Schwieriger Start für Wein aus dem Norden

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Wartet die Welt auf niedersächsischen Wein? Vermutlich nicht, aber er ist eine originelle Alternative. Und gar nicht so selten: Immer mehr Landwirte besinnen sich angesichts des Klimawandels und schwer kalkulierbarer Schäden von Extremwetter, Trockenheit oder Überschwemmungen auf die Reben - und probieren es aus, künftig auch Trauben anzubauen. Mancher sieht es als Hobby an, aber eines eint sie: Irgendwann würden sie schon gerne Geld mit dem guten Tropfen aus dem Norden verdienen. Davor aber hat der Gesetzgeber das Weingesetz gestellt, und das sieht ein niedersächsisches Landweingebiet bisher nicht vor. Der Wein darf also nicht regional gekennzeichnet sein, sondern nur als deutscher Wein. Das ärgert die Neu-Winzer.

Ortstermin in Burgdorf bei Hannover, im vielleicht unwahrscheinlichsten Weinbaugebiet der Republik, neben Ostfriesland und der Ostsee: Es ist tatsächlich ein Weinberg, jedenfalls im Rahmen der niedersächsischen Möglichkeiten. Denn der Hang des Allerbergs im Burgdorfer Ortsteil Ramlingen hat ein Gefälle von einem Prozent, mehr ist im norddeutschen Flachland einfach nicht drin. Aber: «Es ist ein Hang», betont Landwirt Gerald Meller. Der 62-Jährige hat zusammen mit dem 58 Jahre alten Agrarwissenschaftler und Vertriebsleiter eines Energieunternehmens, Matthias Färber, den rund 5500 Quadratmeter großen Weinhang mit etwa 2000 Reben angelegt. «Es ist ein Hobby», erklärt Färber - um eine Familie zu ernähren, sei mindestens die 20-fache Fläche notwendig. In das Hobby allerdings investierten sie eine fünfstellige Summe.

Umso ärgerlicher, dass die gesetzlichen Regelungen die Vermarktung und Etikettierung des niedersächsischen Weins erschweren, wie Färber erklärt. Denn nach dem neuen Weingesetz dürften die norddeutschen Winzer eben nicht aufs Etikett schreiben: «Ramlinger Allerberg». Sondern allenfalls: Deutscher Wein. Das ist die unterste Stufe, die nächste wäre Landwein - das dürfen sie aber auch nicht schreiben, weil Niedersachsen kein offizielles Weinbaugebiet ist.

Meller hat seinen Betrieb schon 1991 auf biologischen Anbau umgestellt, er baut Kartoffeln an - kein ganz üblicher Weg für einen Jung-Winzer. Färber betont: «Wenn wir das machen, dann soll es Öko-Weinbau sein. Umweltschutz ist mir wichtig.» Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wollen beide möglichst vermeiden. Angebaut haben sie die pilzwiderstandsfähigen weißen Rebsorten Johanniter und Helios, sogenannte Piwis - außerdem eine rote Piwi-Sorte Cabaret Noir, offiziell als Versuchsfläche gekennzeichnet.

Der Boden spiele im Biolandbau eine wichtige Rolle, hier sei es Sandboden, erklärt Färber. Aber Wein sei anspruchslos, nur Staunässe vertrage er nicht. Allerdings brauche er Feuchtigkeit, doch während es am Allerberg im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte 750 bis 790 Millimeter Niederschlag gegeben habe, seien es im vergangenen Jahr 420 Millimeter gewesen. Meller bestätigt dies - das Klima ändere sich, auch die Sonnenstunden würden mehr, der Grundwasserspiegel sinke. So seien im vergangenen Jahr 230 Rebstöcke vertrocknet. Die Lösung: eine Beregnungsanlage.

2019 habe es den ersten eigenen Wein gegeben, fruchtig und trocken sei er gewesen, sagt Färber, der auch ein ausgebildeter Winzer ist. Gekeltert werde der Wein nicht in Niedersachsen, sondern in Rheinland-Pfalz - die Investitionen in die nötigen Anlagen seien «sehr hoch». 4000 Flaschen seien am Ende angepeilt, im vergangenen Jahr, dem dritten Standjahr, waren es 1500. Auf den Erfolg ist Meller stolz - nach einem Tag sei der Wein komplett ausverkauft gewesen.

Nach Angaben des niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dürfen im laufenden Jahr landesweit 38 Menschen professionellen Weinanbau betreiben. Die Zahl der genehmigten Rebfläche sei seit 2016 auf rund 32 Hektar angewachsen. Das norddeutsche Flächenland erhielt am 27. September 2016 erstmals Weinbaurechte. «Es werden mehr Winzer werden», meint Färber. Der Grund: Der Klimawandel, der dafür sorge, dass vor allem viele kleinere Betriebe nicht mehr lukrativ arbeiten könnten. Färber macht klar, dass sich die Klimazone für Weinanbau in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren um 400 Kilometer nach Norden bewegt hat - die Bedingungen für Weinbau im Norden seien daher «durchaus realistisch».

Nicht alle Neu-Winzer in Niedersachsen setzen auf Bioanbau. «Aber wir machen es mit gutem Gewissen», sagt Jan Brinkmann, Winzer aus Bad Iburg im Landkreis Osnabrück und Vorsitzender des niedersächsischen Weinbauverbandes. Wein sei für seinen Betrieb die Antwort auf den Klimawandel, erklärt er. Kein Wunder, wenn «mir im Ackerbau drei Jahre der Weizen vertrocknet». Allerdings müsse der niedersächsische Wein regional noch bekannter werden, auch wenn das Interesse der Verbraucher groß sei. Weniger groß sei die Vorbildung - die Menschen in Niedersachsen trinken aus seiner Sicht eher Bier.

Das Weingesetz kritisierte Brinkmann scharf: «Dann ist nicht mehr Qualität entscheidend, sondern die Herkunft.» Denn selbst wenn sein Wein Spätlesequalität erreiche, dürfe er das nicht auf das Etikett schreiben, ebenso wenig die Herkunft des Weines aus dem Teutoburger Wald - nur seine Adresse, die «muss drauf». Die Regelungen seien kompliziert, obwohl sie mehr Klarheit für Verbraucher bringen sollten: «Selbst ich als Winzer verstehe es nicht.» Zwar sei ein niedersächsisches Weinbaugebiet das Ziel. Aber: «Das sehe ich noch in weiter Ferne.»

Genau das bringt Helmut Bäßmann auf die Palme. Der 56 Jahre alte Landwirt baut zusammen mit dem IT-Experten Günter Depke (64) in Meitze, einem Ortsteil von Wedemark in der Region Hannover, auf knapp zwei Hektar Fläche Wein an. Die angebauten Sorten sind Solaris und Grauburgunder. «Der Klimawandel ist das, was uns hier in der Region in die Karten spielt», sagt Depke. Ein Hindernis dagegen ist nach Bäßmanns Einschätzung das Weingesetz - und der niedersächsische Weinbauverband sei «etwas träge»: Der Verband müsse sich einsetzen und um die Rechte der Winzer kämpfen - und um die Ausweisung Niedersachsens als Weinbaugebiet, fordert er. «Der Verband muss Gas geben, aber es ist nichts passiert.»

Dabei geht es nicht allein darum, dass aus dem Etikett auf der Flasche hervorgeht: niedersächsischer Wein. Obwohl: «Das ist für uns schon wichtig», betont Depke. Denn die Menschen wollten Wein als regionales Produkt, eine Hotelkette habe bereits um ein Probierpaket und eine Preisliste gebeten - allerdings werde es erst 2022 die erste kleine Lese geben. Und: Der Weinbau soll für die niedersächsischen Winzer keine Liebhaberei bleiben, er selbst will die Anbaufläche erweitern, wie Bäßmann klarmacht. «Das Ziel ist ganz klar, dass wir beiden was verdienen.» (dpa)


 

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