Kommentar: Blindflug im Revenue-Management

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Blindflug im Revenue-Management - ein Kommentar von Karl-Heinz Kreuzig

Covid-19 hat die üblichen Prognosen und insbesondere das sog. Yield-Management bzw. seine Algorithmen  auf den Kopf gestellt. Die plötzliche Unzuverlässigkeit von historischen Daten, Trends und Ereignissen im Jahresverlauf  sind eine völlig neue Herausforderung für Revenue-Manager und ihre Plattformen wie z.B. „OTA Insight“. Wie wollen diese, sobald sich die Nachfrage erholt, mögl. Erträge und Renditen ohne die ihnen beigestellten Werkzeuge prognostizieren?

Die Antwort ist ebenso einfach wie arbeitsaufwendig. Dafür aber zuverlässig. Bis in die 80er erfasste man seine relevanten Jahresdaten auf Basis der tägl. Kassenabschlüsse nach Umsatz zuzüglich relevanter Parameter wie die tägl. Auslastung Temperatur, Wetter, Feiertage, Zahltag, Events im Haus und im Umfeld, Gästezahlen, Personaleinsatz, etc. auf Tages- und Monatsbasis in sog REKA-Büchern.

ReKa steht für Rekapitulation bzw. klassische Spaltenbücher, in denen  man die senkrechten Spalten in 12 Monate unterteilte und die waagrechten in 31. Tage + Summe gliederte. Excel geht auch.

Mit dem Aufkommen erster Großrechner in den 70-80ern wurden IT-Prognosen im Gastgewerbe wie z.B. die der Auslastung, möglich. Zur Kalkulation möglicher Logispreise, des mit der Auslastung verbundenen Personaleinsatzes, der Speise- und Getränkekarten etc. hinterlegte man als Bezugsgrößen die tägl. Auslastung, No-Shows, Rezepturen, Personaleinsatz, Krankenstände, Wetter etc. als sog. historische Daten und erfasste zwecks Tages-Kalkulation aktuelle Marktpreise wie z.B. Lebensmittel , Hilfskräfte oder Wetterprognosen automatisch.

Die aktuellen Tagespreise seiner Wettbewerber erfasste man über sog. Channel-Manager wie „Rate-Tiger“. Da die Kollegen nicht schliefen, korrigierte man dementsprechend seinen eigenen Logis-Preis an Orten wie New-York bis zu  12 x am Tag.

Schon damals wusste man, dass die Verlässlichkeit und Genauigkeit jeder Prognose ausschließlich auf der Basis historischer Daten, d.h. der Erfahrung eines gestandenen Oberkellners, beruht.

Im klassischen ReKa-Buch erfasste man bis dahin auf jeweils 2 Seiten ein volles Jahr jeder Abteilung, ob Logis, Bar, Restauration, Wellness od. Außenbereiche. Alles erkennbar mit einem Blick. Wollte man Tag-genau mit dem Vor- oder dem Vor-Vor-Jahreszeitraum vergleichen, blätterte man einfach ein oder zwei Seiten zurück.

Man muss sich daher fragen, worauf angebliche Yield-Algorithmen und sog. KI gründen? Denn Ihnen fehlt jede längerfristige lokale Basis zur Erstellung verlässlicher Prognosen, geschweige die Erfahrung des altgedienten Oberkellners oder Concierge.

Hinter KI stehen meist Start-Ups mit durchaus hellen Köpfen, die aber mangels praktischer Erfahrung und genauerer Kenntnis des Metiers lediglich versuchen, sich die Branche aus ihrer Sicht zu ertasten*. Die notwendige Weiterentwicklung Ihrer Ideen erfolgt dagegen äußerst schleppend oder nur gegen Entgelt auf Kundenwunsch, da man die hohen Entwicklungskosten erst einmal wieder einspielen muss.

Echte zuverlässige Prognosen, bedürfen dagegen einer umfassenden, individuellen und standortbezogenen Datenbasis von minimal 10-20 Jahre sowie vielfältiger exogener Parameter und sind damit per se ausgeschlossen. Alles andere ist Blindflug.

Erst mit der längerfristigen Erfassung der genannten historischen Daten werden zuverlässige Prognosen überhaupt erst möglich.

Solange die KI-Branche nicht einmal in der Lage ist, simple Fahrkarten-Automaten intuitiv bedienbar zu machen, ist es bis zu Prognosen im Gastgewerbe ohne die Erfassung individueller, historischer und lokaler Parameter noch ein sehr, sehr langer Weg.

Spätestens mit der Einführung elektronischer Kassen gerieten die klassischen Verfahren in Vergessenheit oder wurden durch nebulöse Versprechen bzw. als Algorithmen kaschierte Programme ersetzt.

Sicher sichert ein jeder seine Monats- und Jahresabschlüsse auf Speichermedien. Nur um seine historischen Daten überhaupt lesen zu können, muss man das aktuelle Programm vom Rechner od. der Kasse werfen, um die essentiellen Informationen überhaupt erst wieder lesbar bzw. erfahrbar zu machen.

Der mühsame Weg „back to the roots” dürfte mehr Erkenntnisse erbringen als KI und sog. Yield-Software zusammengenommen.

Immerhin bieten die polyglotten Wahrsager in Webinaren bereits dubiose „zukunftsgerichtete Daten“ an, „um dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein“.

Oder aber? Um mit ihrem Geschäftsmodell überhaupt noch im Geschäft zu bleiben?

Wie wollen Sie sich für den Wettbewerb und ein rigides Kostenmanagement rüsten?

* um fundiertes Fachwissen zu suggerieren bedienen sich die sog. Experten in ihren Werbetexten gar in der Branche weitgehend unbekannter Kürzel wie „OTB = On-the-Books für Umsätze“ bzw. „YOY = Year over Year für Jahresvergleichs-Zahlen“. Was will man vermitteln?


 

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