Bundesregierung will Kurzarbeitergeld verlängern

| Politik Politik

Wegen der andauernden Corona-Pandemie hat die Bundesregierung den Weg für eine Verlängerung des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes frei gemacht. Laut dem Gesetzesentwurf des Kabinetts soll die Bezugszeit für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert werden, maximal bis Ende 2021. 

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat das verlängerte Kurzarbeitergeld als wichtiges Mittel zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise verteidigt. «Kurzarbeit ist die stabilste Brücke über ein tiefes wirtschaftliches Tal», sagte Heil nach dem Beschluss eines entsprechenden Gesetzentwurfs im Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. Sie sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. «Diese Sicherheit haben wir verlängert - nicht für immer. Wir rechnen auch damit, dass es eine wirtschaftliche Erholung im Laufe des nächsten Jahres geben kann», sagte Heil. Die Krise sei jedoch nicht am 1. Januar vorbei.

Laut dem Gesetzesentwurf des Kabinetts soll die Bezugszeit für das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängert werden, maximal bis Ende 2021. Die Verlängerung soll für alle Betriebe mit einem Beginn der Kurzarbeit bis Ende 2020 gelten. Das Kurzarbeitergeld wird weiter von sonst 67 Prozent auf 70 Prozent des Lohns erhöht - und für Berufstätige mit Kindern auf 77 Prozent. Diese Erhöhung greift ab dem vierten Monat. Ab dem siebten Monat gibt es 80 beziehungsweise 87 Prozent. Von der Erhöhung profitieren alle Beschäftigten mit Eintritt in Kurzarbeit bis zum 31. März 2021. Minijobs bis 450 Euro bleiben bis Ende 2021 generell anrechnungsfrei.

Wirtschaftsforscher hatten gemahnt, dass Unternehmen mit veralteten Geschäftsmodellen nicht durch Kurzarbeit künstlich am Leben erhalten werden sollten. Das sei bei der Mehrzahl der Unternehmen mit Kurzarbeit auch nicht der Fall, sagte Heil bei einem Besuch beim mittelständischen Messebauunternehmens Minga Network in Berlin.

Das Unternehmen mit 30 Mitarbeitern ist laut eigenen Angaben stark betroffen von den coronabedingten Veranstaltungsabsagen. Allein durch die Absage der im Frühjahr geplanten Mobile World Congress, Europas größter Mobilfunk-Messe, sei ein hoher sechsstelliger Betrag verloren gegangen, sagte Geschäftsführer Ingo Zippel. «Im Gesamten kann man davon ausgehen, dass wir einen Umsatzrückgang von über 80 Prozent haben.»

Da die lukrative Organisation von Veranstaltungen inklusive des Messebaus auf absehbare Zeit nicht möglich sei, konzentriere man sich jetzt stärker auf die Produktion und Herstellung hochwertiger Holzmöbel, sagte Zippel beim Rundgang mit Heil und zeigte leere Büros, in denen normalerweise Projektmanager für die Veranstaltungsorganisation arbeiteten. In den Produktionshallen herrschte dagegen reger Betrieb, Mitarbeiter verarbeiteten Holz und setzten lautstark Maschinen ein.

Die im Gesetzesentwurf erhaltene Regelung zu den Sozialversicherungsbeiträgen soll laut Heil dafür sorgen, dass auch andere Unternehmen die Krise für einen Strukturwandel nutzen. Bis zum 30. Juni sollen die Sozialversicherungsbeiträge vollständig erstattet werden, bis Ende 2021 zur Hälfte - außer dann, wenn während der Kurzarbeit der Betroffene weiterqualifiziert wird. Dann kann die Erstattung auf 100 Prozent erhöht werden. Das gilt für Betriebe, die vor dem 1. Juli 2021 mit Kurzarbeit starten.

Seit Jahresbeginn drückte die Krise die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) bis August um mehr als 1,2 Milliarden Euro im Vorjahresvergleich - die Ausgaben stiegen um knapp 17,4 Milliarden Euro. Die Ausgaben für konjunkturelle Kurzarbeit betrugen bis August 8,1 Milliarden Euro, die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge beim Kurzarbeitergeld schlug mit 6,2 Milliarden Euro zu Buche.

«Kurzarbeit ist sehr, sehr teuer, aber Massenarbeitslosigkeit wäre sehr viel teurer für unser Land», sagte Heil. Für 2021 nennt der Gesetzentwurf Mehrausgaben im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld und die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen von gut sechs Milliarden Euro.

Seit März 2020 wurden bundesweit rund 620 000 Personen arbeitslos. Damit stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland auf rund 2,95 Millionen. Im April waren rund 6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit - ein Rekord. Über den Jahresschnitt rechne man etwa mit 2,5 Millionen Menschen in Kurzarbeit, sagte Heil.

Die Metall- und Elektroindustrie begrüßte die Regelungen. «Insbesondere im Automobilbau, beim Luftfahrtbau und im Schiffbau, im Maschinenbau und bei vielen Zulieferern ist eine schnelle Erholung nicht zu erwarten», sagte Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Lob kam auch von der IG Metall, deren Chef Jörg Hofmann bereits forderte: «Die Bundesregierung sollte spätestens im Juni 2021 über eine weitere Fortführung der Kurzarbeitsregelungen entscheiden.»

Auch Messebauer Zippel lobte das Kurzarbeitergeld, das die Umstrukturierung seines Unternehmens ermögliche. Sein Mit-Gründer Max Schmid-Lindner kritisierte hingegen, dass sich die Mitarbeiter Sorgen machen würden, dass sie durch die Kurzarbeit in eine andere Steuerklasse rutschen und im kommenden Jahr eine Steuerrückforderung erhalten würden. «Das ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt, für den einzelnen Betroffenen aber eine totale Belastung.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Stadt Konstanz meldet eine Trendwende beim Müllaufkommen im öffentlichen Raum und führt diese auf die seit 1. Januar 2025 erhobene Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen für Speisen und Getränke zum Sofortverzehr zurück. Parallel dazu äußern Verbände Kritik an der Bewertung der Stadt und bemängeln das vorschnelle Fazit.

Der Verband der Veranstaltungsorganisatoren hat das Bundeskartellamt über mögliche Wettbewerbsbeschränkungen und eine zunehmende Marktkonzentration im Bereich der MICE-Buchungsportale informiert. Nach Auffassung des Verbands droht in diesem zentralen Marktsegment für die deutsche Wirtschaft eine „gefährliche Ballung von Marktmacht“.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat eine längere Frist bis zur Vorlage einer ersten Krankschreibung vorgeschlagen. Niedersächsische Arbeitgeber haben mit deutlichen Worten reagiert.

Schlagabtausch um Ostsee-Preise: Tourismusminister Wolfgang Blank kritisiert die Gastronomie von Mecklenburg-Vorpommern wegen zu teurer Schnitzel und Hotelzimmern. Der DEHOGA kontert scharf und schiebt die Schuld für die hohen Kosten auf die Politik und den Mindestlohn.

Die geplanten Steuerentlastungen für die Gastronomie und Pendler sorgen bei den Ländern und Kommunen für Sorge. Der Finanzausschuss des Bundesrats warnt vor einer "zusätzlichen Verschärfung der Haushaltslage". Der Bundesrat befasst sich am 17. Oktober 2025 mit den Plänen und einer möglichen Forderung nach Kompensation durch den Bund.

Mehr Eigenverantwortung, weniger unnötige Praxis-Besuche: Der Kassenärzte-Chef möchte die Regeln zur Krankschreibung gelockert sehen. Das soll Arbeitnehmer, Eltern und Praxen entlasten.

Finanzminister Heere will Steuertricks in der Gastronomie erschweren – auch, um Steuerausfälle bei einer Senkung der Umsatzsteuer für die Branche zu kompensieren.

Auf dem Hauptstadtkongress des Deutschen Reiseverbandes hat DRV-Präsident Norbert Fiebig eine klare politische Kurskorrektur gefordert. Angesichts schwacher Konjunkturaussichten, steigender Preise und einer zunehmenden Bürokratielast sei die wirtschaftliche Lage der Branche ernst.

Das Europaparlament will Bezeichnungen wie «Veggie-Burger» oder «Soja-Schnitzel» verbieten lassen. Auch Begriffe wie «Steak» oder «Wurst» sollen dem Willen einer Mehrheit der Abgeordneten zufolge künftig nur noch für tierische Lebensmittel verwendet werden dürfen.

Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Jan van Aken, hat sich für die verpflichtende und kostenfreie Abgabe von Leitungswasser in Restaurants ausgesprochen. Seiner Ansicht nach ist dies eine einfache und längst überfällige Maßnahme, um Menschen mit geringem Einkommen die Teilhabe am gesellschaftlichen Alltag zu ermöglichen.