Ausgleich für „Sonderopfer“: Gastgewerbe erhöht den Druck auf die Politik in Berlin

| Politik Politik

Nach einem Jahr Corona ist die Not im Gastgewerbe riesig. Ende März befindet sich die Branche seit Beginn der Pandemie insgesamt sieben Monate im Lockdown. Viele Betriebe wie Discotheken und Clubs sind seit einem Jahr durchgehend geschlossen.

„In der Branche wachsen Verzweiflung, Wut und Zukunftsängste dramatisch“, sagt Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband). Mit Blick auf den Bund-Länder-Gipfel am 22. März fordert Zöllick einen konkreten Fahrplan zur sicheren und verantwortungsvollen Öffnung der Betriebe sowie schnelle und verbesserte Hilfszahlungen. „Wenn die Politik dem Gastgewerbe erneut ein Sonderopfer abverlangt, damit andere Wirtschaftszweige sowie Schulen und Kitas geöffnet bleiben können, müssen die finanziellen Ausfälle entschädigt werden. Die Hilfen sind aufzustocken und zu verlängern.“

Corona-Krise trifft Gastgewerbe und seine Partner besonders hart

Restaurants und Hotels verzeichnen im Zuge der Corona-Krise nie dagewesene Umsatzverluste. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts brachen die Umsätze im Jahr 2020 real um 39,0 Prozent ein. Wie aus einer Umfrage des DEHOGA vom 9. März hervorgeht, beklagen die Betriebe seit 1. März 2020 bis heute Umsatzeinbußen von 63,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Februar 2021 sank der Umsatz laut Angaben der 6.500 Umfrageteilnehmer um 77,9 Prozent. „Die Konten sind leer, die Rücklagen sind aufgebraucht, die Nerven liegen blank“, erklärt Zöllick. „Die Angst der Betriebe vor dem endgültigen Aus nimmt zu.“ 72,2 Prozent der Unternehmer bangen um ihre Existenz. Jeder Vierte (24,8 Prozent) zieht konkret eine Betriebsaufgabe in Erwägung.

Auch die Partner der Branche wie die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, Brauereien, Ausstatter, Einrichter, landwirtschaftlichen Betriebe, den Großhandel und das Handwerk sind massiv betroffen. Laut einer aktuellen DEHOGA-Umfrage, an der sich 1.300 Zulieferfirmen beteiligt haben, beliefen sich die Umsatzverluste aufgrund der Einschränkungen für das Gastgewerbe in 2020 auf durchschnittlich 37,0 Prozent. Für Januar und Februar 2021 beklagen die Unternehmen Einbußen in Höhe von 46,5 Prozent. „Die Zahlen belegen die große Bedeutung des Gastgewerbes für das Funktionieren der Wirtschaftskreisläufe und für die Wertschöpfung über die Branchengrenzen hinaus“, so Zöllick.

Hotels und Restaurants erwarten Öffnungsfahrplan

Vom nächsten Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am kommenden Montag erwartet Zöllick konkrete Zusagen für die Branche und ihre Partner. „Am 22. März muss es einen klaren Fahrplan geben, wann unter welchen Voraussetzungen die Restaurants und Hotels öffnen dürfen. Uns geht es nicht um eine Öffnung um jeden Preis. Wir benötigen jedoch eine verlässliche Perspektive. Sicher und verantwortungsvoll.“ Der Endlos-Lockdown sei keine Lösung.

Im Kampf gegen die Pandemie mahnt Zöllick zielgerichtete, widerspruchsfreie und effektive Maßnahmen an. „Unseren Betrieben ist nicht zu vermitteln, dass die Bundesregierung einerseits Urlaub auf Mallorca wieder möglich macht, aber einen Besuch im Biergarten weiterhin nicht erlaubt. Das führt zu maximalem Frust in unserer Branche.“ Auch in Deutschland gebe es Regionen mit zum Teil sehr niedrigen Inzidenzwerten. Hotels und Restaurants hätten zudem umfassende Hygienekonzepte erarbeitet. „Das heimische Gastgewerbe ist nachweislich kein Pandemietreiber. Lockerungen dürfen unsere Branche nicht benachteiligen. Wir erwarten Gleichbehandlung mit anderen Branchen und Sachverhalten“, stellt Zöllick klar. „Es ist Aufgabe der Politik, alles dafür tun, dass die Betriebe keinen Tag länger als gesundheitspolitisch geboten geschlossen bleiben.“ Dazu gehöre insbesondere auch ein besseres Management beim Impfen und Testen.

Hilfen kommen zu spät und sind nicht ausreichend

Neben fehlenden Perspektiven kritisiert Zöllick die Defizite bei den Hilfen. „Die zugesagten Hilfen fließen nach wie vor viel zu langsam und sind insbesondere für die großen Hotel- und Gastronomieketten nicht ausreichend, um einen monatelangen Lockdown zu überstehen.“ Die schnelle Auszahlung der vollständigen November- und Dezemberhilfen müsse jetzt Priorität haben. Zudem müssten auch verbundene Unternehmen, die ebenso erhebliche Verluste erlitten haben und im Verbund ein negatives Betriebsergebnis ausweisen, Anspruch auf die November- und Dezemberhilfe haben. Weiter seien Nachbesserungen bei den Überbrückungshilfen unverzichtbar. Zöllick fordert die Berücksichtigung eines Unternehmerlohns und die Heraufsetzung der erstattungsfähigen Fixkosten für alle Unternehmen auf 100 Prozent. „Es darf dabei keine Benachteiligung der größten Arbeitgeber der Branche geben“, so Zöllick.

„Es geht es um die Zukunftssicherung einer Branche mit 222.000 gastgewerblichen Unternehmen und 2,4 Millionen Beschäftigten“, hebt Zöllick die wirtschaftliche Bedeutung des Gastgewerbes hervor und betont zugleich die hohe gesellschaftliche Relevanz der Branche: „Es geht um den Erhalt einer Branche, die wie keine zweite für Lebensqualität, Vielfalt und Genuss steht und die für das soziale Miteinander in unserem Land unverzichtbar ist.“

Die Statements bei einer Pressekonferenz von

Guido Zöllick
Otto Lindner
Stephan von Bülow


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Bundesregierung richtet ihre Tourismuspolitik neu aus. Eine neue Nationale Tourismusstrategie (NTS) soll künftig die „Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft“ in den Mittelpunkt stellen.

Die Europäische Kommission hat einen Verhaltenskodex für Online-Bewertungen​​​​​​​ im Tourismussektor veröffentlicht. Zahlreiche Forderungen der Hotellerie wurden in die Leitlinien aufgenommen, dennoch sieht die Österreichische Hotelvereinigung weiteren Handlungsbedarf, insbesondere was die rechtliche Verbindlichkeit betrifft.

Die Bundesregierung hat bei einer Kabinettssitzung die Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer auf den Weg gebracht. Die Ministerinnen und Minister beschlossen einen Gesetzentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil. Damit soll die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft von derzeit 19 auf 7 Prozent reduziert werden. 

Das Bundesministerium der Finanzen hat einen entscheidenden Schritt zur Entlastung der Gastronomie gemacht. Ein kürzlich veröffentlichter Referentenentwurf für ein Steueränderungsgesetz 2025 sieht vor, die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants dauerhaft auf sieben Prozent zu senken. Die geplante Neuregelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Der Koordinator für die maritime Wirtschaft und Tourismus, Dr. Christoph Ploß, startet heute seine Tourismus-Sommertour. Vom 1. bis zum 3. September 2025 besucht er wichtige Tourismusstandorte im Westen und Süden der Bundesrepublik.

Anja Karliczek, die Vorsitzende des Tourismus-Ausschusses im Bundestag, bekräftigt die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. In einem Beitrag auf LinkedIn kündigte sie an, dass der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent "im Herbst der Reformen" umgesetzt werden soll.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten warnt eindringlich vor den Plänen der Bundesregierung, den 8-Stunden-Tag abzuschaffen. Schon jetzt würden Beschäftigte rund 1,2 Milliarden Überstunden leisten – davon 638 Millionen unbezahlt. Besonders betroffen sei das Gastgewerbe.

Die Bundesregierung will, nach Angaben ihres Sucht- und Drogenbeauftragten, das sogenannte begleitete Trinken von Jugendlichen ab 14 Jahren abschaffen. Bereits im Juni hatten die Gesundheitsminister der Länder auf ein Verbot der Praxis gedrängt.

Die US-Regierung erwägt Sanktionen gegen Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Union sowie einzelner Mitgliedstaaten, die für die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) zuständig sind. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf mehrere mit den internen Beratungen vertraute Personen.

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat sich die sich er Geschäftsführer der Benessere-Hotels aus Felsberg in einem offenen Brief an den hessischen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori gewandt. Selbst nicht von Rückforderungen, sieht Günther Klasen die Existenz vieler kleiner Betriebe bedroht. Die Rückforderungen seien für viele der letzte Stoß in den Abgrund.