Angeschlagenes Gastgewerbe: Steuersenkung wird zur Existenzfrage

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Das deutsche Gastgewerbe ist in der ersten Hälfte dieses Jahres noch tiefer in die Krise gerutscht, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Die Branche setzt zur Sanierung auf die für den Jahresbeginn 2026 angekündigte Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 Prozent bei Speisen. 

In der ersten Jahreshälfte sind die Umsätze des Gastgewerbes im Vergleich zum ohnehin schwachen Vorjahreszeitraum noch einmal um 3,7 Prozent gesunken, berichtet das Statistische Bundesamt. Nur deutliche Preiserhöhungen haben den Wirten und Hoteliers die Erlöse einigermaßen gerettet: Nominal lagen die Umsätze nur 0,1 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Mit einem realen Rückgang um 4,1 Prozent wurde die Gastronomie härter getroffen als Hotels und andere Beherbergungsbetriebe, die 2,6 Prozent Rückgang verkraften mussten.

Aktuell höhere Umsatzsteuer auf Speisen

Zur Flaute beigetragen hat mutmaßlich der seit Jahresbeginn 2024 wieder gültige volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen, der die Preise in Kneipen und Restaurants mit nach oben getrieben hat. Nach dem Willen der neuen Bundesregierung soll dieser Satz zum Beginn des Jahres 2026 wieder auf das zwischenzeitliche Niveau aus der Corona-Zeit von 7 Prozent gesenkt werden. 

DEHOGA macht Steuersenkung zur Existenzfrage

Der Branchenverband DEHOGA macht die von der Union durchgesetzte Steuersenkung zur Existenzfrage, die über die Zukunft vieler Restaurants entscheide. «Nur die Rückkehr zur 7 Prozent-Mehrwertsteuer auf Speisen kann die notwendige Luft zum Atmen verschaffen», sagt Präsident Guido Zöllick. «Ohne die 7 Prozent Mehrwertsteuer droht nicht nur ein Sterben gastronomischer Vielfalt, sondern auch ein spürbarer Verlust an Lebensqualität und Aufenthaltskultur in unseren Innenstädten.»

Kein Raum für Preissenkungen?

Für Preissenkungen auf der Speisekarte scheint da kein Raum zu sein. Stattdessen verschaffe die Steuersenkung den Unternehmern Luft angesichts steigender Energie-, Waren- und Lohnnebenkosten, sagt Thüringens DEHOGA-Chef Dirk Ellinger. Unternehmer, die ihre Mehrkosten nicht über den Preis erwirtschaften konnten, könnten dann wieder auskömmlich arbeiten.

An die Kunden werde die Ersparnis ohnehin nicht weitergegeben, mutmaßt auch der NGG-Geschäftsführer für Darmstadt und Mainz, Guido Noll. «Wer hofft, dass damit auch Schnitzel, Gulaschsuppe, Kaiserschmarrn & Co. billiger werden, der hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Gastronomen werden viele fadenscheinige Gründe finden, warum sie die 12 Prozent dringend brauchen – und zwar für den Betrieb, für sich selbst.»

NGG: Kunden sollen Fragen stellen

Den Kunden empfiehlt der Gewerkschafter, ab dem kommenden Jahr beim Bezahlen der Rechnung genau nachzufragen, wo denn die 12 Prozent Ersparnis geblieben sind und ob die Beschäftigten davon höhere Gehälter bekämen. Nur mit diesem «moralischen Gastro-Druck» lasse sich ein «100-Prozent-Mitnahmeeffekt» der Wirte verhindern. Die Gewerkschaft wendet sich auch grundsätzlich gegen die dauerhafte Absenkung der Mehrwertsteuer für die Speisegastronomie, die ein falsches haushaltspolitisches Signal setze. «Von einer Steuervergünstigung profitieren weder die Beschäftigten noch die Gäste», sagt NGG-Chef Guido Zeitler. Stattdessen brauche es mehr Tarifbindung, faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. «Gerade in einer Branche, in der über die Hälfte der Beschäftigten im Niedriglohnsektor arbeitet, ist das der richtige Weg zu echter Verbesserung.»

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern hat die Vorwürfe der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zur geplanten Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie zurückgewiesen. Landesgeschäftsführer Thomas Geppert sprach in diesem Zusammenhang von „Nestbeschmutzung“ und forderte stattdessen Unterstützung in den Gesprächen über steuerliche Entlastungen. (Tageskarte berichtete

DEHOGA weist auf explodierte Kosten

DEHOGA-Präsident Zöllick weist auf die zeitgleich zu den sinkenden Umsätzen explodierten Kosten. Personal, Lebensmittel, Energie, Getränke: Alles sei seit 2022 zwischen 27 und 35 Prozent teurer geworden. Dies belaste auch die Kunden: «Viele Gäste gehen seltener essen, wählen günstigere Gerichte, verzichten auf Vorspeisen oder das zweite Getränk.» Verlierer seien Restaurants und Gasthäuser, denn die Verbraucher wichen auf Essen zur Mitnahme oder den Lebensmitteleinzelhandel aus, für die seit jeher nur 7 Prozent Mehrwertsteuer gelten.

Keine Erholung im Sommer

Die Statistik zeigt derzeit nur eine schwache Entwicklung im Sommergeschäft. Nach einem kurzen Zwischenhoch zu Ostern hat sich die Lage im Juni weiter eingetrübt. Die Umsätze lagen laut Bundesamt real 5,9 Prozent unter dem Vorjahresmonat und einschließlich der Preiserhöhungen 3,4 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Noch einen Monat weiter voraus blickt der Nürnberger IT-Dienstleister Datev anhand von Umsatzsteuervoranmeldungen. Danach sind die Umsätze des Gastgewerbes auch im Juli 4,0 Prozent niedriger ausgefallen als ein Jahr zuvor. Datev-Chef Robert Mayr sagt: «Mit der ausbleibenden Sommerbelebung verschärft sich die wirtschaftliche Lage in der Gastronomie weiter.»


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der italienische Prosecco hat in den USA einen historischen Markterfolg erzielt. Neue Daten des Uiv–Vinitaly Observatory bestätigen: Der Schaumwein übertrifft Champagner in den amerikanischen Einzelhandelsumsätzen und wächst viermal schneller als der gesamte italienische Weinmarkt.

Ein gutes Arbeitszeugnis kann die Eintrittskarte für einen neuen Job sein. Auch wenn keine Note darunter steht, verraten die Formulierungen doch einiges. Wie so ein Zeugnis zu lesen ist.

Thüringen meldet einen leichten Rückgang bei Übernachtungen und liegt damit im bundesweiten Trend. Doch einige Regionen und Unterkünfte legen weiter zu.

Unentschuldigtes Fehlen oder wiederholtes Zuspätkommen kann zur Kündigung führen. Doch ab wann ist der Job wirklich in Gefahr? Eine Fachanwältin für Arbeitsrecht klärt auf.

Glücksspiel ist Teil des Alltags in vielen europäischen Ländern, nur die Regeln unterscheiden sich erheblich. Deutschland hat mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 einen Rahmen geschaffen, der Ordnung verspricht und gleichzeitig Diskussionen befeuert. Zu streng nach Meinung der einen, zu zaghaft im Vollzug nach Meinung der anderen.

Die saisonübliche Belebung des Arbeitsmarktes im September 2025 ist verhalten ausgefallen. Die Zahl der Arbeitslosen sank zwar, doch im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich eine deutliche Steigerung.

Der Tourismusboom in Brandenburg hat sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres etwas abgeschwächt. Wirtschaftsminister Keller sagte zu, die Rahmenbedingungen zu verbessern, indem zum Beispiel unnötige bürokratische Belastungen abgebaut würden.

Ein krankes Kind braucht Betreuung. Für berufstätige Eltern heißt das: Sie können nicht arbeiten. Doch wie lange dürfen sie fehlen? Und wer zahlt dann den Lohn? Was man dazu wissen muss.

Die Aral-Kaffeestudie 2025 liefert Daten zu aktuellen Kaffeetrends in Deutschland. Die Analyse zeigt, dass Coffee To Go weiterhin ein starker Wettbewerbsfaktor ist und die Geschwindigkeit der Zubereitung sowie die Kaffeequalität für Konsumenten entscheidend sind.

Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe hat ihr Seminarprogramm für 2026 vorgestellt. Das Angebot richtet sich an Mitgliedsbetriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern und konzentriert sich auf die Bereiche Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Die Schulungen sollen dabei helfen, Betriebe sicherer zu gestalten und Unfälle zu vermeiden.