Kritik an Papierflut wegen Bonpflicht

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Die vor einem Jahr eingeführte Bonpflicht gegen Steuerbetrug an Ladenkassen sorgt in Handwerk und Handel weiter für Unmut. Beklagt wird nach wie vor mehr Bürokratie, Aufwand und Müll sowie weniger Zeit für die eigentliche Arbeit.

In welchem Verhältnis die Kosten für Unternehmer bei der Anschaffung der Kassen mit Sicherungssystemen und der Nutzen für den Fiskus im Kampf gegen Steuerbetrug stehen, ist noch offen, wie eine Umfrage der Deutschen-Presseagentur ergab. Dafür sei es zu früh, sagte beispielsweise eine Sprecherin des Finanzministeriums in Sachsen-Anhalt . Hintergrund seien die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.

Seit 1. Januar 2020 müssen Händler mit elektronischen Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Die umstrittene «Belegausgabepflicht» ist Teil des schon Ende 2016 beschlossenen Maßnahmepakets, mit dem der Gesetzgeber Steuerbetrug über Mogelkassen einen Riegel vorschieben will. Kassen sollen fälschungssicher und so Manipulationen verhindert werden. Der Bon sollte auch per Mail oder auf das Handy ausgegeben werden können. In «Härtefällen» ist kein Beleg fällig - das aber muss die jeweilige Finanzbehörde vor Ort prüfen.

Der Staat verliert alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen - vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. In vielen EU-Staaten gilt die Bonpflicht schon länger und funktioniert nach früheren Angaben des Bundesfinanzministeriums auch.

Betroffen vom zusätzlichen Aufwand mit der Bonpflicht ist vor allem das Bäckerhandwerk, wie eine Sprecherin der Handwerkskammer Magdeburg sagte. Zumal in den Geschäften sich Bons stapelten, etwa beim Verkauf von Brötchen, wenn die Kunden auf den Zettel verzichten.

Das Magdeburger Finanzministerium räumte ein, dass es angesichts der Corona-Krise nicht allen Unternehmern gelungen sei, Registrierkassen wie ursprünglich geplant bis zum 30. September 2020 mit einer technischen Sicherheitseinrichtung tatsächlich zu versehen.

Eine Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) sagte, die schlimmsten Befürchtungen seien eingetroffen. «Wir wissen aus vielen Gesprächen mit betroffenen Händlern, Gastronomen und Unternehmen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft: Die Kunden nehmen die Bons nicht an.» Die Einrichtung und Anschaffung der Kassensysteme sei teuer. Zudem entstünden vermeidbare Abfälle.

Die Entscheidung zur Einführung der «Bonpflicht» sei am «grünen Tisch» getroffen worden, ohne die Realität zu kennen, sagte ein Sprecher der Handwerkskammer Halle. Auch in anderen Regionen des Landes beklagten insbesondere Geschäftsleute aus dem Lebensmittelhandwerk dass sich in den Filialen Bons stapelten. Die Belegausgabepflicht, wie die Bonpflicht offiziell heißt, habe die Unternehmen in einem ohnehin schweren Jahr angesichts der Corona-Krise zusätzlich belastet.

Die Umrüstung habe je nach Kassensystem zwischen 500 und 4000 Euro gekostet. «Für die Entsorgung der Bons fallen noch einmal weitere Kosten an», sagte Antje Bauer, Geschäftsführerin für Starthilfe und Unternehmensförderung bei der IHK Halle-Dessau. Zugleich betonte sie: «Es ist und bleibt natürlich im Interesse jedes ehrbaren Kaufmanns, wenn Steuerhinterziehung durch Manipulation von elektronischen Registrierkassen verhindert wird».

Dies dürfe aber nicht zu Lasten der übergroßen Mehrzahl der steuerehrlichen Firmen geführt werden. «Wenn wir darüber reden, wie der Staat der Wirtschaft etwa über ein Belastungsmoratorium nach der Krise weiterhelfen kann, die "Bonpflicht" gehört mit auf die schwarze Liste», sagte Bauer. Sinnvoll wäre es aus Sicht der IHK, eine Wertgrenze einzuführen. «Wenn für kleine Beträge kein Beleg ausgegeben werden müsste, würde das schon helfen». (dpa)


 

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