Wintersport nur noch für Besserverdiener?

| Tourismus Tourismus

Die Wintersportbranche vom Hotelier bis zum Sportgeschäft wird vor Beginn der nächsten Saison wegen der hohen Inflation von Unsicherheit geplagt. Die Fragen: Wird das Bedürfnis nach Spaß im Schnee so groß sein, dass die Kundschaft die hohen Preissteigerungen in Kauf nimmt? Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass Normalverdiener sich möglicherweise einschränken werden, Besserverdiener jedoch nicht. Das lassen Rückmeldungen über die Buchungslage in den Hotels vermuten.

«Wir haben ein ziemlich diffuses Bild, die Wintersaison lässt sich sehr schwer vorhersehen», sagt Stefan Herzog, der Präsident des Verbands deutscher Sportfachhandel (VDS). Am Montag öffnet in München die internationale Sportartikelmesse Ispo ihre Tore, das größte Branchentreffen der Sportartikelindustrie in Deutschland. Dabei wird ein großes Gesprächsthema sein, ob und wie sich das Wachstum der Frischluft-Sportarten fortsetzen wird.

In der Corona-Pandemie zählte die Outdoor-Branche zu den Krisengewinnern. Lockdowns und sonstige Beschränkungen hatten einen Verkaufsboom zur Folge. Doch Ukraine-Krieg und Inflation ziehen das Geschäft in Mitleidenschaft.

«Wenn man sich die vergangenen zwei Jahre insgesamt ansieht, hat der Sport fast zehn Prozent zugelegt», sagt Herzog. «Im ersten Halbjahr hatten wir im Sportfachhandel ein leicht zweistelliges Plus von elf, zwölf Prozent. Im zweiten Halbjahr sind die Umsätze bislang leicht zurückgegangen, oder stagnieren.»

Nach starkem Wachstum in den Vorjahren leidet nun am stärksten der Versand über das Internet: «Im stationären Handel liegen wir bei Plusminus null, der Onlinehandel hat seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ein zweistelliges Minus», sagt Herzog.

Ein plötzliches Ende des Trends zur Bewegung an der frischen Luft sieht Herzog aber nicht. «Outdoor funktioniert nach wie vor ganz gut, auch wenn es in manchen Bereichen ein bisschen abflacht.»

Im Winter hat ohnehin ein gänzlich unwägbarer Faktor einen großen Einfluss: das Wetter. «Wintersportarten funktionieren auch nur, wenn Lifte laufen, das Wetter passt, insofern ist die Saison sehr schwer vorherzusehen», sagt Herzog.

Stimmung im Sporteinzelhandel schlecht

Laut Münchner Ifo-Institut ist die Stimmung im Sporteinzelhandel derzeit schlecht. In einer aktuellen Umfrage lag der Saldo der Geschäftserwartungen bei minus 77,9. Das bedeutet, dass der prozentuale Anteil der Pessimisten um 77,9 Prozentpunkte über dem der Optimisten lag - also massiv überwog. Innerhalb des Einzelhandels ist das laut Ifo-Experte Klaus Wohlrabe einer der schlechtesten Werte.

Dabei wären die Voraussetzungen eigentlich günstig: Der kommende Winter wird nach drei coronageschädigten Saisonen wahrscheinlich der erste sein, in dem das Geschäft mit dem Schnee nicht von der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen beeinträchtigt wird.

Doch nun schlagen die hohe Inflation und der damit verbundene Einbruch der Konsumstimmung ins Kontor. Vorausbuchungen in den Winterurlaubsorten sind auch für Händler, Skigebietsbetreiber und -schulen ein Frühindikator, wie die Saison laufen könnte.

Hotels rechnen mit Einbußen

Die Rückmeldungen der bayerischen Hoteliers seien unterschiedlich, berichtet Thomas Geppert, der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Bayern. «Insgesamt rechnet man schon mit Einbußen von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent.»

Ein von Pandemie und Inflation unabhängiger Trend war schon vor Corona zu beobachten: Viele Gäste buchen sehr kurzfristig. Für Weihnachten und Silvester sehe es sehr gut aus, sagt Geppert. Doch für die Zeit von Januar bis März gebe es kaum Buchungen ein- bis zweiwöchiger Skiurlaube. «Punktuell schaut es ganz gut aus, insbesondere in der Fünf-Sterne-Hotellerie», meint Geppert.

Der mutmaßliche Grund: In teureren Unterkünften logieren eher Gutverdiener, die sich auch bei hoher Inflation nicht groß einschränken müssen. Das bestätigt auch eine Rückmeldung aus St. Moritz. Der weltberühmte Schweizer Wintersportort und seine Engadiner Nachbargemeinden sind seit jeher Ziele der Wohlhabenden, die Saison beginnt dort an diesem Samstag.

«Die vergangene Wintersaison war aus Sicht der Gesamtdestination sehr gut», sagt Jan Steiner von der Geschäftsführung der Engadin St. Moritz Tourismus AG. «Für die kommende Wintersaison ist der Ausblick vergleichbar - aus Sicht der Hoteliers und Leistungsträger ist der aktuelle Buchungsstand gut bis sehr gut.» Die Schweizer profitierten schon in den vergangenen zwei Wintern von vergleichsweise lockeren Corona-Beschränkungen, nun kommt ihnen eine wesentlich niedrigere Inflationsrate von an die drei Prozent zugute.

In Österreich verläuft die Teuerung ähnlich rasant wie in Deutschland. In Tirol seien drei von vier Betrieben mit der Buchungslage über Weihnachten und bis Mitte Januar sehr zufrieden, sagt Karin Seiler, die Chefin der Tirol Werbung in Innsbruck. Gerade deutsche Gäste hätten offenkundig sehr große Lust auf einen Urlaub in den Alpen. «Und der Schneefall in den letzten Tagen hat auch geholfen», sagt Seiler. Aber die Mehrkosten bei der Energie könnten viele Hotels und Pensionen trotz Preiserhöhungen - nach einem ersten Überblick zwischen 7 und 15 Prozent - kaum ausgleichen. «Der Umsatz dürfte stimmen, aber der Gewinn wird deutlich niedriger sein.»

Die Seilbahn- und Skigebietsbetreiber - in Österreich ebenso wie in Bayern - versuchen, Kosten zu sparen. So können die Skigebiete an Tagen mit wenig Andrang weniger Lifte fahren lassen, das Tempo der Bahnen reduzieren oder Nachtskilauf und Rodeln bei Flutlicht streichen. Eine weitere Option ist reduzierte Beschneiung.

Ein grundsätzlicher Verzicht auf Schneekanonen kommt jedoch für die Skigebiete nicht in Frage. «Das ist kein Luxus für Freizeitbetriebe, sondern das ist die Produktionsfläche für die Wintersaison», sagt Franz Hörl, Österreichs oberster Seilbahn-Vertreter. «Wenn wir keine Pisten haben, können wir den Tourismus zusperren». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Als Kreuzfahrt-Stadt wird Hamburg immer beliebter: 2023 gingen so viele Passagiere wie noch nie in der Hansestadt aufs Schiff. Der Schiffstourismus in der Hansestadt soll auch nachhaltiger werden.

Zehntausende Menschen haben am Samstag unter dem Motto «Die Kanaren haben eine Grenze» gegen Massentourismus demonstriert. Insgesamt 55 000 Demonstranten forderten eine Obergrenze der Zahl der Touristen oder etwa bezahlbaren Wohnraum für Einheimische.

235 Vertreter der internationalen Reiseindustrie und 110 Medienvertreter aus 38 Ländern nehmen am 50. Germany Travel MartTM (GTM) der DZT in Chemnitz teil. Vom 21. Bis 23. April 2024 informieren sie sich beim GTM über die neuesten Trends, Entwicklungen und touristischen Produkte in Deutschland, lernen die Region kennen und verhandeln Geschäftsabschlüsse.

Als erste Stadt der Welt verlangt Venedig jetzt Eintritt: Wer ein paar Stunden zwischen Markusplatz und Rialtobrücke verbringen will, muss zahlen. Die Tourismusbranche beobachtet das genau.

Amsterdam will die Hälfte der anlegenden Flusskreuzfahrtschiffe streichen. Innerhalb von fünf Jahren solle die Zahl der Schiffe, die in der Stadt anlegen dürfen, halbiert werden. Die Stadt schätzt, dass dadurch pro Jahr rund 270 000 Touristen weniger die Stadt besuchen werden. 

 

Mehr als 11 Millionen verkaufte Tickets, von vielen als Tarifrevolution gefeiert: Das Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr wird bald ein Jahr alt. Seit dem 1. Mai 2023 kann es bundesweit im Nah- und Regionalverkehr genutzt werden. Der monatliche Preis liegt in der Regel bei 49 Euro - aber wie lange noch?

Der Reisekonzern FTI wechselt den Besitzer und soll frisches Kapital bekommen. Das in der Corona-Krise in Bedrängnis geratene Unternehmen sieht darin die Grundlage für Wachstum.

Vom Flughafen Hahn hat Billigflieger Ryanair den deutschen Markt aufgerollt. Auch 25 Jahre später spielt der Hunsrück-Flughafen noch eine Rolle in der Strategie der Iren.

Tourismus ist für Spanien überlebenswichtig. Trotzdem wächst vielerorts im Lande der Verdruss gegenüber den stetig zunehmenden Besuchermassen. Betroffen ist nun auch eine einstige «Friedensoase».

Wer in diesem Jahr hierzulande ein Ferienhaus mietet, darf einer Umfrage zufolge mit weitgehend stabilen Preisen rechnen. Weniger als die Hälfte der Ferienhausvermieter erhöht einer Umfrage zufolge in diesem Jahr die Preise. 90 Prozent der Vermieter rechnen mit gleich vielen oder mehr Buchungen als im Vorjahr.