Bundestag verabschiedet Hilfspaket

| Politik Politik

Angesichts der bereits spürbaren Folgen der Corona-Epidemie in Wirtschaft und Gesellschaft wird der Ruf nach einer schnellen Umsetzung des beispiellosen staatlichen Hilfspakets immer lauter. Vor allem viele Klein- und Kleinstunternehmer leiden schon jetzt unter den massiven Einschränkungen.

Der Schutzschirm für Familien, Mieter, Beschäftigte, Selbstständige und Unternehmen nahm indessen die zweite Hürde. Der Bundestag stimmte dem Paket, das das Kabinett zu Beginn der Woche auf den Weg gebracht hatte, am Mittwoch mit großer Mehrheit zu. Am Freitag soll der Bundesrat folgen - wieder im Eilverfahren. Hier sind aber nicht alle Einzelgesetze zustimmungspflichtig.

Vor diesem bedrohlichen Hintergrund kam in der Debatte, aber auch außerhalb des Bundestages der Wunsch auf, schon jetzt über Exitstrategien aus dieser historisch schweren Krise nachzudenken. Damit sollen dauerhafte Schäden vermieden werden. Die Kritik aus der Opposition: Bislang fehle ein Plan für das, was nach Ostern beziehungsweise in zwei oder drei Monaten notwendig sein wird.

Etliche Redner schlossen nicht aus, dass beim Hilfspaket nachgelegt werden muss. Schon mit dem jetzigen Paket bringt die Bundesregierung gewaltige Summen auf. Nach sechs Jahren ohne neue Schulden fällt die schwarze Null im Bundeshaushalt: Das Kabinett beschloss einen Nachtragshaushalt mit einer Neuverschuldung von rund 156 Milliarden Euro. Dafür setzte der Bundestag eine Notfallregelung in Kraft.

Kleine Firmen und Solo-Selbstständige wie Künstler und Pfleger sollen über drei Monate direkte Zuschüsse von bis zu 15 000 Euro bekommen. Über einen Stabilisierungsfonds bis zu 600 Milliarden Euro sollen Großunternehmen mit Kapital gestärkt werden können. Der Staat soll sich notfalls auch an Firmen beteiligen können. Das Insolvenzrecht soll gelockert werden. Bereits am Montag startete ein unbegrenztes Sonder-Kreditprogramm der staatseigenen Förderbank KfW.

Außerdem sollen Vermieter ihren Mietern nicht mehr kündigen dürfen, wenn diese wegen der Krise ihre Miete nicht zahlen können. Familien mit Einkommenseinbrüchen sollen leichter Kinderzuschlag bekommen. Mit erweiterten Regelungen zur Kurzarbeit sollen Unternehmen Beschäftigte leichter halten können. Krankenhäuser sollen mit mehr als drei Milliarden Euro unterstützt werden.

Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) forderte ein Ende der wirtschaftlichen Auszeit nach Ostern. «Für die gesamte Volkswirtschaft und unseren Staat wird der Schaden nachhaltig und über Jahrzehnte nicht kompensierbar sein, wenn wir nicht spätestens nach Ostern die Wirtschaft wieder schrittweise hochfahren», sagte Linnemann der «Bild»-Zeitung (Mittwoch).

Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner forderte eine «Exit-Strategie». Die jetzigen Beschränkungen seien verhältnismäßig. Der aktuelle Zustand passe aber nicht zu einer offenen Gesellschaft, gefährde die Wirtschaft und auch den sozialen Frieden. Da «schon in der allernächsten Zeit die Akzeptanz der Menschen sinken könnte», müsse der Zustand «Schritt für Schritt, aber so schnell wie möglich» überwunden werden.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland mahnte ebenfalls, die Regierung müsse auch einen langfristigen Plan vorlegen. Die Menschen wollten wissen, was geschehe, «wenn es in drei Monaten immer noch keine Entwarnung gibt».

Unionsfraktionsvize Andreas Jung sprach sich für einen Tilgungsplan für die Kredite aus, die während der Corona-Krise auflaufen. Ein Tilgungsplan sei ein Versprechen an die Kindergenerationen, ihnen nicht die Schulden der jetzigen Krise zu überlassen.

Bereits vergangene Woche hatte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) im «Spiegel» angedeutet, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen könnte, «an dem man zur sogenannten Umkehrisolation übergeht». «Die jüngere, gesunde Bevölkerung kann dann wieder zu einem tendenziell normalen Leben übergehen. Aber die älteren und vorerkrankten Patienten werden auch dann weiter mit Einschränkungen leben müssen.»

Der AfD-Abgeordnete Paul Hampel argumentierte, besser als «die gesamte Wirtschaft auf Null zu stellen» wäre es, alte Menschen und Bürger mit Vorerkrankungen unter besonderen Schutz zu stellen - etwa durch Quarantäne in aktuell geschlossenen Hotels.

In der Generaldebatte des Bundestages appellierte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) an alle: «Vor uns liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch sind.» Der Finanzminister wie auch Abgeordnete dankten Ärzten, Verkäufern, Busfahrern und anderen, die trotz des Infektionsrisikos das öffentliche Leben am Laufen halten: «Sie leisten Großes in diesen Tagen», sagte Scholz.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm an der Sitzung nicht teil, da sie sich zuhause in Quarantäne befindet. Der erste sowie auch der zweite Test auf eine Corona-Infizierung waren negativ. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kündigte eine schnelle Umsetzung der Hilfspakete an.

Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali forderte einen Zuschlag von monatlich 500 Euro für systemrelevante Beschäftigte im Gesundheitswesen, im Einzelhandel oder bei Berufskraftfahrern. Multimillionäre und Milliardäre sollten eine Sonderabgabe leisten. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, möglicherweise müsse bei den Hilfspaketen nachgelegt werden.

Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Thorsten Frei verteidigte die verschärften Grenzkontrollen. Es gehe um Gesundheitsschutz, nicht um Abschottung. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Im Rahmen des Entwurfs zum vierten Bürokratieentlastungsgesetz erneuert der BTW noch einmal seine Forderung nach zielführendem Bürokratieabbau für die Unternehmen der Tourismuswirtschaft.

EU-Pläne für einen besseren Schutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Online-Plattformen sind vorerst vom Tisch. Vor allem FDP-Vertreter hatten sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Deutliche Kritik daran kam nun von der Gewerkschaft NGG.

In Belgien findet am Dienstag die informelle Ministertagung Tourismus statt. Darin soll es unter anderem um „Die doppelte Wende des Sektors - digital und nachhaltig“ und konkret um eine Zwischenbewertung des „EU Transition Pathway for Tourism“ gehen.

Wer über Online-Plattformen als Essenslieferant, Taxifahrer oder Hausangestellter arbeitet, sollte mit neuen EU-Regeln mehr Rechte bekommen. Nun kommen sie erst einmal nicht. Auch die Bundesregierung hatte sich bei der Abstimmung enthalten.

Vertreterinnen und Vertreter der EU-Staaten stimmen an diesem Freitag voraussichtlich über bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte von Online-Plattformen wie Liefer- und Fahrdiensten ab. Die Betroffenen sollen unter anderem besser gegen Scheinselbstständigkeit geschützt werden. 

Bundesagrarminister Cem Özdemir dringt seit Wochen auf konkrete Schritte zu einer dauerhaft gesicherten Finanzierung für den Umbau der Tierhaltung. Jetzt nehmen Özdemirs Pläne für einen „Tierwohlcent“  konkrete Formen an: Ein Eckpunktepapier ist an die Ampelfraktionen verschickt worden.

Der Haushalt für das laufende Jahr hat die Ampel-Koalition an ihre Grenzen gebracht. Jetzt ist das Budget im Bundestag endlich beschlossen. Die Opposition meint: Sparen sieht anders aus.

Ab dem 1. Februar erhöht die Stadt Wiesbaden die Kurtaxe auf den Rekordwert von fünf Euro erhöht. Auch Geschäftsreisende müssen zahlen. Nun schlagen Hoteliers und Gastronomen Alarm.

Der Hamburger Musikclub Molotow kann vorerst bis Ende 2024 an seinem aktuellen Standort weiterbetrieben werden. Eigentlich soll anstelle des Musikclubs ein Hotel entstehen. Mehr als tausend Menschen hatten Ende letzten Jahres gegen die Pläne demonstriert.

Was bislang schon für unverpacktes Rindfleisch sowie verpacktes Fleisch aller Tierarten galt, ist jetzt auch generell für unverpacktes Fleisch vorgeschrieben. Noch gilt die Regelung nicht für die Gastronomie. Der DEHOGA setzt auf freiwillige Lösungen.