Kein Lohn trotz Attest? Welche Fälle Sie kennen sollten

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Wer krank ist und nicht arbeiten kann, bekommt in der Regel weiter seinen Lohn bezahlt. Das ist im sogenannten Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Das gilt immer dann, wenn Arbeitnehmer aufgrund von Arbeitsunfähigkeit infolge einer Erkrankung an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, erklärt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. 

Voraussetzung ist, dass Beschäftigte kein eigenes Verschulden trifft. Der Anspruch ist bis zu sechs Wochen begrenzt, danach übernimmt in der Regel die Krankenkasse und zahlt Krankengeld. 

In den vergangenen Wochen wurde ein Vorschlag, dass Arbeitnehmer für den ersten Krankheitstag oder sogar die ersten drei Krankheitstage keinen Lohn mehr bekommen sollen, breit diskutiert. Was viele Beschäftigte nicht wissen: Auch jetzt ist das in manchen Fällen bereits möglich, selbst wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorliegt - und zwar in folgenden:

1. Zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses

Grundsätzlich entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses, wie Alexander Bredereck erklärt. Heißt: Wer in den ersten vier Wochen eines neuen Arbeitsverhältnisses krank wird, hat für die Tage, an denen er sich krankmeldet, in der Regel keinen Anspruch auf Lohn.

Betroffene können in diesem Fall aber Krankengeld als Lohnersatzleistung bei ihrer Krankenkasse beantragen. Das Krankengeld beträgt 70 Prozent vom Bruttoeinkommen, jedoch höchstens 90 Prozent vom Netto.

2. Erneute Krankheit bei gleicher Diagnose

Eine ähnliche Regel gilt, wenn Beschäftigte innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgrund derselben Krankheit erneut ausfallen. «Wird ein Arbeitnehmer wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, besteht ein weiterer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur unter bestimmten Voraussetzungen», so Alexander Bredereck.

Und zwar dann, 

  • wenn zwischen beiden Krankheiten eine Pause von mindestens sechs Monaten bestand, in denen der Arbeitnehmer jedenfalls nicht aufgrund dieser Krankheit arbeitsunfähig war,
  • oder wenn seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Ist der Zeitraum für die Entgeltfortzahlung abgelaufen, erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Krankengeld, so der Fachanwalt.

Der Arbeitgeber dürfe in diesem Fall nachfragen, welche Diagnose der AU-Bescheinigung zugrunde liegt. «Allerdings sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, darauf zu antworten und sollten dies in der Regel auch nicht tun», rät Bredereck. 

Der Arbeitgeber könne sich allerdings an die Krankenkasse wenden und hier anfragen, ob Arbeitsunfähigkeitszeiten in einem medizinischen Zusammenhang stehen und damit anrechenbar sind. Die Krankenkasse prüfe das und ziehe gegebenenfalls die behandelnden Ärzte und den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) hinzu. 

«Dem Arbeitgeber wird dann mitgeteilt, ob der zu prüfende Arbeitsunfähigkeitszeitraum anrechenbar, teilweise anrechenbar oder nicht anrechenbar ist», erklärt der Fachanwalt das Vorgehen. Auf der Basis des Prüfungsergebnisses entscheide der Arbeitgeber dann über die Entgeltfortzahlung.

3. Arbeitgeber zweifelt AU-Bescheinigung an

Der Arbeitgeber habe verschiedene Möglichkeiten, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln. Zum einen kann er den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten und eine gutachterliche Stellungnahme einholen. «Ein zahnloser Tiger», urteilt Alexander Bredereck. «Die schärfere Reaktion: der Arbeitgeber stellt die Entgeltfortzahlung ein.» 

Eine Arbeitgeberin könne die Entgeltfortzahlung bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit so lange verweigern, bis sie tatsächlich nachgewiesen ist, so Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Betroffene Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber dann gegebenenfalls auf Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht verklagen. In diesem Prozess müsse der Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, so Bredereck.

«Einfache Zweifel reichen dafür nicht», sagt der Fachanwalt. Stattdessen muss der Arbeitgeber Umstände vortragen, die begründete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit wecken. Etwa, wenn der Arbeitnehmer genau am ersten Tag nach der Eigenkündigung und genau bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig geschrieben ist. Auch wenn Beschäftigte vorab mit einer Erkrankung drohen, kann das dem Fachanwalt zufolge den Beweiswert der AU erschüttern. 

Sieht das Arbeitsgericht den Beweiswert als erschüttert an, müsse der Arbeitnehmer im Prozess die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden - «am Ende entscheidet dann in der Regel deren Aussage zur Arbeitsunfähigkeit», so Bredereck. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die zehnte Ausgabe des Ernährungsreports beleuchtet die Prioritäten der deutschen Bevölkerung beim Essen. Während Geschmack und Gesundheit unangefochten an der Spitze stehen, gewinnen Kriterien wie Preis, schnelle Zubereitung, Tierwohl und Regionalität deutlich an Bedeutung. Der tägliche Fleischkonsum sinkt, die Wahrnehmung des Nutri-Scores steigt stark an.

Im dritten Quartal dieses Jahres sind die Bruttolöhne in Deutschland erneut stärker gestiegen als die Verbraucherpreise. Daraus ergibt sich eine Reallohnsteigerung um rund 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste Zuwachs im laufenden Jahr.

Der Entwurf zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung sieht eine Anhebung der amtlichen Sachbezugswerte für Verpflegung und Unterkunft zum 1. Januar 2026 vor, die für die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Bewertung von Sachbezügen an Arbeitnehmer relevant sind.

Das Jahresende naht und damit auch die Weihnachtszeit. Für manche gibt es da noch eine zusätzliche Bescherung vom Arbeitgeber: Weihnachtsgeld. Doch wer hat eigentlich Anspruch darauf? Kann das jeder bekommen?

Eine aktuelle Analyse der DATEV zeigt, dass die Löhne und Gehälter in Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) seit 2022 deutlich gestiegen sind. Die Zuwachsraten liegen demnach nominal weiterhin über der Inflation. Dem Lohnwachstum der breiten Masse steht ein unterdurchschnittliches Wachstum bei den Gehältern von Geschäftsführern gegenüber.

Wie sind die Aussichten für die Beschäftigung in Deutschland? Während das Barometer des Ifo-Instituts schlecht ausfällt, sieht es beim IAB besser aus. Das könnte daran liegen, wer gefragt wurde.

Die Deutschlandchefin des Kurzzeitvermietungsportals Airbnb, Kathrin Anselm, hat Vorwürfe entschieden zurückgewiesen, ihr Unternehmen trage Mitschuld an den explodierenden Mieten in Berlin. Die Managerin äußerte Zweifel an einer DIW-Studie, die einen Zusammenhang zwischen dem Airbnb-Angebot und steigenden Mieten nahelegt.

Es gibt Dinge, die man lieber nicht in Gegenwart seiner Vorgesetzten sagt - egal in welcher Sprache. Doch selbst wenn man sie sagt, ist eine Kündigung unter Umständen unwirksam, entschied ein Gericht.

Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland erhalten weiterhin Unterstützung durch ein bundesweites Förderprogramm zur Unternehmensberatung. Das Programm zielt darauf ab, die Erfolgsaussichten, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und gilt auch für Unternehmen des Gastgewerbes.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) hat seinen aktuellen Zahlenspiegel für das dritte Quartal 2025 vorgelegt. Die Publikation bietet eine Übersicht der zentralen wirtschaftlichen Kennzahlen aus Hotellerie und Gastronomie.