Essen aus Luft und Sonne: Proteinpulver aus CO2 als Problemlöser?

| Industrie Industrie

Das Pulver ist senfgelb und erinnert an gemahlene Kurkuma. Aber Solein, wie die staubfeine Erfindung heißt, ist keine Pflanze und auch kein Gewürz. Vielmehr handelt es sich um ein Proteinpulver zur Ergänzung von Nahrungsmitteln, das aus Luft, Mikroben und Solarenergie hergestellt wird - und künftig als Grundlage für den Ersatz von Fleisch und andere Lebensmitteln dienen soll. Ziel des finnischen Start-ups Solar Foods ist es, mit seinem quasi aus dem Nichts erschaffenen Produkt die globale Ernährungsversorgung zu revolutionieren und gleichzeitig das Klima zu schützen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? In Singapur soll das Pulver bereits 2024 auf den Markt kommen - es wäre das erste Land der Welt.

Solein braucht keine Landwirtschaft und wird gleichzeitig als Ersatz für Eiweißlieferanten wie Fleisch, Milch, Sojabohnen oder Linsen gepriesen. Eine neuartige Alternative zu tierischem oder pflanzlichem Eiweiß also. Nach Unternehmensangaben enthält es 65 bis 70 Prozent Eiweiß, 10 bis 15 Prozent Ballaststoffe, 5 bis 8 Prozent Fett und 3 bis 5 Prozent Mineralstoffe sowie Eisen und B-Vitamine. Den Geschmack von Lebensmitteln ändert es offenbar kaum: Dem Pulver wird ein zarter Umami-Geschmack nachgesagt, was oft mit «würzig» verglichen wird.

Aber wie funktioniert das? «Im Grunde so wie eine Brauerei», sagt Pasi Vainikka, Mitgründer und Geschäftsführer von Solar Foods, der Deutschen Presse-Agentur. Das Verfahren ähnele dem Fermentationsprozess, der zur Herstellung von Wein oder Bier verwendet werde. Aber anstelle von Zucker ernährten sich die Bakterien unter Einsatz von erneuerbarem Strom vor allem von Kohlendioxid, gelöstem Wasserstoff und Stickstoff. Damit würden sie «gefüttert», um Aminosäuren, Vitamine, Fette und Kohlenhydrate zu bilden. «Wenn es an der Zeit ist, das Solein zu ernten, wird das überschüssige Wasser entfernt und es wird zu einem proteinreichen Pulver getrocknet, ohne dass dabei Pflanzen oder Tiere geschädigt werden», heißt es auf der Webseite.

Was aber sind die Vorteile gegenüber der Landwirtschaft? «Die konventionelle Lebensmittelproduktion verschwendet Ressourcen wie Wasser, Chemikalien und Tierfutter in einem nicht nachhaltigen und unvernünftigen Ausmaß», schreiben die finnischen Tüftler. Für ihr Produkt werde nur ein Bruchteil dieser Ressourcen benötigt, um die gleiche Menge Eiweiß zu gewinnen. Das Verfahren sei auch 20-mal effizienter als die Photosynthese, mit der Pflanzen Energie in Nahrung umwandeln.

Die erste Solein-Fabrik entsteht gerade im finnischen Vantaa. Die kommerzielle Produktion soll voraussichtlich im kommenden Jahr beginnen. «In Singapur wird es dann in ausgewählten Restaurants angeboten werden», sagt Vainikka. Zuerst noch in limitierter Form, bis die Produktion richtig in Gang komme. Die südostasiatische Wirtschaftsmetropole sei der «perfekte Hub», um das neue Produkt zu testen, ist Vainikaa überzeugt. Dass die behördliche Genehmigungszeit kürzer gewesen sei als in anderen Ländern, habe schlicht mit der großen Effizienz des Stadtstaates zu tun. Solar Foods erwarte aber, dass andere Märkte bald folgen werden, darunter die Europäische Union, Großbritannien und die USA.

Das nordische Jungunternehmen ist nicht das einzige, das die Lebensmittelindustrie dank nachhaltiger Cleantech-Produkte revolutionieren will. Ähnlich arbeitet die Firma Air Protein aus den USA, die statt eines Pulvers fertige Fleischersatzprodukte herstellt, ebenfalls mittels «Luft-Fermentation». Das britisch-niederländische Start-up Deep Branch hat «Proton» entwickelt - ein proteinreiches Pulver aus CO2 für die Tierfutter-Industrie.

Die Macher ließen sich vom Raumfahrtprogramm der Nasa in den 1970er Jahren inspirieren: Bereits damals suchten Forscher nach einem Weg, Elemente in der Luft, die die Astronauten einatmeten, in Protein umzuwandeln. Der Prozess wurde ad acta gelegt und vergessen - bis jetzt.

Bei all diesen innovativen Ansätzen geht es ums Eiweiß und um Alternativen gerade zu tierischen Produkten, die ganz oben auf der Liste proteinreicher Lebensmittel stehen - vor allem Milchprodukte, Eier und Fleisch. «Protein ist ein wichtiger Makronährstoff und ein wesentlicher struktureller Bestandteil unserer Zellen», erklärt Kim Jung Eun vom Department für Lebensmittelwissenschaften und -technologie der Universität Singapur.

Eiweiß ist für den Körper sehr wichtig: Da dieser keinen Eiweißspeicher besitzt, müssen die Zellen regelmäßig mit dem Makromolekül versorgt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Erwachsenen unter 65 Jahren eine Zufuhr von täglich 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht. Benötigt wird Eiweiß unter anderem zum Aufbau von Muskeln, Knochen, Haut und Haaren, aber auch von Enzymen und Hormonen sowie für ein gesundes Immunsystem. Vegetarier und Veganer greifen vor allem auf Hülsenfrüchte, Gemüse wie Brokkoli, Chia-Samen oder Quinoa als Eiweißlieferanten zurück.

«Schon heute ist die Proteinversorgung in vielen Regionen der Welt nicht gewährleistet, Klimawandel und Bevölkerungswachstum werden dieses Problem weiter verschärfen», sagt Proteinforscherin Isabel Muranyi vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung in Freising. «Ich denke, der konventionelle Anbau sollte in Zukunft verstärkt durch geschlossene Systeme ergänzt werden.» Vorteile von Bakterien im Vergleich zu Mikroalgen seien die hohe Produktausbeute und die klimaunabhängige Herstellung. Gefahren solcher Techniken sehe sie nicht, solange sichergestellt sei, dass keine giftigen Stoffe entstünden. Menschen mit Neigungen zu Allergien sollten aber vorsichtig sein.

Eiweiß, das aus Luft und Ökostrom entsteht, ist etwas ganz Neues. In der Lebensmittelindustrie ist einiges in Bewegung - ob dies die Ernährung der Welt wirklich revolutionieren wird, bleibt abzuwarten.


Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Intergastra 2026 setzt einen Schwerpunkt auf die Gemeinschaftsverpflegung. Angesichts des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung rücken neue Konzepte, Kooperationen und Food-Trends in den Fokus.

Weniger Anbaufläche, noch mehr Qualität: Das hessische Staatsweingut bei Eltville will mehr Große Gewächse pflanzen und den Export bis nach China steigern. Wie groß ist sein Defizit?

Pressemitteilung

Man sieht sie immer häufiger in Hotels: Glasflaschen. In den Zimmern, im Restaurant oder an einer Wasserzapfstelle. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie sind schön, praktisch und passen gut zu unserem heutigen Umweltbewusstsein. Aber was macht eine solche Glasflasche eigentlich so praktisch? Und wann genau verwendet man sie?

Pressemitteilung

Vom 1. bis 3. Dezember 2025 verwandelt sich das JW Marriott Berlin in das Zentrum für nachhaltige Innovation. Beim GreenSign Future Lab kommen über 300 Entscheider und 60 Speaker aus Hotellerie, Gastronomie und Touristik zusammen, um Zukunft aktiv zu gestalten.

Pressemitteilung

Nach der erfolgreichen Premiere im März 2025 startet die 370GRAD vom 13. bis 16. März 2026 im Empire Riverside Hotel in Hamburg in die zweite Runde. Die Business-Plattform für Entscheider aus Hotellerie, Gastronomie und Catering ist Impulsgeber für Innovation, Qualität und Networking auf höchstem Niveau.

Anzeige

Vom 1. bis 3. Dezember 2025 trifft sich die Hospitality im JW Marriott Berlin, um Zukunft neu zu denken. Über 60 Speaker, 40 Sessions und fünf Bühnen voller Ideen: Das GreenSign Future Lab zeigt, wie Nachhaltigkeit, KI und Innovation in der Praxis zusammenfinden. Mit echten Begegnungen, starken Impulsen und messbarem Mehrwert für Hotellerie und Gastronomie.

Pressemitteilung

Die Independent Hotel Show Munich 2025 hat Maßstäbe gesetzt: Von einer Messehalle auf zwei, rund 66 Prozent mehr Fläche, eine zusätzliche Bühne, ein neuer Award und merklich mehr Besucher - die zweite Ausgabe des Branchentreffs zeigte vergangenen Mittwoch und Donnerstag, wie dynamisch die unabhängige Hotellerie im deutschsprachigen Markt aufgestellt ist.

Niedersachsens Landwirte ernten den ersten Grünkohl der Saison. Kunden müssen sich dieses Jahr jedoch auf etwas höhere Preise einstellen. Zudem wird mit weniger Ertrag als noch im Vorjahr gerechnet.

Italiens Finanzpolizei hat Aktien des weltweit tätigen Spirituosenkonzerns Campari im Wert von annähernd 1,3 Milliarden Euro beschlagnahmt. Hintergrund sind Vorwürfe, dass bei Geschäften im Ausland in großem Stil Steuern hinterzogen worden seien.

Pressemitteilung

Am 1. und 2. März 2026 steht die dritte Ausgabe der EUROVINO in der Messe Karlsruhe an: Potenzielle Besuchende können sich schon jetzt ihr Ticket für das Messewochenende buchen und vom Frühbucherrabatt bis Ende Dezember profitieren, potenzielle Ausstellende jederzeit ihren Standplatz sichern!