Worauf Arbeitgeber bei betriebsbedingten Kündigungen achten müssen

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Die nach wie vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen sorgen dafür, dass für Unternehmen mitunter kein Weg an betriebsbedingten Kündigungen von Mitarbeitenden vorbeiführt. Franz Orth, Fachanwalt für Arbeitsrecht am Nürnberger Standort der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun, erläutert, wie Unternehmen, die Arbeitsplätze abbauen müssen, solche Kündigungen rechtssicher und wirksam aussprechen und welche Möglichkeiten es gibt, betriebsbedingte Kündigungen gegebenenfalls zu vermeiden.

„Um notwendige Anpassungen im Personalbereich vorzunehmen und damit den wirtschaftlichen Fortbestand eines Unternehmens sicherzustellen, gibt es mehrere Möglichkeiten – und nicht alle davon umfassen automatisch Kündigungen“, sagt Orth. „Im ersten Schritt können Unternehmen die Zahl der Leiharbeiter verringern, die sie einsetzen oder die Einführung von Kurzarbeit prüfen, um in einem solchen Fall gegenzusteuern – idealerweise lässt sich so ein Personalabbau sogar vermeiden. Alternativ können Unternehmen beispielsweise Änderungskündigungen, Transfergesellschaften und Outplacement nutzen.“

Wenn kein Weg an betriebsbedingten Kündigungen vorbeiführt

Wenn betriebsbedingte Beendigungskündigungen nicht mehr zu vermeiden sind – etwa, weil Teams verkleinert werden müssen oder das gesamte Unternehmen saniert werden muss – ist es laut Orth maßgeblich, die genauen Bedingungen und den Umfang dieser Anpassungen mit den zuständigen Arbeitnehmervertretungen – also etwa einem Betriebsrat – zu besprechen. „Gerade bei einer größeren Anzahl an geplanten Kündigungen müssen die gewünschten Maßnahmen gemeinsam verhandelt, konkret ausgearbeitet und in einem sogenannten Interessensausgleich sowie einem Sozialplan vertraglich festgehalten werden“, erläutert der Arbeitsrechtsexperte.

Rechtliche Voraussetzungen erfüllen

Die unternehmerische Freiheit wird im deutschen Kündigungsschutzrecht erheblich zugunsten der Berufsfreiheit der Arbeitnehmenden eingeschränkt. Dabei ist jeder Kündigungstyp an recht klare rechtliche Vorgaben gebunden und der Arbeitgeber soll ab einer bestimmten Unternehmensgröße und Anzahl von Mitarbeitenden Arbeitsverträge nicht frei nach eigenem Ermessen kündigen können. „Erfüllt ein Arbeitgeber aber die rechtlichen Voraussetzungen, kann er Kündigungen wirksam aussprechen,“ sagt Orth. „Wichtig ist dabei, dass Unternehmen den im Kündigungsschutzrecht besonders bedeutsamen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Denn er prägt nicht nur die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern führt auch zu differenzierten Einzelfallbewertungen, die von der Rechtsprechung teils zu Gunsten der Arbeitnehmenden und teils zugunsten der Arbeitgeber angewendet werden.“

Das Risiko von unwirksamen Kündigungen reduzieren

Unternehmen sollten bei der Vorbereitung einer oder mehrerer betriebsbedingter Kündigungen unbedingt die rechtlichen Rahmenbedingungen inklusive der aktuellen Rechtsprechung im Blick behalten. Diese werden nicht nur für eine gegebenenfalls erforderliche Betriebsratsanhörung, sondern auch für spätere Gerichtsverfahren relevant. Um das Risiko von unwirksamen Kündigungen zu reduzieren, ist es daher immer lohnend, sich rechtliche Beratung und Unterstützung holen. „Denn eine unwirksame Kündigung ist für den Arbeitgeber in der Regel sehr kostspielig und kann im Ergebnis zudem organisatorisch aufwändig werden“, sagt Orth.

Neben der sozialen Auswahl der Mitarbeitenden, denen gekündigt werden muss, gehören zu den Faktoren für rechtssichere und wirksame Kündigungen auch die übrige Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie die Darlegung der dringenden betrieblichen Erfordernisse, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen. Ein größerer Personalabbau erfordert zudem eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit. „Fakt ist: Eine gute und sozialverträgliche Vorbereitung der Personalmaßnahme spart im Nachgang Zeit, Geld und Nerven – sowohl auf Seiten der Arbeitnehmenden als auch auf der Arbeitgeberseite“, fasst Orth zusammen.

Überalterung der Belegschaft vorbeugen

Ein weiterer Aspekt, den Arbeitgeber im Blick behalten müssen: Ein Personalabbau im Rahmen von Restrukturierungen, erst recht während eines Insolvenzverfahrens, kann die demografische Struktur eines Unternehmens substanziell verändern. Denn im Rahmen einer Sozialauswahl muss festgelegt werden, wer unter den vergleichbaren Arbeitnehmenden im Betrieb am wenigsten schutzwürdig ist. Die dafür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien der Sozialauswahl sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, etwaige Unterhaltspflichten und gegebenenfalls eine Schwerbehinderung beziehungsweise Gleichstellung. „Bei Anwendung dieser Kriterien gelangen Arbeitgeber oftmals zu dem Ergebnis, dass gerade jüngere Arbeitnehmende weniger schutzbedürftig sind und deshalb sie diejenigen sind, die bei betriebsbedingten Kündigungen zuerst ihren Arbeitsplatz verlieren. Allerdings kann, um einer Überalterung der Belegschaft vorzubeugen, die Sozialauswahl innerhalb von definierten Altersgruppen durchgeführt werden“, beschreibt Orth eine Möglichkeit, der Überalterung der Belegschaft bei betriebsbedingten Kündigungen vorzubeugen.

Individuelle Maßnahmenbündel schnüren

Wichtig: Mit der Altersgruppenbildung können – jedenfalls außerhalb eines Insolvenzverfahrens – gleichwohl nur bestehende Strukturen proportional erhalten werden. Sie ist grundsätzlich kein Mittel, um bei der Personalstruktur eine vom Status quo abweichende Struktur zu schaffen. Neben dem Ausspruch von Kündigungen können Unternehmen für eine Restrukturierung vielfältige Handlungsoptionen ergreifen. Dabei gilt: Es sollte immer das individuelle Maßnahmenbündel geschnürt werden, das für die Zukunft des konkreten Unternehmens am besten geeignet ist.


Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Menschen in Deutschland essen so viele Kartoffeln wie lange nicht. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist zuletzt von 55,7 auf 63,5 Kilo gestiegen. Dies ist der höchste Wert seit 2011/2012.

Muss man sich mit Schnupfen und Husten ins Büro schleppen? Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Wie Sie einen guten Umgang finden - auch im Kollegenkreis.

Durch erhöhte Anforderungen müssen Angestellte 22 Prozent ihrer Arbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten aufwenden. Dies geht aus einer Umfrage des ifo Instituts unter Führungskräften in Deutschland hervor.

Die Fluggesellschaften dürften nach einer Prognose ihres Dachverbands in diesem Jahr im Durchschnitt nur rund 6 Euro pro Passagier Nettogewinn machen. Passagiere müssten sich bei weiter wachsenden Kosten auf höhere Ticketpreise einstellen.

Der neue Bierkulturbericht der Brau Union Österreich beleuchtet die aktuelle Lage im Konsum- und Kaufverhalten der Menschen in Österreich: Alkoholfreies Bier, Bio-Bier und innovative Mehrweg-Gebinde liegen demnach voll im Trend.

Ob Reinigungshilfe oder Servicekraft im Restaurant: Viele solcher Arbeitskräfte machen das nur auf Minijob-Basis - und die meisten von ihnen sind Frauen.

Im laufenden Jahr sind die Gehälter vieler Tarifbeschäftigter kräftig gestiegen. Doch die Teuerung aus den vergangenen Jahren ist nur zum Teil wettgemacht.

Millionen Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten in Teilzeit - vor allem Frauen. Bisher werden sie bei Überstundenzuschlägen schlechter behandelt als Vollzeitbeschäftigte. Das muss sich jetzt ändern.

«Verplant bitte zeitnah alle Urlaubstage für das Jahr 2025.» Mit einer solchen Aufforderung vom Arbeitgeber können nicht alle Beschäftigten gut leben. Darf der Arbeitgeber das verlangen?

Die Beschäftigten in Deutschland haben im dritten Quartal 2024 so wenige Überstunden geleistet wie noch nie. Im Schnitt machte jeder und jede Beschäftigte demnach 3,3 bezahlte und 3,9 unbezahlte Überstunden.