Keine Scheu vor Piwis - Nachfrage nach neuen Rebsorten boomt

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Neustadt an der Weinstraße (dpa/lrs) - Schwer hängen die Trauben der Rebsorte Sauvignac im Weinberg von Edgar Klohr. Die leicht rosafarbenen Beeren sind die Früchte einer 2014 gezüchteten Kreuzung aus Riesling und Sauvignon Blanc mit einer amerikanischen Wildrebe. Solche pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, kurz Piwi genannt, hatten es lange Zeit schwer. Aber jetzt boomt die Nachfrage nach diesen Sorten, die deutlich weniger anfällig gegen Krankheiten wie Falscher Mehltau (Peronospora) oder Grauschimmelfäule (Botrytis) sind. Ein Grund sind die Pläne der EU, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren.

«Das ist die robusteste Piwi-Sorte», sagt der pfälzische Winzer in Mußbach, einem Stadtteil von Neustadt an der Weinstraße. «Aber es gibt keine Reben mehr, Lieferzeit bis 2024. Die Piwis sind alle ausverkauft.»

In der Branche galten Piwi-Weine lange als schwer verkäuflich - wegen der unbekannten Rebsorten-Namen auf dem Etikett. Inzwischen weiche die anfängliche Scheu einer zunehmenden Neugier, sagt Klohr. Schon gibt es erste Piwi-Weine im Supermarkt. Und die Branche entwickelt neue Ideen zur Vermarktung. So haben etwa die rheinhessischen Winzerinnen Eva Vollmer und Hanneke Schönhals eine Initiative für «Zukunftsweine» gestartet, so werden die Weine auch auf dem Etikett benannt.

Nur einen Kilometer vom Weingut Klohr entfernt forscht Ulrich Fischer am Weincampus Neustadt zu den Piwis und erklärt das Konzept für die Kreuzungen: «Amerikanische und asiatische Wildreben sind pilzresistent, aber haben eine schlechte Weinqualität - bei den europäischen Reben ist das umgekehrt.» Zusammen mit den Rebzüchtern auf dem Geilweilerhof in Siebeldingen (Kreis Südliche Weinstraße), einer Einrichtung des Julius-Kühn-Instituts (JKI), will er erkunden, was die genetischen Marker für bestimmte Weinaromen sind. «Wir versuchen, die genetische Basis für Weinqualität herauszufinden.»

Inzwischen gebe es viele Piwi-Sorten, die in der Qualität mit klassischen Rebsorten mithalten könnten, erklärt der Wissenschaftler, der die Abteilung für Weinbau und Oenologie am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) leitet. Eine weitere Steigerung sei durchaus möglich - schließlich gibt es beim Riesling eine jahrhundertelange Erfahrung beim Anbau wie in der Fassreife, während die Winzerinnen und Winzer diese Erfahrungen zumindest bei der neuen Generation von Piwi-Sorten erst seit wenigen Jahren sammeln. «Piwis haben das Potenzial, zu echten Stars zu werden.»

Bei der sehr zeitaufwendigen Entwicklung neuer Rebsorten streben die Züchter auch eine weitere Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Erkrankungen an. Mit den jetzt verfügbaren Piwis könnten etwa 80 Prozent der Pestizide eingespart werden, sagt Fischer. «In 15 Jahren sind wir vielleicht so weit, dass wir gar nicht mehr spritzen müssen.»

Schon jetzt sei die CO2-Bilanz im Piwi-Weinbau wesentlich besser als im traditionellen Anbau, sagt der Rebveredler Reinhard Antes in Heppenheim an der Hessischen Bergstraße. Wenn die Winzer weniger oft zum Spritzen in den Weinberg fahren, verbrauchen sie weniger Diesel. Antes verkauft mehr als 400 Rebsorten, darunter auch 75 Piwis, und exportiert die veredelten Reben in 40 Ländern. «Jetzt erleben wir so etwas wie einen Durchbruch bei den Piwis.»

Im Anbau liegen die Piwi-Rebsorten bundesweit erst bei etwa drei Prozent - der Riesling belegt hingegen 23,5 Prozent der bestockten Rebflächen. Den Verkaufsanteil von Piwi-Rebsorten im eigenen Betrieb gibt Antes für dieses Jahr aber bereits mit 32,2 Prozent an. «Der Überflieger ist Souvignier gris», sagt der Rebveredler. Die 1983 am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg gezüchtete Sorte ähnelt geschmacklich dem Grauburgunder, der in Handel und Gastronomie sehr gefragt ist.

In Rheinhessen hat der Winzer Martin Koch vom Abthof in Hahnheim schon 2007 die ersten Piwi-Rebsorten gepflanzt. «Die Erfahrungen in diesen Jahren haben zur Qualitätssteigerung beigetragen, da ist ein deutlicher Sprung drin.» Inzwischen wachsen die Piwis auf 30 Prozent seiner insgesamt 17 Hektar großen Rebflächen, die nächsten beiden Anbauflächen sollen ebenfalls mit den klimafreundlichen Rebsorten bestockt werden, wie der Winzer sie nennt. «So langsam nimmt das richtig Fahrt auf.» Wegen der knappen Liefermöglichkeiten ist er froh, «dass ich Souvignier gris schon früh gepflanzt habe - mit ihrer Vielschichtigkeit und Tiefe habe diese Weine großes Potenzial.»

In weit größeren Dimensionen werden Piwi-Rebsorten auch beim Sekt-Marktführer Rotkäppchen eine Rolle spielen. Das Unternehmen hat sich in Zusammenarbeit mit mehreren Winzern in Rheinhessen eine Anbaufläche von 100 Hektar gesichert. «Besonders wichtig ist es uns, eine langfristige Verbindung mit den teilnehmenden Winzern eingegangen zu sein, damit wir gemeinsam die Zukunft des Weinanbaus aktiv gestalten», sagt die Leiterin der Forschung und Entwicklung bei Rotkäppchen-Mumm, Tanja Rosenthal. Aus einer Vorauswahl von mehr als 20 Piwi-Rebsorten seien zwei Weißwein-Rebsorten für den Sektgrundwein ausgewählt worden – «unsere Sektrebsorten der Zukunft».

Zunehmende Wetterextreme und eine Reduzierung von chemischen Pflanzenschutzmitteln um 50 Prozent bis 2030 stellten Erzeuger vor Herausforderungen bei der Bekämpfung von Pilzbefall an Weinreben, erklärt das Sekthaus mit Sitz in Freyburg in Sachsen-Anhalt. «Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind eine sinnvolle Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen.» (dpa)


 

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