Bundestag beschließt Gut­schein­lösung bei Pau­schal­reisen

| Politik Politik

Reiseveranstalter, die ihren Kunden wegen einer coronabedingt geplatzten Pauschalreise Geld zurückzahlen müssen, dürfen diesen als Alternative einen Gutschein anbieten. Einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung hat der Bundestag am Donnerstag zugestimmt. Die Kunden können sich für eine Rückzahlung des gezahlten Geldes oder für den Gutschein entscheiden.

Dem Entwurf zufolge sollen Pauschalreisende ihr Geld zurückverlangen können, wenn der Urlaub wegen der Coronavirus-Pandemie ausfällt. Eine ursprünglich geplante Gutscheinpflicht, die helfen sollte, Insolvenzen in der Reisebranche zu vermeiden, soll es nicht geben. Sie scheiterte am Widerstand der Brüsseler EU-Kommission. Verbraucher, die ihre Pauschalreise vor dem 8. März gebucht haben, können aber freiwillig einen Gutschein wählen, dessen Wert auch dann staatlich abgesichert ist, wenn Anbieter Pleite gehen.

«Wir haben die Gutscheine attraktiv gemacht durch die staatliche Absicherung. Wir haben alles dafür getan, dass die Menschen guten Gewissens auch einen Gutschein wählen können», sagte Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU). Die Gutscheinlösung helfe insbesondere kleinen und mittelständischen Reiseveranstaltern, von drohenden Insolvenzen verschont zu werden, sagte die Tourismusexpertin der SPD-Fraktion, Gabriele Hiller-Ohm.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) sieht die Gutscheine hingegen kritisch. Insbesondere seien sie keine Lösung für das Liquiditätsproblem in der Reisebranche. «Das ist die Realität: Gutscheine finden kaum Anklang beim Kunden – lediglich 10 bis 20 Prozent der Verbraucher akzeptieren sie», sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig.

«Die Bereitschaft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, Gutscheine zu akzeptieren, wird durch die Debatte gesunken sein», sagte der Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, Klaus Müller. Gutscheine seien nicht nachhaltig und deshalb nicht geeignet, der Krise zu begegnen. «Sie verschieben lediglich das Liquiditätsproblem der Unternehmen auf einen späteren Zeitpunkt», so Müller.

Die Regel gilt für Buchungen, die vor dem 8. März getätigt wurden - also kurz vor dem globalen Stillstand der Reisetätigkeiten mit weltweit geschlossenen Grenzen und gestrichenen Flügen.

Was gegen einen Gutschein spricht

Da ist zunächst einmal der offensichtliche Grund: «Das Geld muss für eine neue Reise eingesetzt werden und ist nicht kurzfristig für etwas anderes verfügbar», sagt Robert Bartel, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Schließlich ist der einmal gezahlte Reisepreis im Gutschein gebunden. Wer nun aber auf absehbare Zeit und auch im kommenden Jahr ohnehin nicht mehr groß verreisen will, ist mit einer Rückzahlung auf jeden Fall besser beraten.

Und wie sieht es aus, wenn man seinen Urlaub definitiv 2021 nachholen will? Auch dann ist der Gutschein womöglich nicht die beste Lösung: «Durch den Gutschein binde ich mich an den Veranstalter und sein Angebot. Ich bin nicht frei, mich umzuentscheiden», sagt Bartel.

Konkret heißt das: Der Veranstalter bietet die ursprüngliche geplante Reise im kommenden Jahr eventuell nicht mehr in der gleichen Form an. Wer das Geld für die corona-bedingt geplatzte Reise jetzt erstattet bekommt, hat bei der nächsten Buchung größere Auswahl.

Was für einen Gutschein spricht

Die Veranstalter wollen aus wirtschaftlichen Gründen möglichst viele Gutscheine ausgeben statt eine Rückzahlung zu leisten - und bieten entsprechende Anreize. «Ein Gutschein kann interessant sein, wenn ich ein finanzielles Extra bekomme», sagt Bartel. Der Wert des Gutscheins oder Reiseguthabens - die Veranstalter nutzen verschiedene Begriffe - ist in diesem Fall höher als der Preis der geplatzten Reise.

Beispiele: Tui stellt Kunden abgesagter Reisen bis zu 150 Euro Reiseguthaben extra in Aussicht, wenn diese sich für eine Gutschrift statt eine Rückerstattung entscheiden. DER Touristik bietet Kunden für die Gutschein-Wahl einen Rabatt von 50 Euro auf die nächste Buchung. FTI legt 200 Euro für Extra-Leistungen am Reiseziel drauf, wenn Kunden auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen. Und die Reederei Aida Cruises bietet einen 10-Prozent-Bonus.

Die Angebote gelten nach Angaben der Veranstalter für alle betroffenen Gäste, deren Urlaube wegen der Reisewarnungen nicht stattfinden konnten - unabhängig vom Buchungszeitpunkt. Einlösbar sind die Gutscheine in der Regel bis Ende 2021.

«Wenn man Vertrauen in den Veranstalter hat, weil man schon öfter mit ihm unterwegs war, dann kann man das machen», sagt Bartel. Das sei vielleicht auch eine Frage der Solidarität, ob man «seinen» Veranstalter in einer schwierigen Zeit unterstützen wolle.

Wegen der Corona-Krise hatte die Bundesregierung am 17. März eine weltweite Reisewarnung ausgesprochen. Mitte Juni wurde die Reisewarnung für die meisten europäischen Länder durch Reisehinweise ersetzt. Somit ist wieder Urlaub im europäischen Ausland möglich.

Gutscheine gegen Insolvenz abgesichert

Das Risiko, dass ein Gutschein bei einer Insolvenz des Veranstalters seinen Wert verliert und das Geld weg ist, besteht nicht mehr. Die Bundesregierung will die Gutscheine gegen eine Pleite absichern.

Und wie werden die Gutscheine in der Praxis angenommen? Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) entscheiden sich lediglich 10 bis 20 Prozent der Verbraucher dafür. Die Mehrheit pocht dementsprechend auf einer Erstattung ihres Geldes. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Steigende Kosten und internationale Konkurrenz setzen dem Weinbau zu. Im Kloster Eberbach bei Eltville wollen Minister aus acht Bundesländern der Branche helfen. Worum soll es in ihren Gesprächen gehen?

Verbesserter Datenaustausch und digitale Prüfungen sollen den Kampf gegen illegale Beschäftigung effektiver machen. In der letzten Woche hat der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung verabschiedet. Der DEHOGA begrüßt die angestrebte Bürokratieentlastung, mahnt aber Ursachenbekämpfung an.

Das Europäische Parlament hat den Weg für eine deutliche Entbürokratisierung im Bereich Lieferketten, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Taxonomie freigemacht. Der DEHOGA begrüßt die damit verbundene Chance auf durchgreifende Vereinfachungen und einen mittelstandsfreundlicheren Ansatz.

Die Koalition plant die Senkung der Luftverkehrsteuer. Das Vorhaben polarisiert: Während die Reisewirtschaft eine Trendwende und Entlastung sieht, hagelt es Kritik von Umwelt- und Klimaschützern.

Nach 36 Jahren beim DEHOGA Bundesverband und fast 20 Jahren als Hauptgeschäftsführerin ist Ingrid Hartges heute in Berlin offiziell verabschiedet worden. Die feierliche Veranstaltung fand im JW Marriott Hotel Berlin statt und vereinte führende Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien der Branche und ihrer Partner.

Das bestehende Minijob-System steht im Zentrum einer politischen Debatte. Eine Gruppe von Unions-Bundestagsabgeordneten sehen in der geringfügigen Beschäftigung einen „Systemfehler“, der reguläre Arbeit verdrängt und unsozial sei. Der DEHOGA Bundesverband hingegen warnt eindringlich vor den Konsequenzen einer Abschaffung.

Studierende in Niedersachsen sollen bald wieder ein warmes Mittagessen für 2,50 Euro bekommen. SPD und Grüne im Landtag wollen das sogenannte «Niedersachsen-Menü» an allen Hochschulen im Land neu auflegen. Fünf Millionen Euro sind dafür eingeplant.

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat die Entscheidung keine direkte Auswirkung.

Macht ein EU-Urteil Änderungen am deutschen Mindestlohn-System notwendig? Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie die Politik blicken an diesem Dienstag gespannt nach Luxemburg.

Vertreter von Bundesregierung, Bundesländern, Wirtschaft und Gewerkschaften haben für die duale Berufsausbildung in Deutschland geworben und auf akute Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hingewiesen. Die Lage sei mehr als herausfordernd, sagte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.