Corona: Regelungs-Wust erzürnt Wirtschaftsverbände

| Politik Politik

Wirtschaftsverbände laufen Sturm gegen das uneinheitliche Vorgehen der Bundesländer bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Besonders an vereinzelten Beherbungsverboten für Gäste aus innerdeutschen Risikogebieten nehmen der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Anstoß. Aber auch aus der Ärzteschaft gibt es Kritik. Der Virologe Christian Drosten hält es derweil für notwendig, dass es bald wieder mehr bundeseinheitliche Regelungen gibt.

In einer Reihe von Bundesländern haben die Herbstferien begonnen. Wer aber aus einem Corona-Hotspot kommt, wird in einigen Bundesländern mit einem Beherbungsverbot belegt. Das trifft etwa viele Berliner, die in den Ferien an die Ostseeküste wollten. In der Hauptstadt wurde am Freitag erneut der für Reisen in andere Bundesländer wichtige Wert von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen überschritten.

Berlin versucht, mit strengeren Corona-Regeln der Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken. Neue Vorschriften gelten ab diesem Samstag. Von 23.00 bis 6.00 Uhr müssen Restaurants, Bars, Kneipen und die meisten Geschäfte geschlossen sein. Bei privaten Zusammenkünften in geschlossenen Räumen dürfen nur noch höchstens 10 Menschen zusammenkommen. Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur noch fünf Personen versammeln.

Am Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Bürgermeistern der elf größten Städte beraten und sich auf eine Reihe von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verständigt. Kommende Woche steht wieder ein Gespräch Merkels mit den Ministerpräsidenten der Länder an, wie Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) angekündigt hatte. Nach dpa-Informationen sollen die Beratungen am Mittwochnachmittag sein.

DIHK-Präsident Eric Schweitzer kritisierte «unkoordinierte Regelungen» bei Beherbergungsverboten. Dies sorge aktuell für große Verunsicherung bei den Unternehmen, sagte Schweitzer den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Schließlich hätten gerade die Betriebe in der Tourismuswirtschaft sichere Hygienekonzepte ausgearbeitet, digitale Lösungen entwickelt und sich unter erschwerten Bedingungen weiter engagiert. In der «Bild»-Zeitung (Samstag) warnte Schweitzer: «Gerade auch im Gastgewerbe können weitere Ausfälle die Existenz von Unternehmen gefährden.» DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte der «Rheinischen Post» (Samstag), im laufenden Jahr erwarte ein Drittel der deutschen Beherbergungsbetriebe wegen der Corona-Krise Umsatzrückgänge um mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges bezeichnete es als «völlig unbefriedigend, dass wir keine bundeseinheitlichen Regelwerke haben». Gäste wie Hoteliers hätten unzählige Fragen und wüssten nicht, was jetzt im Detail gelte. «Daher muss dringend mehr Einheitlichkeit her», forderte Hartges in der «Passauer Neuen Presse» (Online/Samstag). So müsse zum Beispiel generell klar sein, dass Geschäftsreisende von den Beherbergungsverboten ausgenommen werden.

Unmut kommt auch aus der Ärzteschaft. Der Chef des Kassenärzte- Verbandes, Andreas Gassen, warf den Ländern auch überzogene Maßnahmen vor. «Diese Regelungswut ist oft eher kontraproduktiv», sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag). Gassen bezeichnete innerdeutsche Reisen als «Pseudo-Gefahr». Masseninfektionen gebe es durch traditionelle Großhochzeiten, in Fleisch verarbeitenden Betrieben und durch unkontrolliertes Feiern. Auch Sperrstunden und Alkoholverbote wie in Berlin seien «mehr als fragwürdig». «Durch den Wust an nicht nachvollziehbaren Regelungen verlieren wir aber eventuell die Akzeptanz für die Maßnahmen, die wirklich etwas bringen», warnte Gassen.

Warnungen, die Pandemie könnte außer Kontrolle geraten, wertete er als überzogen. «Wir müssen aufhören, auf die Zahl der Neuinfektionen zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange, das führt zu falschem Alarmismus», sagte Gassen. «Selbst 10 000 Infektionen täglich wären kein Drama, wenn nur einer von 1000 schwer erkrankt, wie wir es im Moment beobachten.» Zuletzt war die Zahl der registrierten Neuinfektionen in Deutschland auf mehr als 4000 Fälle am Tag deutlich angestiegen.

Der Virologe Drosten hält in den kommenden Monaten wieder mehr bundeseinheitliche Regelungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für notwendig. «Es ist gut, wenn es klare Regeln gibt. Das ist ganz eindeutig», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Sie durchzusetzen sei angesichts einer regional unterschiedlichen Häufigkeit der Krankheit derzeit verständlicherweise noch schwierig, räumte der Experte ein. Er betonte aber: «Das Virus wird sich immer gleichmäßiger verteilen. Wir werden mehr und mehr in eine Situation kommen, wo man besser pauschal reguliert».

FDP-Generalsekretär Volker Wissing forderte, dass sich alle Bürger unkompliziert testen lassen können. «Tests für alle wären sehr gut», sagte Wissing der «Rhein-Zeitung» (Samstag). «Die Bürger sollten die Möglichkeit haben, niederschwellig, ohne groß zu diskutieren, ohne sich irgendwo anzumelden, Erklärungen oder Begründungen abzugeben, sich einem Test zu unterziehen», betonte er.

Zurück

Vielleicht auch interessant

Der Streit zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung des geplanten Entlastungspakets spitzt sich zu. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat die Länder scharf vor einem Scheitern der geplanten Mehrwertsteuersenkung für Speisen in der Gastronomie gewarnt. Jetzt äußerten sich weitere Politiker und Verbände.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat angesichts des anhaltenden Streits über die Verteilung der Steuerausfälle mit einem Scheitern der geplanten Entlastungen für die Gastronomie und Pendler gedroht. Die Länder fordern eine Kompensation der zu erwartenden Mindereinnahmen durch den Bund.

Entlastung für eine krisengeschüttelte Branche: In einer öffentlichen Anhörung im Bundestag bekräftigen Wirtschaftsvertreter und Fachexperten die Notwendigkeit der geplanten Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen von 19 auf sieben Prozent. Kritiker stellten die fiskalischen Kosten und die soziale Treffsicherheit der Maßnahme infrage.

Österreichs Tourismuswirtschaft erhält neue Rahmenbedingungen im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Die Bundesregierung beschließt nicht nur eine Erhöhung der Saisonkontingente, sondern auch die Einrichtung eines Beschäftigtenfonds.

Der Chef darf ab dem ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest verlangen. Diese Regel zu ändern, könnte Ärzte entlasten. Die Gesundheitsministerin zeigt sich überraschend offen für die Idee.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mobilisiert am 23. Oktober Essenskuriere und Support-Mitarbeiter. Hintergrund sind die Pläne des Essenslieferdienstes zur bundesweiten Auslagerung von etwa 2.000 Arbeitsplätzen.

Die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand, ein Zusammenschluss von zehn Wirtschaftsverbänden, legte nun ihren zweiten Mittelstandsmonitor vor und zieht erneut eine ernüchternde Bilanz der politischen Rahmenbedingungen.

Der Dehoga in Hessen lehnt das geplante EU-Verbot von Bezeichnungen wie «Veggie-Burger» ab. Warum der Verband und ein veganes Lokal vor mehr Bürokratie und Verunsicherung von Kunden warnen.

Die Stadt Konstanz meldet eine Trendwende beim Müllaufkommen im öffentlichen Raum und führt diese auf die seit 1. Januar 2025 erhobene Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen für Speisen und Getränke zum Sofortverzehr zurück. Parallel dazu äußern Verbände Kritik an der Bewertung der Stadt und bemängeln das vorschnelle Fazit.

Der Verband der Veranstaltungsorganisatoren hat das Bundeskartellamt über mögliche Wettbewerbsbeschränkungen und eine zunehmende Marktkonzentration im Bereich der MICE-Buchungsportale informiert. Nach Auffassung des Verbands droht in diesem zentralen Marktsegment für die deutsche Wirtschaft eine „gefährliche Ballung von Marktmacht“.