Nur wenige Frauen fragen nach Verdienst ihrer Kollegen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Nur wenige Beschäftigte nutzen ihr Recht, für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern nach dem Verdienst ihrer Kollegen zu fragen. Das zeigt der zweite Bericht, mit dem die Bundesregierung die Wirksamkeit des 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetzes überprüft hat. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) wertete den zuvor im Bundeskabinett beratenen Bericht am Mittwoch in Berlin als sehr ernüchternd und kündigte eine Novelle an.

Dem Gutachten zufolge hat die Mehrheit der Beschäftigten weder eine Auskunft verlangt noch plant sie, dies in absehbarer Zukunft zu tun. «Konkret geben 4 Prozent der Beschäftigten an, eine Auskunftsanfrage gestellt zu haben», schrieben die Autoren des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität Tübingen.

Durch das Gesetz können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Auskunft darüber verlangen, was andere Beschäftigte mit ähnlicher Arbeit verdienen. So soll die Bezahlung mit dem Lohn von Kollegen des anderen Geschlechts verglichen werden können. Gleiche oder gleichwertige Arbeit soll gleich bezahlt werden. Laut Statistischem Bundesamt verdienten Frauen 2022 im Schnitt 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer - wegen oft niedriger bezahlter Berufe und mehr Teilzeit. Aber auch bei vergleichbarer Tätigkeit waren es pro Stunde 7 Prozent weniger.

Gründe für die Zurückhaltung:

An mangelnder Relevanz des Themas Entgeltgleichheit liegt es nicht, dass so wenige nachfragen. 85 Prozent der Beschäftigten gaben laut dem Bericht an, dass das Thema für sie wichtig ist. Aber zwei Drittel wissen demnach nichts von ihren Auskunftsrechten - obwohl rund 86 Prozent der befragten Verantwortlichen in Betrieben und Dienststellen den Anspruch auf Auskunft kennen. Doch, so die Gutachter, Betriebe und Dienststellen würden den Auskunftsanspruch den Beschäftigten «nicht aktiv kommunizieren».

«Unter dem anderen Drittel sehen manche keinen Mehrwert in einer Auskunft, oder sie fürchten, dass ein Auskunftsersuchen von ihren Vorgesetzten negativ bewertet werden könnte», stellen die Gutachter fest. In einigen Betrieben wurde demnach auch nicht festgelegt, wer für die Beantwortung der Auskunftsanfragen verantwortlich ist - was Beschäftigte vom Nachhaken abhalten könnte.

Wirkung des Auskunftsrechts:

In seiner aktuellen Ausgestaltung hat der Auskunftsanspruch laut dem Evaluierungsbericht «keinen statistisch signifikanten Effekt» auf die Entgeltunterschiede. Allerdings: Wenn eine Auskunftsanfrage gestellt wurde und Unterschiede beim Einkommen auffallen, hat dies «in der Regel» auch Auswirkungen: So werde dann oft die Stellenbeschreibung geändert oder das bezahlte Einkommen erhöht. «Eine auffällige Auskunft hat also einen Einfluss auf das Entgelt.»

Prüfverfahren im Betrieb:

Das Gesetz sieht auch vor, dass Unternehmen freiwillig ihre Entgeltstruktur prüfen - aber seit 2019 haben dies nur knapp 30 Prozent der privaten Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten getan. «Viele Betriebe sehen keine Notwendigkeit zur Überprüfung oder bemängeln fehlende Anreize, Informationen, Hilfen oder
Ressourcen», so die Gutachter. Auch dieses vom Gesetzgeber beschlossene Instrument entfalte also «keine Wirkung im Sinne der Ziele des Gesetzes». Auch die vom Gesetz vorgesehenen Berichte zur Lohngleichheit haben viele Unternehmen nicht erstellt.

Gesetz soll verbessert werden:

«Das Entgelttransparenzgesetz verpufft weitgehend wirkungslos», sagte DGB-Vize Elke Hannack der Deutschen Presse-Agentur. An einer Weiterentwicklung führe kein Weg vorbei. Hannack erinnerte an die neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz, die viel Potenzial biete, mit den Defiziten des deutschen Gesetzes aufzuräumen. Arbeitgeber müssten verpflichtet werden, ihre betrieblichen Entgeltstrukturen regelmäßig zu überprüfen und Benachteiligungen abzustellen. IG-Metall-Vizechefin Christiane Benner forderte «eine Maßnahmenpflicht, wenn Verstöße gegen die Entgeltgleichheit festgestellt werden».

Paus kündigte eine Novelle des Gesetzes entsprechend den EU-Vorgaben an. Das Gesetz solle «bekannter und vor allem auch verbindlicher werden». Dabei solle die Geltung des Gesetzes anders als heute auch auf Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten ausgedehnt werden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die wirtschaftspolitischen Verwerfungen treffen die Unternehmen in Deutschland weiter hart. Bonitäts-Schlusslicht bleibt das Gastgewerbe. Auch wenn sich die Lage seit Corona leicht gebessert hat, bleibt die Kreditwürdigkeit bei Gastronomen deutlich eingeschränkt.

Das kommende Jahr 2026 bringt für Unternehmen in Deutschland im Durchschnitt 2,4 Arbeitstage mehr als das laufende Jahr 2025. Dies teilt das Statistische Bundesamt mit. Bundesweit wird die durchschnittliche Zahl der Arbeitstage 250,5 erreichen.

Neue Studienergebnisse zeigen einen deutlichen Wandel im Trinkgeldverhalten der Deutschen. Während es im Restaurant stabil bleibt, sinkt die Bereitschaft in anderen Dienstleistungsbereichen massiv.

Deutschland zählt so viele Firmenpleiten wie seit 2014 nicht - und trotz Konjunkturhoffnungen gibt es keine Entwarnung für das kommende Jahr. Die zahlenmäßig meisten Insolvenzen entfielen auf das Dienstleistungsgewerbe.

Die Zuversicht der Verbraucher in Deutschland bezüglich ihrer eigenen finanziellen Lage stagniert. Das aktuelle Postbank Stimmungsbarometer beleuchtet die Hauptsorgen der Bevölkerung und zeigt auf, wie die gestiegenen Kosten die Spar- und Konsumpläne beeinflussen.

Aktuelle Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass die Niedriglohnquote in Deutschland konstant bei 16 Prozent liegt. Besonders betroffen ist das Gastgewerbe, wo über die Hälfte der Jobs dem Niedriglohnsektor zuzuordnen sind.

Im Büro, auf der Bühne oder an der Maschine: Macht das einen Unterschied, wenn Medikamente die Leistungsfähigkeit einschränken? Und was passiert, wenn ein Fehler passiert? Fragen und Antworten.

Die anstehende Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro pro Stunde zum 1. Januar 2026 hat für das Gastgewerbe die größten Auswirkungen. Das geht aus einer neuen Studie des ifo Instituts hervor. Die Branche weist die höchste Betroffenheit auf und plant entsprechende Reaktionen auf den signifikanten Lohnkostenanstieg.

Kinder weltweit essen immer mehr hochverarbeitete Lebensmittel – mit gefährlichen Folgen für Gesundheit, Wachstum und Psyche. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Unicef-Analyse, die zusammenfasst, wie sehr sogenannte ultra-verarbeitete Produkte (UPFs) den Alltag von Kindern und Jugendlichen bestimmen.

Fit Reisen das Suchverhalten in den 200 größten deutschen Städten untersucht, um die tatsächliche Nachfrage nach Wellnessangeboten zu analysieren. Die Auswertung zeigt, dass dabei die Nähe zu Angeboten, regionale Gegebenheiten und das Einkommen entscheidend sind.