Betriebsschließung im Lockdown - Gastwirt verliert am BGH

| Politik Politik

 Im März 2020 war die Pandemie so richtig da - und Marco Ceccaroli musste sein Restaurant «Bellavista» im Ostsee-Ferienort Travemünde zwei Monate schließen. «Da war erst mal Panik. Und die Angst, in die Insolvenz zu rutschen», sagt der 53-Jährige. «Staatliche Hilfen gab es damals ja noch nicht.» Im November 2020 folgte ein zweiter Lockdown, diesmal fünf Monate.

Doch Ceccaroli fühlte sich abgesichert, hatte er doch extra eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Die ist zum Beispiel für einen Ausgleich bei entgangenen Einnahmen und fortlaufenden Betriebskosten wie Miete oder Lohnzahlungen für Mitarbeiter gedacht. Rund 40 000 Euro wollte Ceccaroli von der Versicherung, bei der er von Anfang an sei. «Ich als Laie verstehe das so, dass ich im Fall der Fälle abgesichert bin.»

Doch die Gerichte sahen das anders: Weil die Corona-Pandemie nicht explizit im Vertrag genannt ist, brauchte die Versicherung nichts zahlen. Ein Angebot von etwa 7000 Euro habe er abgelehnt, sagt der Gastronom. Er zog nun vor den Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe. Doch der wies die Revision am Mittwoch zurück. (Az. IV ZR 144/21)

Das oberste deutsche Zivilgericht hat sich zum ersten Mal mit der Thematik befasst, doch es gibt viele vergleichbare Fälle. Allerdings wird es immer auf den genauen Wortlaut der Versicherung ankommen.

In Ceccarolis Police, vor der Pandemie abgeschlossen, standen weder Covid-19 noch Sars-CoV-2 namentlich. Doch es gab eine lange Liste mit Krankheiten und Krankheitserregern. Sein BGH-Anwalt Siegfried Mennemeyer argumentierte, niemand lese sich eine auch noch sehr klein gedruckte Liste durch. Über der stehe - deutlich größer - das «Versprechen», bei einer Betriebsschließung versichert zu sein.

Eine solch detaillierte Auflistung ergebe aber keinen Sinn, wenn jede meldepflichtige Krankheit vom Versicherungsschutz umfasst sein sollte, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen bei der Urteilsverkündung. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne erkennen, dass die Liste abschließend sei. Er könne nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für Krankheiten die Deckung übernehmen will, die nicht in diesem Katalog aufgeführt sind und die - wie Corona - erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten. Hier sei Versicherern auch keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich.

Anders als vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht angenommen spielt es dem Urteil zufolge für den Versicherungsfall aber keine Rolle, ob eine Infektionsgefahr von dem konkreten Betrieb ausgeht.

Ceccaroli, der das «Bellavista» 2003 von seinem Vater übernommen hatte, reagierte verärgert: Zwar habe er das nach zwei Niederlagen erwartet. Dass Versicherungen durch «verklausulierte» Beschreibungen Recht bekommen, sei aber schon krass und fühle sich ungerecht an. «Man fühlt sich ein bisschen veräppelt und nicht ausreichend geschützt seitens der Versicherung.» Er werde das Urteil akzeptieren. «Damit ist das Kapitel abgeschlossen. Ich schaue nach vorne.»

Finanziell sei er abgesichert. Und die beiden letzten Sommer seien unglaublich gut gewesen. Viele Touristen seien zur Ostsee gekommen. «Da sind wir in einer glücklichen Lage hier», sagte Ceccaroli. Bei Kollegen in anderen Regionen Deutschlands sehe das anders aus.

Die beklagte Axa begrüßte die BGH-Entscheidung, «weil sie unseren Versicherten und uns Rechtssicherheit gibt». Es brauche klare vertragliche Grundlagen für die Regulierung von Versicherungsfällen.

Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen: «Grundsätzlich können wir die Enttäuschung von Gastronomen und Hoteliers verstehen, wenn Versicherer Zahlungen ablehnen. Versicherer können aber nur das bezahlen, was versichert ist.» Und Corona sei nicht versichert, wenn es in der Liste versicherter Krankheiten der Versicherungsbedingungen nicht genannt sei.

Der Verband geht von rund 73 000 Betriebsschließungsverträgen zu Beginn der Pandemie aus - bei rund 3,5 Millionen Betrieben über alle Wirtschaftszweige in Deutschland. Betriebsschließungsversicherungen seien dabei nicht für eine Betriebsunterbrechung etwa nach einem Feuer gedacht, sondern speziell zum Beispiel für Gastronomiebetriebe, Großküchen oder für Unternehmen, die Lebensmittel herstellen. Sollte in einem Hotel das Norovirus ausbrechen oder eine Eisdiele wegen Salmonellen vorübergehend dichtmachen müssen, greifen sie.

Die Krux liegt aber eben im Detail. Was versichert ist, hängt vom genauen Wortlaut ab: Wird allgemein auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes verwiesen oder auf eine Fassung zu einem bestimmten Zeitpunkt? Werden konkrete Krankheiten genannt?

Weil das sehr unterschiedlich ist, agierten auch die Versicherungen uneinheitlich: Manche zahlten, andere nicht. In einigen Fällen einigten sich beide Seiten außergerichtlich. Nach GDV-Angaben wurden in den vergangenen beiden Jahren rund eine Milliarde Euro für versicherte Schäden nach der Betriebsschließungsversicherung geleistet - der Hauptanteil mit rund 900 Millionen im Jahr 2020.

Landeten Streitfälle vor Gericht, endeten sie meist zugunsten der Versicherer: Der GDV verweist auf 470 erstinstanzliche Verfahren, von denen etwa jedes zehnte gegen die Mitglieder entschieden worden sei. Bei den Berufungsverfahren seien 95 Prozent für die Versicherer geendet. So hatte denn auch die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, vor der BGH-Verhandlung auf eine «Trendwende» gehofft. Denn darüber hinaus gibt es noch zig ungelöste Konflikte: Allein beim BGH sind ungefähr 160 vergleichbare Verfahren anhängig. Die Zahl verändere sich täglich, so ein Sprecher.

Für die Zukunft dürfte das BGH-Urteil indes kaum eine Rolle spielen. Laut GDV werden solche Policen regelmäßig erneuert und sind nunmehr angepasst. Auch Ceccaroli hat einen neuen Vertrag bekommen, wie er sagt. In dem stehe nun, dass Pandemien nicht mitversichert seien.

Das oberste deutsche Zivilgericht hat sich zum ersten Mal mit der Thematik befasst, doch es gibt viele vergleichbare Fälle. Allerdings wird es immer auf den genauen Wortlaut der Versicherung ankommen.

In Ceccarolis Police, vor der Pandemie abgeschlossen, standen weder Covid-19 noch Sars-CoV-2 namentlich. Doch es gab eine lange Liste mit Krankheiten und Krankheitserregern. Sein BGH-Anwalt Siegfried Mennemeyer argumentierte, niemand lese sich eine auch noch sehr klein gedruckte Liste durch. Über der stehe - deutlich größer - das «Versprechen», bei einer Betriebsschließung versichert zu sein.

Eine solch detaillierte Auflistung ergebe aber keinen Sinn, wenn jede meldepflichtige Krankheit vom Versicherungsschutz umfasst sein sollte, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Mayen bei der Urteilsverkündung. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne erkennen, dass die Liste abschließend sei. Er könne nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für Krankheiten die Deckung übernehmen will, die nicht in diesem Katalog aufgeführt sind und die - wie Corona - erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten. Hier sei Versicherern auch keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich.

Anders als vom Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht angenommen spielt es dem Urteil zufolge für den Versicherungsfall aber keine Rolle, ob eine Infektionsgefahr von dem konkreten Betrieb ausgeht.

Ceccaroli, der das «Bellavista» 2003 von seinem Vater übernommen hatte, reagierte verärgert: Zwar habe er das nach zwei Niederlagen erwartet. Dass Versicherungen durch «verklausulierte» Beschreibungen Recht bekommen, sei aber schon krass und fühle sich ungerecht an. «Man fühlt sich ein bisschen veräppelt und nicht ausreichend geschützt seitens der Versicherung.» Er werde das Urteil akzeptieren. «Damit ist das Kapitel abgeschlossen. Ich schaue nach vorne.»

Finanziell sei er abgesichert. Und die beiden letzten Sommer seien unglaublich gut gewesen. Viele Touristen seien zur Ostsee gekommen. «Da sind wir in einer glücklichen Lage hier», sagte Ceccaroli. Bei Kollegen in anderen Regionen Deutschlands sehe das anders aus.

Die beklagte Axa begrüßte die BGH-Entscheidung, «weil sie unseren Versicherten und uns Rechtssicherheit gibt». Es brauche klare vertragliche Grundlagen für die Regulierung von Versicherungsfällen.

Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Jörg Asmussen: «Grundsätzlich können wir die Enttäuschung von Gastronomen und Hoteliers verstehen, wenn Versicherer Zahlungen ablehnen. Versicherer können aber nur das bezahlen, was versichert ist.» Und Corona sei nicht versichert, wenn es in der Liste versicherter Krankheiten der Versicherungsbedingungen nicht genannt sei.

Der Verband geht von rund 73 000 Betriebsschließungsverträgen zu Beginn der Pandemie aus - bei rund 3,5 Millionen Betrieben über alle Wirtschaftszweige in Deutschland. Betriebsschließungsversicherungen seien dabei nicht für eine Betriebsunterbrechung etwa nach einem Feuer gedacht, sondern speziell zum Beispiel für Gastronomiebetriebe, Großküchen oder für Unternehmen, die Lebensmittel herstellen. Sollte in einem Hotel das Norovirus ausbrechen oder eine Eisdiele wegen Salmonellen vorübergehend dichtmachen müssen, greifen sie.

Die Krux liegt aber eben im Detail. Was versichert ist, hängt vom genauen Wortlaut ab: Wird allgemein auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes verwiesen oder auf eine Fassung zu einem bestimmten Zeitpunkt? Werden konkrete Krankheiten genannt?

Weil das sehr unterschiedlich ist, agierten auch die Versicherungen uneinheitlich: Manche zahlten, andere nicht. In einigen Fällen einigten sich beide Seiten außergerichtlich. Nach GDV-Angaben wurden in den vergangenen beiden Jahren rund eine Milliarde Euro für versicherte Schäden nach der Betriebsschließungsversicherung geleistet - der Hauptanteil mit rund 900 Millionen im Jahr 2020.

Landeten Streitfälle vor Gericht, endeten sie meist zugunsten der Versicherer: Der GDV verweist auf 470 erstinstanzliche Verfahren, von denen etwa jedes zehnte gegen die Mitglieder entschieden worden sei. Bei den Berufungsverfahren seien 95 Prozent für die Versicherer geendet. So hatte denn auch die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, vor der BGH-Verhandlung auf eine «Trendwende» gehofft. Denn darüber hinaus gibt es noch zig ungelöste Konflikte: Allein beim BGH sind ungefähr 160 vergleichbare Verfahren anhängig. Die Zahl verändere sich täglich, so ein Sprecher.

Für die Zukunft dürfte das BGH-Urteil indes kaum eine Rolle spielen. Laut GDV werden solche Policen regelmäßig erneuert und sind nunmehr angepasst. Auch Ceccaroli hat einen neuen Vertrag bekommen, wie er sagt. In dem stehe nun, dass Pandemien nicht mitversichert seien. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Bundestag hat die Gesetze zur Verbesserung der Rückführung von Geflüchteten und zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts beschlossen. Darin enthalten sind auch einige Regelungen, die die Beschäftigungsmöglichkeiten von bereits in Deutschland lebenden Geflüchteten mit Bleibeperspektive erleichtern.

Die Lokführergewerkschaft GDL hat die Beschäftigten der Deutschen Bahn zum nächsten Streik aufgerufen. Dieser werde im Personenverkehr am frühen Mittwochmorgen um 2.00 Uhr beginnen und bis Montag kommender Woche, 18.00 Uhr andauern, teilte die Gewerkschaft in der Nacht zu Montag mit.

Gegen lebhafte Debatten im Bundestag hat niemand etwas einzuwenden - gegen ungebührliches Verhalten schon. Dann setzt es vom Präsidium einen Ordnungsruf. Das geschieht derzeit ziemlich oft. Mehr als die Hälfte aller Ordnungsrufe entfiel im vergangenen Jahr auf nur eine Partei.

Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen wollen sich für den Erhalt des von der Schließung bedrohten Musikclubs Molotow im Hamburger Stadtteil St. Pauli einsetzen. Hintergrund ist die Kündigung des Mietvertrags, weil an der Stelle in St. Pauli ein Hotel entstehen soll.

Weniger Zucker, Fett und Salz beim Essen vor allem für Kinder, mehr Bio und Regionales beim Mittagstisch in der Kantine: Das Bundeskabinett beschloss dazu jetzt eine Strategie​​​​​​​ mit Zielen und Maßnahmen. Eine wichtige Rolle sollen Kantinen und Mensen in Unternehmen und anderen Einrichtungen spielen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Kampf gegen den Arbeitskräftemangel in Deutschland intensivieren. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung die Möglichkeit eines Rechtsanspruchs auf flexibles Arbeiten für Beschäftigte prüfen solle, wie aus dem Entwurf des neuen Jahreswirtschaftsberichts hervorgeht.

Die Arbeitgeber in Deutschland lehnen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice ab. In der Regel werde diese Frage im guten Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt. Ein Gesetz brauche es nicht, so Steffen Kampeter.

Bekommen Kinder ihr Mittagessen in Kita oder Schule künftig vom Staat bezahlt? Ein Bürgerrat fordert genau das. Rot-Grün in Niedersachsen findet den Vorschlag gut, bremst aber trotzdem die Erwartungen.

Sterneköche und Frankreichs Gastgewerbe mobilisieren gegen das neue Migrationsgesetz, das, anders als zunächst geplant, die Integration von Beschäftigten ohne Aufenthaltstitel kaum erleichtert. Jetzt protestieren Sterneköche, die die Integration von Küchenpersonal ohne Papiere fordern und appellieren: Wir brauchen Migranten.

Mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind für ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas. Hintergrund der Umfrage war die Empfehlung eines Bürgerrats des Bundestags zur Ernährung.