Vieles wird teurer: Sollten Mitarbeiter im Gehaltsgespräch mit der Inflation argumentieren?

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Miete, Strom, Lebensmittel, Versicherungen: Die hohe Inflationsrate in Deutschland lässt die Preise spürbar steigen. Wer beim Gehalt nicht nachbessern lässt, dem bleibt am Monatsende immer weniger übrig.

Immerhin jeder und jede fünfte (21 Prozent) nutzt bei Gehaltsverhandlungen mitunter das Argument, die Inflation ausgleichen zu wollen, zeigt eine Umfrage, die Yougov im November 2021 durchgeführt hat. Ist das wirklich aussichtsreich?

Verhandlungsexpertin Anja Henningsmeyer erklärt im Interview, warum sich das Argument schnell aushebeln lässt - und wie es besser geht.

Frage: Ist es klug, bei der Gehaltsverhandlung mit der Inflation zu argumentieren?

Anja Henningsmeyer: Die Inflation betrifft ja alle, auch die Materialeinkäufe Ihres Unternehmens. So würde Ihr Argument durch ein Gegenargument aufgehoben. Besser ist, wenn Ihre Argumentation auf sogenannten normativen Standards basiert: Werte, Prinzipien, Standards also, die Ihr Gegenüber teilt. Zum Beispiel eine branchenübliche Bezahlung, die Sie zuvor mit Vergleichswerten recherchiert haben.

Grundsätzlich gilt: Weniger Argumente ziehen besser als viele Argumente. Denn eine Verhandlung ist ja keine Diskussionsveranstaltung, in der eine unabhängige Diskussionsleiterin anhand besserer Argumente bestimmt, wer die Debatte gewonnen hat. Argumente führen zu Gegenargumenten - was für eine Verhandlung nicht unbedingt förderlich ist.

Idealerweise begründen Sie Ihre Forderung lediglich mit einem «weil»-Halbsatz. Und dieser Halbsatz enthält einen normativen und damit allgemeingültigen Standard: Sie möchten eine Gehaltserhöhung, weil Sie zum Beispiel zusätzliche Aufgaben übernommen haben oder weil das Lohnniveau in der Branche gestiegen ist.

Frage: Wie finde ich Argumente für eine Gehaltserhöhung, wenn ich mich damit schwertue?

Henningsmeyer: Vor jeder Gehaltsverhandlung steht die sorgfältige Vorbereitung: Was verdienen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in vergleichbarer Position in anderen Unternehmen Ihrer Branche? Zusätzlich zu monetären Forderungen nehmen Sie unbedingt auch geldwerte Zusatzleistungen in den Blick.

Horchen Sie in sich hinein, welche Elemente für Sie wünschenswert wären, die Ihren Arbeitgeber weniger oder nichts kosten und auch nicht am Personalbudget rütteln: zum Beispiel eine Bahncard, Dienstwagen oder -fahrrad, Prämien und Boni, Büroeinrichtung bis hin zur freieren Einteilung Ihrer Arbeitszeit.

Nehmen Sie immer ausreichend viele dieser Forderungen mit in Ihre Gehaltsverhandlung, falls Ihr Arbeitgeber im monetären Bereich nicht viel Spielraum anbietet. Bei Gehaltsverhandlungen geht es ja selten ausschließlich ums Geld. Es geht meist auch um die Aushandlung von Arbeitsbedingungen und des Arbeitskontextes. Hinzu kommt, dass Sie solche Zusatzleistungen oft nicht versteuern müssen.

Frage: In welchen Abständen sollte ich mit meinem Arbeitgeber über das Gehalt verhandeln?

Henningsmeyer: Eine allgemeingültige Regel gibt es dafür nicht. Grundsätzlich ist ein Jahresgespräch eine gute Gelegenheit, bei dem zumeist auch Ziele vereinbart werden, die an Monetäres geknüpft werden können.

Andere Gelegenheiten bieten sich, wenn Ihr Unternehmen ein wirtschaftlich gutes Jahr hatte, wenn Sie zusätzliche Verantwortungen oder Aufgaben übernommen haben oder wenn Sie einfach feststellen, dass es mal wieder an der Zeit ist, weil sich in den letzten zwei Jahren in der Hinsicht gar nichts bewegt hat.

Falls Ihr Arbeitgeber Ihnen nicht entgegenkommt, nehmen Sie das «Nein» als ein «Nein» der ersten Runde. Überlegen Sie nach der Verhandlung: Was habe ich übersehen, was ich beim nächsten Anlauf mit reinnehmen kann? Ändern Sie gegebenenfalls Ihre Strategie. Zum Beispiel, indem Sie mehr im Bereich der geldwerten Zusatzleistungen fordern.

Sollte sich allerdings auch nach mehreren Versuchen gar nichts bewegen, überlegen Sie, ob dieser Arbeitgeber für Sie der richtige ist. Ihre Loyalität und Motivation sollte dem Arbeitgeber auch etwas wert sein. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Atemwegserkrankungen setzen Beschäftigte besonders oft außer Gefecht, psychische Belastungen besonders lange. Doch sind Arbeitnehmer heute kränker als früher? Machen sie öfter blau? Oder gibt es andere Gründe?

Verträge auf Zeit können den beruflichen (Wieder-)Einstieg erleichtern, aber auch zur Belastungsprobe werden. Zwei Rechtsexpertinnen erklären, was bei Befristungen wichtig ist.

Der italienische Prosecco hat in den USA einen historischen Markterfolg erzielt. Neue Daten des Uiv–Vinitaly Observatory bestätigen: Der Schaumwein übertrifft Champagner in den amerikanischen Einzelhandelsumsätzen und wächst viermal schneller als der gesamte italienische Weinmarkt.

Ein gutes Arbeitszeugnis kann die Eintrittskarte für einen neuen Job sein. Auch wenn keine Note darunter steht, verraten die Formulierungen doch einiges. Wie so ein Zeugnis zu lesen ist.

Thüringen meldet einen leichten Rückgang bei Übernachtungen und liegt damit im bundesweiten Trend. Doch einige Regionen und Unterkünfte legen weiter zu.

Unentschuldigtes Fehlen oder wiederholtes Zuspätkommen kann zur Kündigung führen. Doch ab wann ist der Job wirklich in Gefahr? Eine Fachanwältin für Arbeitsrecht klärt auf.

Glücksspiel ist Teil des Alltags in vielen europäischen Ländern, nur die Regeln unterscheiden sich erheblich. Deutschland hat mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 einen Rahmen geschaffen, der Ordnung verspricht und gleichzeitig Diskussionen befeuert. Zu streng nach Meinung der einen, zu zaghaft im Vollzug nach Meinung der anderen.

Die saisonübliche Belebung des Arbeitsmarktes im September 2025 ist verhalten ausgefallen. Die Zahl der Arbeitslosen sank zwar, doch im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich eine deutliche Steigerung.

Der Tourismusboom in Brandenburg hat sich in den ersten sieben Monaten dieses Jahres etwas abgeschwächt. Wirtschaftsminister Keller sagte zu, die Rahmenbedingungen zu verbessern, indem zum Beispiel unnötige bürokratische Belastungen abgebaut würden.

Ein krankes Kind braucht Betreuung. Für berufstätige Eltern heißt das: Sie können nicht arbeiten. Doch wie lange dürfen sie fehlen? Und wer zahlt dann den Lohn? Was man dazu wissen muss.