser nicht tritt.

Und: Barfußwandern ist eine dreckige Sache - da reicht eine Dusche danach nicht aus. Daher ein Tipp von Anfänger zu Anfänger: Besser man packt eine harte Bürste ein, sonst hat man unter Umständen tagelang eine schwarze Harzschicht auf der Fußsohle. Auch eine Hornhautfeile und alte Socke sind deswegen eine Packempfehlung.

Füße gewöhnen sich daran

Aber: Barfußwandern ist auch einfach ein großer Spaß. Und wie Dutschke versprochen hat, nach ein paar Minuten schon hat sich der Fuß daran gewöhnt. Und der Kopf auch.

Nach und nach schaut man nicht mehr bei jedem Schritt auf den Boden, sondern nach oben, zu den endlos hohen Bäumen, hört wieder die Geräusche des Waldes. Und man nimmt den weichen Boden wahr, erspürt ausgetrocknete Stellen - und das Moos. Das herrlich weiche, frische Moos, in dem die Zehen versinken.

An Stellen, wo besonders viel Moos zu finden ist, kommt die Wanderung schon mal ins Stocken. Die Begeisterung ist groß, die ganze Gruppe watet durch das grüne Moosfeld, gräbt ihre Zehen hinein, macht Fotos. Da wird geschnattert und gelacht, und man spricht über die Erfahrung, als wäre es ein so ungewöhnliches Erlebnis. «Aber das ist es für die meisten auch», sagt Dutschke.

Er erreicht gerade sein gesetztes Ziel: Die Gruppe soll bewusster die Natur und sich selbst wahrnehmen. Immer wieder fordert er seine Gäste daher auch auf: Schaut hoch, hört mal! Und was fühlt ihr?

Gebiet wird wieder zu einem Urwald

Die Reise in den Hochschwarzwald ist auch vielfacher Hinsicht eine Reise ins eigentlich Selbstverständliche, das heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist - wie eben Barfußlaufen im Wald. Und wie ein Urwald mitten in Deutschland. Im Hochschwarzwald ist ein Gebiet auf dem Weg, wieder ein Urwald zu werden - also wie die Wälder hier einst waren.

Der sogenannte Bannwald «Schwarzahalden» besteht seit 1970 und ist seit 2017 von der Unesco anerkannt. Er liegt im Biosphärengebiet Schwarzwald und umfasst rund 428 Hektar. In Biosphärengebieten müssen Lebensräume und Artenvielfalt erhalten bleiben und die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig erfolgen. In extra ausgewiesenen Zonen wie einem Bannwald hingegen gibt es gar keine Entwicklung mehr, zumindest nicht durch den Menschen. Ihn formt allein die Natur.

Anfangs sieht es auch hier wieder nach einem normalen Spaziergang durch einen Wald aus. Doch dann sieht man die ersten umgefallenen Bäume, die einfach so liegen geblieben sind - inzwischen überwachsen von dichtem Moos und Farnen. Vor einem einst meterdicken Stamm bleibt man stehen; er wirkt wie aufgerissen, denn Insekten haben ihn zersetzt.

Gutes Schuhwerk ist wichtig

Klaus Giller, Wanderführer und Förster, zeigt entlang des Rappenfelsenwegs durch den Wald Alpen-Johannisbeeren und Bartflechten. Sie sind so selten, dass die meisten Menschen sie noch nie gesehen haben dürften. Aber sie haben sich inzwischen hier wieder angesiedelt, nachdem die Bewirtschaftung komplett eingestellt wurde. Nur noch die Wanderwege werden abgesichert.

Trotzdem, gutes Schuhwerk ist wichtig bei der Wanderung. Denn der Weg ist nicht sehr gut ausgebaut. Es geht auch mal über große Wurzeln, oder unter einem gefallenen Baumstamm hindurch, der noch nicht vom Weg entfernt wurde. «Das ist das Schöne an der Natur, sie entwickelt sich immer weiter - jedes Mal, wenn ich in den Wald komme, sehe ich etwas Neues», sagt Giller.

Man entdeckt auch: Perfekt gewachsene Bäume sind in der Natur so selten wie Models in der Bevölkerung. «Einen schönen Baum braucht die Natur ja auch nicht, das braucht nur der Mensch,» sagt dazu Giller. In einem Bannwald dürfen sich daher altersschwache und wankende Bäume an ihren Nachbarn stützen. Auch schiefe Jungbäume dürfen sich anlehnen, selbst wenn der Nachbar dadurch der Entwurzelung gefährlich nahe ist. Wer in 20 Jahren wohl die Oberhand hat?

Bis zum echten Urwald braucht es noch lange

Mit der Zeit wird der Weg schmaler und steiler. Man steigt über Äste und muss sich schon mal an ein paar Steinen beim Hochklettern abstützen. Es taucht ein Geröllfeld auf, das einst gnadenlos die Bäume mit sich gerissen hat. Da es immer wieder mal in Bewegung ist, siedeln sich kaum Pflanzen an. Wo man so etwas außerhalb eines natürlichen Waldes sieht, vermutet man immer gleich ein schlimmes Unglück. Doch hier ist es einfach nur der natürliche Kreislauf.

Diese Urwüchsigkeit ist das Ergebnis eines fast 50-jährigen Prozesses - für Menschen eine sehr lange Zeit. Und doch, ein echter Urwald ist dieser Bannwald noch lange nicht. Das braucht viele Jahrzehnte mehr Regenerationszeit, berichtet Giller.

Und so wird einem zum Ende der Wanderung an einem Ausblick auf jene Teile des Bannwalds, wo seit langem kein Mensch mehr unterwegs war und auch noch sehr lange keiner mehr wandern soll, bewusst, dass der Mensch ganz schön weit von der Natur abgerückt ist. Und dann passiert es sogar den Skeptikern und Stadtmenschen. Alle sind jetzt still und nehmen einfach nur noch den Wald und seine Reize wahr.


 

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