Bundestag beschließt Energiepreisbremsen

| Politik Politik

Mit milliardenschweren Entlastungen sollen die Folgen der rasant gestiegenen Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen abgefedert werden. Der Bundestag beschloss am Donnerstag Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme sowie eine Härtefallregelung für Nutzer anderer Heizmittel. Die Neuerungen sollen am Freitag auch den Bundesrat passieren.

Das Versprechen der Bundesregierung: Niemand soll alleine gelassen werden. Finanziert werden die Maßnahmen durch einen insgesamt 200 Milliarden Euro schweren «Abwehrschirm», der bereits beschlossen wurde. Dafür nimmt der Bund neue Schulden auf. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Paket mit Energiepreisbremsen sowie Unternehmenshilfen als «Doppelwumms» bezeichnet.

Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme

Bei der Gaspreisbremse sollen Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde garantiert bekommen. Für Wärmekunden soll der Preis bis zur 80-Prozent-Grenze 9,5 Cent betragen. Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs soll der ganz normale Vertragspreis gelten. So soll ein Sparanreiz beim Gasverbrauch erhalten bleiben, damit Deutschland gut durch den Winter kommt. Die Bundesregierung hatte betont, private Haushalte müssten nichts tun, die Entlastung komme automatisch an. Mieter sollen diese in der Regel über die Heizkostenabrechnung bekommen.

Für Industriekunden wird der Preis pro Kilowattstunde auf 7 Cent netto gedeckelt. Bei Wärme liegt er bei 7,5 Cent netto. Die gesetzlich festgelegten Preise gelten in der Industrie aber lediglich für 70 Prozent des Jahresverbrauchs im Jahr 2021.

Die Strompreisbremse funktioniert ähnlich. Sie sieht vor, dass Haushalte und kleinere Unternehmen 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Für Industriekunden liegt die Grenze bei 13 Cent für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs. Die Strompreisbremse soll durch eine Abschöpfung der Erlöse etwa von Ökostrom-Produzenten mitfinanziert werden, die stark von hohen Preisen profitiert haben.

Die Preisbremsen sollen vorerst für 2023 wirken und ab März greifen. Eine Verlängerung bis zum April 2024 ist nach Angaben des Wirtschaftsministeriums angelegt, müsste aber extra entschieden werden.

Härtefall für Pellets, Öl und andere Heizstoffe

Auch wer mit Stoffen heizt, die nicht über Leitungen ins Haus fließen, soll entlastet werden. Davon profitieren könnten Nutzer von Heizöl, Pellets, Flüssiggas oder auch von Kaminöfen. Details sollen später in einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern festgeschrieben werden, da der Bund zwar bis zu 1,8 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zur Verfügung stellen will, die Länder sich aber um die Anträge und Auszahlung kümmern sollen.

Maßgeblich ist der Zeitraum vom 1. Januar bis 1. Dezember 2022. Bis zu einer Verdopplung ihrer Heizkosten gegenüber dem Vorjahr stehen die Verbraucherinnen und Verbraucher dabei noch allein in der Pflicht. Bei allen zusätzlichen Kosten will der Bund 80 Prozent übernehmen, vorausgesetzt, die Bedingungen für einen Zuschuss von mindestens 100 Euro sind erfüllt. Die Obergrenze pro Haushalt liegt bei 2000 Euro.

Auflagen für Boni und Dividenden

Unternehmen, die staatliche Unterstützung bekommen, müssen Auflagen bei Boni und Dividenden hinnehmen. Dividenden sind Ausschüttungen, mit denen Aktiengesellschaften ihre Anleger am Gewinn beteiligen. Bei den Boni geht es hier nicht um Prämien für normale Mitarbeiter, sondern um Zahlungen an Organe der Geschäftsführung.

Wer insgesamt mehr als 25 Millionen Euro an Staatshilfe bekommt, darf bereits vereinbarte Boni und Dividenden nicht mehr erhöhen. Ab 50 Millionen sollen keine Boni und Dividenden mehr ausgezahlt werden dürfen. Unternehmen müssen diese Unterstützung allerdings nicht in Anspruch nehmen und können in diesem Fall auch weiterhin Boni und Dividenden auszahlen.

Umsetzung der Preisbremsen und Kritik

«Die Gesetzentwürfe zu den Energiepreisbremsen sind so komplex geraten, dass ihre praktische Umsetzung eine Mammutaufgabe für die Energiebranche wird», sagte die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. Zwar werde die Branche alles tun, damit die Entlastungen so reibungslos wie möglich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankämen. Unter anderem wegen der aufwendigen Umstellung von IT-Systemen könne ein reibungsloser Start zum 1. März nicht garantiert werden.

Es sei ein «absolutes Novum», dass die Bundesregierung einer Branche Aufgaben übertrage, die eigentlich zum klassischen Kernbereich des Staates gehörten, so Andreae. «Der Staat muss schleunigst ein System schaffen, um selbst staatliche Unterstützung an die Bürgerinnen Bürger zielgerecht und einkommensabhängig auszahlen zu können.» Einen solchen Kanal, über den alle Bürger erreicht werden könnten, gibt es bislang nicht. Der Stadtwerkeverband VKU sprach von einer gewaltigen Kraftanstrengung, die Preisbremsen zeitgerecht so umzusetzen, damit die Entlastungen pünktlich bei den Kunden ankommen.

Mögliche Nachbesserungen

Viel Kritik gibt es daran, dass die Bremsen nach dem «Gießkannenprinzip» funktionieren und sozial nicht gerecht seien. So sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele: «Die Preisbremsen reichen schlicht nicht aus, um die existenzielle Not vieler Menschen zu lindern. Millionen Menschen können es sich nicht leisten, den doppelten Preis für Strom, Gas und Öl zu bezahlen.»

Dazu kommt: Wer bereits vor der Krise sehr sparsam war, habe nun einen Nachteil, wie es in einem Antrag der Koalitionsfraktionen heißt. Die Bundesregierung solle in den nächsten Monaten prüfen, welche Möglichkeiten bestünden, kleine und besonders sparsame Haushalte besser zu entlasten und bei Bedarf nachzusteuern. Eine Option könnte eine Obergrenze für Privathaushalte sein.

Im Juli 2023 solle es einen Bericht zur Wirkung der Preisbremsen geben. Außerdem sollten Möglichkeiten geprüft werden, wie die Versorger bis Mitte des Jahres Daten zur Anzahl der privaten Haushalte und Gewerbe hinter den Gas- und Wärme- und Stromanschlüssen von ihren Kunden erheben könnten - sprich: um dann möglicherweise eine bessere soziale Staffelung hinzubekommen. Der VKU allerdings warnte, die Erhebung dieser Daten wäre ein sehr komplexes Unterfangen. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Bundesernährungsminister Alois Rainer hat die geplante Novellierung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes verschoben. Die Ausweitung der Kennzeichnung auf weitere Tierarten und die Einbeziehung der Gastronomie sind weiterhin strittige Punkte, während die Bezahlbarkeit von Lebensmitteln für den Minister im Vordergrund steht.

Der Deutsche Bundestag hat den Haushalt 2026 verabschiedet. Das zentrale Element aus Sicht des Gastgewerbes ist die Verankerung der auf sieben Prozent gesenkten Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. Der DEHOGA zeigte sich zuversichtlich, dass nun auch die Mehrheit der Bundesländer im Bundesrat den Weg für das Branchenanliegen freimachen wird.

Die neue Budgetverteilung im Bundeshaushalt 2026 stößt beim Deutschen Tourismusverband auf gemischte Reaktionen. Während der Etat für Kunst und Kultur bejubelt wird, sorgt eine weitere Kürzung der zentralen Tourismusförderung für Unmut.

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz fordert, Werkverträge bei Essenslieferdiensten zu verbieten. Auch die Gewerkschaft NGG unterstützt den Plan. Ähnliches gibt es schon in anderen Branchen.

Europa-Park-Gründer Roland Mack hat im Umgang mit der AfD für einen offenen Austausch geworben. Dass man mit Menschen spreche, die immerhin einen hohen Anteil an Wählerstimmen ausmachten, halte er für notwendig und richtig, so der 76-Jährige in einem Gespräch mit dem «Südkurier».

Im Land Bremen soll es auf Einweggeschirr eine Steuer geben. Aber die geplante Einführung zum 1. Januar muss verschoben werden - zunächst sollen die Träger öffentlicher Belange gehört werden.

Die Gewerkschaft NGG hat ihre Empfehlungen für die Tarifverhandlungen 2026 veröffentlicht und fordert Entgeltsteigerungen von 4 bis 6 Prozent sowie konkrete Verbesserungen für Auszubildende.

Wie der AfD begegnen? Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen. Das sorgt für scharfe Diskussionen in Politik und Wirtschaft. Caroline von Kretschmann, Inhaberin des Luxushotels Europäischer Hof in Heidelberg, die im Präsidium der Familienunternehmer sitzt, bezieht deutlich Stellung – auch klar abweichend von der Verbandslinie.

Der Stadtrat von Kaiserslautern hat mehrheitlich die geplante Einführung einer Übernachtungssteuer abgelehnt. Die Steuer sollte ursprünglich ab dem 1. Januar 2026 auf Gästeübernachtungen erhoben werden.

Schleswig-Holsteins Gastronomie kämpft laut dem FDP-Fraktionschef mit steigenden Kosten. Er hofft auf Entlastungen durch weniger Bürokratie und niedrigere Mehrwertsteuer und fordert ein klares Signal.