Tunesiens Tourismusbranche im Wandel

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Wo sich Minuten vorher noch Urlauber tummelten, ist nun Stille. Handtücher, Taschen und Bücher liegen auf den Strandliegen, als seien sie dort in aller Eile zurückgelassen worden. In der Ferne wird ein Fallschirm hinter einem Boot gezogen. Die Szene wirkt wie ein Stillleben. Selbst die Wellen des blauen Mittelmeers sind kaum zu hören, wie sie an den feinsandigen Strand spülen. Nur eine Person steht in Shirt und kurzer Hose am Strand. Dann fallen Schüsse.

Am Ende des Vormittags sind 39 Menschen tot, darunter zwei Deutsche. Handyaufnahmen hielten damals, im Juni 2015, den Horror fest, den der 23-jährige Attentäter in dem beliebten Hotel im tunesischen Sousse verbreitete. Als er sein Maschinengewehr aus einem zusammengefalteten Sonnenschirm zieht, hat es der Islamist gezielt auf Touristen abgesehen. «Der Anschlag war ein großer Schock für viele», sagt der Deutsche Botschafter Andreas Reinicke, der damals schon im Land war. «Erstens in der Art und Weise, wie der Angriff durchgeführt wurde, dann aber auch in der Erkenntnis, wie überfordert die Sicherheitskräfte waren.»

Anschlag als Weckruf

Dem Anschlag in Sousse ging nur drei Monate vorher ein Attentat auf das für seine römischen Mosaiken weltberühmte Bardo-Museum in Tunis voraus. Schon dabei starben 21 Menschen. Es ist eine Zeit, als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) weltweit Anschläge verübt. «Der Anschlag von Sousse war aber sicherlich auch ein Weckruf», erzählt Botschafter Reinicke. «Man hat die eigenen Defizite schonungslos aufgedeckt bekommen.» In der Folge reisen auch die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien nach Tunesien und machen klar, dass sich etwas ändern muss.

Für die junge Demokratie, die auf die Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen ist, sind die Anschläge ein herber Schlag. Kamen vor Beginn des sogenannten «Arabischen Frühlings» fast sieben Millionen Reisende nach Tunesien brachen die Zahlen 2015 auf etwas über vier Millionen Menschen ein. «Das war schwierig zu verdauen», sagt Andrea Philippi vom tunesischen Fremdenverkehrsamt. «Aber Tunesien hat sich dem Thema Sicherheit dann wirklich angenommen.»

Polizist fällt in Ohnmacht

Denn ein Bericht der tunesischen Untersuchung zum Attentat machte auch die Nationalgarde und die Polizei für die hohe Zahl der Opfer verantwortlich. Ein erster, am Tatort eintreffender Polizist fiel in Ohnmacht, sein Kollege zog sich daraufhin sein Uniformhemd aus und floh. Erst nach 35 Minuten stellte die Polizei den Täter, obwohl sie sich nur wenige Minuten entfernt befand. Eine berittene und eine Quad-Streife erschienen erst nach Ende des Anschlags, wie es in einer Auflistung der Sicherheitsberater von Smart Risk Solutions heißt.

Im vergangenen Jahr wurden zahlreiche Hintermänner und Komplizen der beiden Anschläge in Tunesien verurteilt. Sechs Personen bekamen lebenslange Haftstrafen wegen der Verstrickung in Terror, Mord und Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates.

Abseits der juristischen Aufarbeitung investierte Tunesien in der Folge aber in Sicherheitsmaßnahmen. An den Hoteleingängen stehen Scanner wie am Flughafen, Sicherheitskräfte patrouillieren am Strand und in den Straßen der Touristenzonen. Die Touristenzahlen stiegen wieder und hätten im vergangenen Jahr fast die elf Millionen Grenze geknackt: soviel Touristen wie Tunesien Einwohner hat.

Erst Thomas Cook, dann Corona

Dann kam erst die Pleite des Reiseunternehmens Thomas Cook, dann das Coronavirus. «Die Thomas-Cook-Pleite war für die Hoteliers drastisch», sagt Andrea Philippi. «Jetzt ist der Tourismus komplett gestoppt.» Vor einigen Tagen verkündete der Chef des tunesischen Hotelverbandes, Khaled Fakhfakh, dass die Touristensaison in diesem Jahr ausfallen werde. Etwa 60 Prozent der Hotels seien von Schließungen bedroht, sagte er dem Radiosender Mosaique FM.

Erneut eine düstere Prognose in einem Land, in dem laut Fremdenverkehrsamt mehr als zehn Prozent der Menschen im Tourismus beschäftigt sind - und das trotz demokratischer Reformen mit wirtschaftlichen Problemen kämpft. Nach offiziellen Zahlen haben sich nur knapp mehr als 1000 Menschen in Tunesien mit dem Coronavirus infiziert. Schon zu Beginn der weltweiten Pandemie setzte die Regierung harte Maßnahmen um, wie die Schließung der Häfen und Flughäfen oder eine landesweite Ausgangssperre. Ende des Monats sollen die Grenzen wieder geöffnet werden. Tunesien hofft auf Touristen - auch aus Deutschland, wo das nordafrikanische Land nicht auf der Risikoliste steht.

Tunesien habe eindrucksvoll bewiesen, dass Demokratie eine Stärke in der Krise sei, sagt Botschafter Reinicke. Zuletzt wurde sogar von der Zivilgesellschaft diskutiert, ob eine Öffnung der Tourismusbranche angesichts der Corona-Pandemie überhaupt sinnvoll sei.

Langsam weg vom Pauschaltourismus

Es komme jetzt darauf an, den Tourismus Richtung Herbst wieder zum Laufen zu bringen, wann früher viele Deutsche an die Strände gekommen sind, sagt Philippi vom Fremdenverkehrsamt. Denn vor allem für die vielen kleinen Projekte, wie Gästehäuser oder Reiseführer für Individualtouristen sei die Krise ein Problem. Erst langsam entwickelt sich der Tourismus in Tunesien weg vom Pauschaltourismus hin zu individuelleren Angeboten.

Entsprechend setzt Tunesien alles daran, die Saison noch irgendwie zu retten. In einem neuen Video präsentierte Tunesien vor kurzem die Sicherheitsmaßnahmen und das strikte Hygieneprotokoll. Golfbälle werden darin desinfiziert, Kellner mit Mundschutz bringen das Essen an den Tisch, am Strand herrscht kein Gedränge. Das Motto lautet: «Ready and Safe». Es sind Videos wie diese, die den Touristen im Gedächtnis bleiben sollen.
 

(dpa)


 

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