Wo beginnt der Arbeitszeitbetrug?

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Frühzeitig einstempeln, einen Arzttermin vorschieben oder im Homeoffice nebenher privat im Internet surfen: Ein wenig Schummelei gehört bei manchen dazu, wenn es um die Arbeitszeit geht. Doch das kann mitunter schwerwiegende Folgen haben. Was Beschäftigte zum Thema Arbeitszeitbetrug wissen müssen. 

Was versteht man unter Arbeitszeitbetrug?

«Arbeitszeitbetrug liegt vor, wenn Beschäftigte wissentlich unrichtige Angaben zur geleisteten Arbeitszeit machen», sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Prof. Michael Fuhlrott für den Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA).

Ebenfalls von Arbeitszeitbetrug ist die Rede, wenn Beschäftigte die Arbeitszeitvorgaben bewusst unterlaufen – etwa, indem sie Ein- und Ausstempeln ohne eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht zu haben. «Auch wenn man elektronische Geräte zur Arbeitszeiterfassung manipuliert oder andere mit dem Ein- und Ausstempeln beauftragt, spricht man von Arbeitszeitbetrug», sagt die Juristin Josephine Klose von der Arbeitnehmerkammer Bremen.

Rechtliche Grundlage ist laut Fuhlrott vor allem der Arbeitsvertrag. Hiernach schulden Beschäftigte einen bestimmten Umfang von Arbeitsleistung, beispielsweise 40 Stunden pro Woche. Diese müssen Arbeitnehmende erbringen (das ist ihre Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis) – und auch korrekt dokumentieren (das ist ihre Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis).

Welche Grauzonen gibt es beim Arbeitszeitbetrug?

Graubereiche gibt es vor allem bei Vertrauensarbeitszeit und mobilem Arbeiten. «Auch kurze Raucherpausen oder private Telefonate dokumentieren viele nicht – hier kommt es auf Ausmaß, Häufigkeit und betriebliche Regelungen an», sagt Fuhlrott. 

Ein Beispiel: Wird es im Unternehmen etwa geduldet, dass man für Raucherpausen in moderatem Umfang nicht ausstempelt? Was ist, wenn der Arbeitnehmer sich einen Kaffee holt und mit einer Kollegin an der Kaffeemaschine einen 15-minütigen Plausch über den letzten Urlaub hält, also sich nicht über Arbeitsthemen austauscht? 

«Formal ist dies keine Arbeitszeit, sondern Pausenzeit», so Fuhlrott. Allerdings: Laut Josephine Klose dürften in den meisten Firmen Privatgespräche in aller Regel in geringem Umfang akzeptiert sein. Schließlich trügen sie zu einer guten Atmosphäre und auch zu einer besseren Arbeitsleistung bei.

Welche Tendenz zeigt sich vor Gericht? Können auch schon vermeintlich harmlose Schummeleien Folgen haben?

«Gerichte verharmlosen Arbeitszeitbetrug nicht», so Klose. Dabei ist ihr zufolge das Gewicht des Betrugs maßgeblich, und wie hoch der Grad des Vertrauensverlustes ist. Im Klartext: Auch kleinere Täuschungen können arbeitsrechtlich relevant sein, wenn diese das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erschüttern.

Fuhlrott verweist auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln: Das Gericht hatte bei einem Fahrscheinprüfer, der während der von ihm dokumentierten Arbeitszeit umfangreich private Erledigungen vornahm, nicht nur die fristlose Kündigung für wirksam erachtet. 

Die Richter verurteilten den Arbeitnehmer auch zum Ersatz der Detektivkosten in Höhe von knapp 20.000 Euro, die der Arbeitgeber nach entsprechenden Hinweisen verausgabt hatte, um den Arbeitnehmer zu überwachen und ihn des Arbeitszeitbetrugs zu überführen (LAG Köln, Urteil vom 11.2.2025 – 7 Sa 635/23).

Endet Arbeitszeitbetrug immer in einer fristlosen Kündigung?

Nein. «Andere mögliche Konsequenzen sind eine ordentliche Kündigung oder auch lediglich eine Abmahnung», sagt Klose. Welche Folgen ein Arbeitszeitbetrug hat, hängt unter anderem vom Umfang des Betrugs, aber auch von weiteren Faktoren wie der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab.

Denkbar sind auch Schadenersatzforderungen. «In gravierenden Fällen kann es auch strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrugs oder Urkundenfälschung geben, was aber in der Praxis sehr selten vorkommt», so Fuhlrott.

Wer muss den Betrug beweisen?

«Der Arbeitgeber muss in einem Gerichtsverfahren stichhaltig beweisen, dass ein Beschäftigter Arbeitszeitbetrug begangen hat», sagt Klose. Solche Beweise können etwa Zeugenaussagen, technische Protokolle oder Videoaufzeichnungen sein.

Welche Mittel sind erlaubt, wenn Arbeitgeber die Einhaltung der Arbeitszeit überprüfen wollen?

Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht anlasslos überwachen. «Es muss der begründete Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegen, wenn ein Arbeitgeber Detektive auf einen Arbeitnehmenden ansetzt oder Keylogger nutzt», so Klose. Ein Keylogger ist eine Software, mit der man an einem digitalen Gerät Tastatureingaben überwachen und aufzeichnen kann.

Unproblematisch ist es laut Fuhlrott, wenn Arbeitgeber eine offene und transparente Arbeitszeiterfassung gegebenenfalls auch mit technischer Unterstützung nutzen.

Was passiert bei unbeabsichtigtem Fehlverhalten?

Unabsichtliche Fehler – etwa durch versehentlich falsches Eintragen – führen in der Regel nicht sofort zu Sanktionen. «Entscheidend ist, ob ein Vorsatz erkennbar war und wie der Mitarbeitende mit dem Fehler umgeht», sagt Fuhlrott. Hier komme es auf eine Korrektur und eine offene Kommunikation an.

Es hängt auch davon ab, ob der Beschäftigte glaubhaft darlegen kann, dass es ein unabsichtlicher Fehler war. «Wer zum zweiten Mal vorgibt, vergessen zu haben, eine Raucherpause einzutragen, muss dem Gericht schon sehr genau erklären können, warum dies unbeabsichtigt erfolgt ist», so Fuhlrott. (dpa)


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