Recruitment im Wandel: Wie die Hotellerie jetzt reagieren muss

| Hotellerie Hotellerie

Gastbeitrag von Garry Levin von LHC International

Der Corona-Ausbruch und der Lockdown haben den Hospitality-Markt mit über 2 Millionen Beschäftigen in Deutschland besonders hart getroffen. Während die eher schwachen Monate um den Jahreswechsel herum in der Regel ab März eines Jahres wieder voll an Fahrt gewinnen, befindet sich das Hotel- und Gastgewerbe nunmehr seit über 6 Monaten auf dem absoluten Tiefststand. Im Mai 2020 meldeten 97% der Hotel- und Gaststättenbetreiber in Deutschland Kurzarbeit, die Zahl der Inlandsübernachtungen fiel auf ein Minus von 75% im Vergleich zum Vorjahr.

Hotelbranche muss mit Kündigungswellen rechnen

Diese Krise hat die Branche stärker getroffen als die Finanzkrise vor 10 Jahren und hat deutliche Auswirkungen auf das Recruiting. In den meisten Betrieben wurde ein Einstellungsstopp verhängt und durch die Zentralisierung administrativer Bereiche wird zudem versucht, die Kosten weiter zu senken. Die internationale Hotelkette Hilton etwa sieht sich gezwungen, 2.100 Mitarbeiter in der Zentrale zu entlassen, weitere Hotelmitarbeiter werden vermutlich folgen.

Finance-, M&A- und Digitalexperten in Hotelmarkt sehr gefragt

Das wirkt sich auf den Recruiting-Markt in der Hotellerie aus. Speziell im Managementbereich verlagert sich gerade grundlegend auf drei Bereiche: Mit Einbruch der Aufträge wurden vor allem die administrativen Bereiche zentralisiert, um Kosten einzusparen. Das hat die Nachfrage an kaufmännische Leiter und Finance Manager positiv belebt.

Die Hotelbranche hat außerdem längst verstanden, wie sehr sie von digitalen Prozessen profitieren kann. Sie sorgen nicht nur für Effizienz und höhere Produktivität, sondern vor allem auch für mehr Zufriedenheit durch ein verbessertes Kundenerlebnis. Offene Stellen für Fachkräfte mit digitaler Expertise waren ohnehin kaum von den Kürzungen durch den Lockdown betroffen und wir sehen hier weiterhin eine hohe Einstellungsbereitschaft seitens der Hotelbranche. 

Außerdem beobachten wir bei LHC International einen steigenden Bedarf an Fach- und Führungskräften mit Erfahrung im Change Management und M&A. Dieser Bedarf wird vor allem durch finanzstarke Unternehmen, Private Equity und Venture Capitals getrieben sein, die jetzt die aus ihrer Sicht günstige Kaufsituation nutzen und vermehrt im Hospitality-Umfeld investieren.

Umdenken bei der Personaleinstellung

Die Hotelbranche ist seit Jahren von einem akuten Fachkräftemangel betroffen. Die hohen Anforderungen und oftmals unausgeglichene Work-Life-Balance sind gerade für Berufseinsteiger immer weniger attraktiv.

Neue, talentierte Fachkräfte im Hotelbereich zu finden und für sich zu gewinnen war daher auch schon vor Corona oftmals ein Kraftakt, den viele Hotels nicht alleine stemmen konnten. Mittlerweile findet weitestgehend ein Umdenken statt, nicht zuletzt, weil das Recruiting aktuell nicht die oberste Priorität auf der Agenda hat.

So geht es unseren Auftraggebern nun nicht mehr darum, möglichst viele Kandidaten anzusprechen. Vielmehr liegt der Fokus darauf, schnell den passenden Kandidaten zu finden und einzustellen. Unsere Kunden schätzen, dass wir durch unser starkes Netzwerk und langjährige Erfahrung in der Hotelbranche diese Erwartung an Qualität und Schnelligkeit erfüllen können.

Wechselbereitschaft in andere Branchen steigt

Der Lockdown hat die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer in eine Art Schockstarre versetzt, die jetzt einem kritischen Hinterfragen der eigenen Ausrichtung weicht. So stellen wir in den Beratungsgesprächen mit zahlreichen Top-Führungskräften, General Manager, Vice Presidents oder Area Manager zwei Ansätze fest: Ein Teil der Fach- und Führungskräfte ist durch die Marktsituation sehr verunsichert und hält am aktuellen Job fest, obwohl sie sehr unzufrieden sind. Das gilt übrigens nicht nur für Fachpersonal in der Hotelbranche. Das stellen wir auch in anderen, von uns betreuten Märkten fest: Real Estate, Finance, Office- und sogar im IT-Bereich.

Der andere Teil denkt bereits offensiver und wägt Optionen eines Branchenwechsels ab. Da Bewerber aus der Hotelbranche als äußerst belastbare und motivierte Arbeitskräfte gelten, gelingt dieser Wechsel auch oft.

Unsicherheit am Markt erschwert Personalbedarfsplanung

Die Corona-Pandemie hat vor allem sehr viel Unsicherheit in den Recruiting-Markt getragen und die Planbarkeit des Personalbedarfs weitestgehend ausgehebelt.  Bisherige Recruiting-Strategien greifen in diesem Fall nicht mehr und die Unternehmenslenker müssen umdenken. Wer sich in Zukunft die besten Talente sichern und seinen Betrieb auf Erfolgskurs setzen möchte, der muss eine Recruiting-Strategie aufsetzen, die agiler, risikobereiter und effizienter ist.

Im ersten Schritt muss dafür gesorgt werden, dass Personalbudgets flexibler und schneller freigegeben werden. Je eher die während der Corona-Zeit offen gebliebene Vakanzen besetzt werden, umso besser. Denn sobald sich der Markt stabilisiert, wird sich der Kampf um die besten Mitarbeiter am Markt neu entfachen und verschärfen.

Zudem müssen die Entscheidungsprozesse für einen Kandidaten deutlich verkürzt werden. Zu lange Einstellungsdauern wirken sich besonders in unsicheren Zeiten im ohnehin schon stark umkämpften Fach- und Führungskräftemarkt als großer Nachteil aus. Nicht zuletzt muss die Recruiting-Strategie agiler ausgerichtet werden, um kurzfristige Anpassungen auf unerwartete Marktentwicklungen zu erlauben.

Chance auf ein besseres Arbeitgeberimage

Insgesamt betrachtet gibt die durch die Pandemie ausgelöste Situation der Hotellerie-Branche die Chance, das Image als Arbeitgeber zu rebooten und den Trend des Branchenwechsels talentierter Hotelfachkräfte umzukehren. Dafür müssen allerdings verstärkt digitale Prozesse eingesetzt und Quereinsteiger rekrutiert werden, die durch entsprechendes Onboarding schnell eingeführt werden.

Wenn das gelingt, wird die Hotellerie-Branche gestärkt aus der Krise gehen und sich als attraktiver Arbeitgeber in einer zukunftsträchtigen Branche positionieren. Denn die Lust am Reisen und dem kulinarischen Genuss ist uns Menschen trotz Corona nicht vergangen und der Gastro- und Hotellerie-Markt wird sich wieder erholen, davon bin ich überzeugt.

Über Garry Levin und LHC International

Garry Levin ist Gründer und CEO von LHC International, einer internationalen Personalberatung für Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Hospitality, Real Estate, Finance, Technology und Commercial. Das Unternehmen wurde von dem erfahrenen Personalexperten 2013 gegründet und betreut heute von den Standorten Berlin und Bangkok aus Kunden in über 23 Ländern.

www.lhc-international.com


 

 

 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Eine aktuelle Marktstudie vergleicht die Hotelstandorte am Starnberger See und Tegernsee und zeigt, wo Investoren und Betreiber die aktuell besten Perspektiven finden. Der Artikel beleuchtet die strukturellen Unterschiede in Angebot und Nachfrage sowie die jeweiligen Investorendynamiken der südbayerischen Destinationen.

Motel One plant mit 128 Zimmern, einer Skybar und einem Tagescafé den ersten Standort in der Bodenseeregion. Das 26 Millionen Euro teure Projekt in Bregenz soll 2029 eröffnen.

Die größte Hotelkette Skandinaviens, Scandic Hotels, hat ihren Expansionskurs in Deutschland fortgesetzt und am 1. Dezember ihr achtes Haus bundesweit eröffnet. Das Scandic Stuttgart Europaviertel liegt zentral in der Stadt und wurde umfassend renoviert.

Die Handwritten Collection setzt ihren Wachstumskurs fort und eröffnet mit dem Blooma Hotel Liège Centre ein neues Haus in Lüttich in Belgien. Das Hotel verfügt über 149 Zimmer, deren Gestaltung sich an den berühmten botanischen Gärten Lüttichs und der Vergangenheit des Gebäudes als ehemaliges Kloster orientiert.

Hyatt setzt im Luxussegment auf eine neue Führungskraft und ambitionierte Expansionspläne. Ein Fokus liegt auf dem internationalen Debüt der Wellness-Marke Miraval im Roten Meer sowie auf Neueröffnungen der Marken Park Hyatt und The Unbound Collection.

Die Luxushotelgruppe Four Seasons kehrt nach 20 Jahren in die deutsche Hauptstadt zurück. Das Unternehmen übernimmt in Partnerschaft mit dem europäischen Hotelentwickler Gruppo Statuto das Management des Hotel de Rome in Berlin-Mitte und wird es nach einer umfassenden Renovierung Ende 2027 als Four Seasons Hotel Berlin wiedereröffnen.

Das Fünf-Sterne-Resort Alpenhof Murnau am Staffelsee steht vor einem Eigentümerwechsel. Peter Inselkammer, Münchner Hotelier und Unternehmer, wird die Immobilie im neuen Jahr übernehmen. Der Betrieb des Resorts wird unter der bisherigen Leitung fortgeführt.

Die BWH Hotels Central Europe und die ipartment GmbH gehen eine neue Partnerschaft ein. Ziel ist es, neue Zielgruppen, Märkte und Marktanteile im Longstay-Segment in Deutschland und perspektivisch in Europa zu erschließen.

Die in Berlin ansässige Amano Group setzt ihren Expansionskurs fort. Das Unternehmen plant, bis zum Jahr 2028 insgesamt acht weitere Hotels zu eröffnen. Die derzeitige Zimmerkapazität soll durch die neuen Projekte um über 1.500 Zimmer erweitert werden.

Mandarin Oriental hat ihr erstes Haus in Österreich eröffnet und setzt auf die Verbindung von historischer Architektur, zeitgenössischem Design und einem breit gefächerten Kulinarik-Konzept.