Deutsche trinken so wenig Kuhmilch wie nie

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Schulmilch oder die beworbene Extra-Portion Milch: Jahrzehntelang hatte Kuhmilch hierzulande einen guten Ruf. In der Wirtschaftswunderzeit spiegelte sich die Wertschätzung im Werbeslogan «Milch macht müde Männer munter» wider und in den 80er Jahren in der Parole «Die Milch macht's», die kaum jemand in Frage stellte. Milch galt als besonders gesund, als gut für die Knochen zum Beispiel wegen eines hohen Kalziumgehalts. Heute dagegen hört man öfter, dass Leute sie nicht vertragen oder dass sie grundsätzlich bezweifeln, dass der Kälbertrank Menschen guttue. Stichwörter: Laktose-Intoleranz, Tierwohl. Auch in den Statistiken macht sich Kuhmilchskepsis breit, wie ein Blick in die Daten zum Tag der Milch (1.6.) zeigt.

Der Pro-Kopf-Verbrauch von Kuhmilch sinkt seit Jahren

Nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft ging der Pro-Kopf-Verbrauch von sogenannter Konsummilch im vergangenen Jahr in Deutschland auf durchschnittlich nur noch 47,8 Kilogramm zurück (minus 2,2 Kilogramm). Das ist der niedrigste Milchverbrauch seit Beginn der gesamtdeutschen Statistik im Jahr 1991. Im Jahr 1995 lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Konsummilch (was Vollmilch, entrahmte, teilentrahmte sowie Vorzugsmilch umfasst) noch bei knapp 62 Kilogramm. Vor zehn Jahren waren es dann schon nur noch 52 Kilogramm.

Als Grund für sinkenden Kuhmilchkonsum gelten Drinks wie Hafermilch

Als möglicher Grund für den Abwärtstrend wird der verstärkte Konsum pflanzlicher Alternativprodukte genannt. Sprich: von Hafer-, Soja-, Mandel-, Cashew-, Erbsen-, Kokosnuss- oder Pistazien-Drinks. Milchersatz darf in der EU nicht mit der Bezeichnung «Milch» in Verkehr gebracht werden, weshalb dann meist «Drink» auf der Packung steht, aber eigentlich alle trotzdem «Milch» sagen.

Vor allem Sojamilch galt vielen Leuten lange Zeit als verrückte Eigenheit von Veganern. Doch Produkte wie Hafermilch und Mandelmilch sind längst keine Nischenartikel mehr für Hardcore-Veganer oder Menschen mit Allergien oder Unverträglichkeiten.

Milchkritik kommt aus bestimmtem Milieu

«Kritik an der Milch ist mit Blick auf die Menschheitsgeschichte der letzten sieben- bis zehntausend Jahre ein sehr neues Phänomen», sagt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. Die Skepsis gegenüber Milch, die jahrtausendelang für Reichtum, gutes Leben und Gesundheit gestanden habe, gebe es verstärkt seit gut 30 Jahren und heute in erster Linie in der jüngeren Generation und in bestimmten Milieus, die oft fernab vom Land lebten, erläutert der Professor von der Uni Regensburg, der neben Geschichte auch Agrarwissenschaft studiert hat.

«Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Leitnarrativ bei vielen weg vom Rechts-/Links-Schema auf die Ernährung übertragen», sagt Hirschfelder. «Essen und Trinken haben eine Stellvertreterfunktion übernommen - mit dem groben Schema "Müsli ist Weltrettung" und "Steak steht für Selbstoptimierung".» Die Milch nehme dabei eine besondere Stellung ein und werde extrem aufgeladen. «Weiß sieht sie unschuldig aus, ist aber in den Augen vieler Leute schuldig. Milchviehbetriebe gelten manchen als reine Tierqualanstalten.»

Aus diesem Schuldkreislauf lasse sich dann aber recht bequem aussteigen. «Pfanzliche Milchalternativen tun nicht weh, lassen sich fast genauso wie Milch verwenden, sind hip und cool. Das Motto lautet dann oft "Ich verbessere die Welt und mich selber".»

Milch war wichtiger Schritt in Zivilisationsgeschichte

Historisch gehörten Ackerbau, Viehhaltung und auch Milchproduktion zur Sesshaftwerdung und seien eine wichtige Entwicklung der Zivilisationsgeschichte, betont Hirschfelder. «Unsere Sprache ist voll von positiven Bildern über Milch, man denke etwa an die Metapher vom "Land, in dem Milch und Honig fließen".» Bis ins 19. Jahrhundert hatten die meisten Menschen auch in unseren Breiten viel Kontakt mit Vieh und Nutztieren, sahen das Melken, waren von klein auf Experten.

Die heutige Milchskepsis gebe es in anderen Teilen der Welt wie China oder in den arabischen Ländern weniger, sagt der Professor. Aus Historikersicht sei sie eine Modeerscheinung und global gesehen noch kein Massenphänomen. Und ökologisch und ökonomisch sei auch Skepsis gegenüber hochverarbeiteten industriellen Nahrungsmitteln wie Hafer- und Mandelmilch angebracht. «Ist heimische Milch mit einem Butterbrot nicht vielleicht sogar besser als der Handel etwa mit Sojaprodukten?»

Die Sache mit dem Käse

Eine besondere Beobachtung hat Hirschfelder bei einem wichtigen Milchprodukt gemacht. «Käse ist schlechter zu ersetzen als Milch. Dessen Fett, Protein, Geschmack und Eigenheit ist mit Tofuwürfelchen überm Salat oder auch bei Pizza und Auflauf kaum kopierbar.»

Die Statistik zeigt denn auch: Auch wenn es Imitate gibt (Stichwort: Analogkäse), echter Käse ist populärer geworden in den letzten Jahren. In den 80er Jahren lag der Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr nur um die 14 Kilogramm, im Jahr 2000 bei rund 21 Kilogramm. Im letzten Jahr blieb der Käsekonsum konstant bei mehr als 25 Kilogramm. (dpa)


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