DEHOGA und IHA: Neuer Entwurf des Infektionsschutzgesetzes rechtswidrig

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Der Bundestag hat am letzten Freitag den Entwurf eines Infektionsschutzgesetzes beraten. Die Regierungskoalition hat hier kurzfristig die Möglichkeiten zur Beschränkung der Gastronomie und Beherbergungsverbote in den Text geschrieben. Da keine Entschädigungen vorgesehen sind, reagieren die Verbände scharf. Auch führende Rechtswissenschaftler üben Kritik.

Konkret geht es um denEntwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in dem, im Gegensatz zu den vorherigen Entwürfen nun auch die Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten geregelt werden. Weitere Punkte sind unter anderem die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs gastronomischer Einrichtungen sowie Reisebeschränkungen. Hintergrund ist laut Entwurf die „Notwendigkeit einer Reduzierung von physischen Kontakten“. 

Eine Beschränkung von Übernachtungsangeboten sei zudem geeignet zur Reduzierung der Mobilität in der Bundesrepublik und damit zur Sicherstellung der Verfolgbarkeit von Infektionsketten sowie allgemein zur Minimierung der Sozialkontakte und damit zu einer Verlangsamung der Ausbreitung des Virus beizutragen. 

Der Entwurf sieht jedoch einen Rechtsanspruch auf Entschädigung nicht vor. Hiergegen verwahren sich der DEHOGA Bundesverband und der Hotelverband Deutschland (IHA) nachdrücklich. Warum das Vorhaben für das Gastgewerbe „völlig inakzeptabel“ und auch „rechtswidrig“ sei, haben die Verbände in der letzte Woche auch in einer Stellungnahme gegenüber der Politik verdeutlicht.

Weshalb ist die Regelung inakzeptabel?

Der DEHOGA sagt: „Auffassung nach wäre eine solche Regelung ohne anwendbare Kompensationsbestimmung rechtswidrig. Die möglichen Beschränkungen und faktischen Betriebsschließungen, die nach der neuen Vorschrift möglich sein sollen, stellen massive Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Rechte wie die Berufsausübung und Gewerbefreiheit dar. Sie bedürfen zwingend gesetzlich zu regelnder staatlicher Ersatzleistungen. Es muss eine klare und unmissverständliche Entschädigungsregelung im Infektionsschutzgesetz geschaffen werden, die Entschädigungen ausdrücklich regelt, die durch die Maßnahmen nach § 28a IfSG begründet werden. Diese Auffassung sehen wir auch durch die aktuelle erste Rechtsprechung zum November-Lockdown ausdrücklich bestätigt. So hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg in seiner Entscheidung vom 4. November 2020 einen Eilantrag auf Außervollzugsetzung des verordneten Beherbergungsverbotes vornehmlich mit der Begründung abgelehnt, dass entsprechende Entschädigungsansprüche im gemeinsamen Eckpunktepapier der Bundesregierung und der Länder vom 28. Oktober 2020 ausdrücklich zugesagt wurden. Der Verwaltungsgerichtshof München hat in seinem Beschluss vom 5. November 2020 zum Beherbergungsverbot in Bayern ausdrücklich berücksichtigt, dass für die betroffenen Betriebe erhebliche staatliche Entschädigungsleistungen für den Umsatzausfall angekündigt worden seien.“

Der Deutsche Reiseverband (DRV) und der Deutsche Tourismusverband (DTV) kritisieren, dass die Reisefreiheit mit Übernachtungsverboten weitreichend eingeschränkt werde. Dabei liefere der Gesetzentwurf keine ausreichende Begründung, warum Beherbergungsverbote geeignet und erforderlich sein sollen, das Pandemiegeschehen maßgeblich zu beeinflussen. Vielmehr hätten die Auswertungen des Robert-Koch-Institutes in den vergangenen Monaten gezeigt, dass Reisen und touristische Übernachtungen im In- und Ausland nicht zu einer erhöhten Verbreitung des Virus geführt haben. Maßgeblich sind nach wie vor die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln besonders im familiären Umfeld.

DTV und DRV zeigen sich zudem überrascht, mit welcher Geschwindigkeit das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz beraten und beschlossen werden soll. Der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes, Norbert Kunz betont: „Der rechtlich komplexe Gesetzentwurf soll in nicht einmal zwei Wochen das gesamte parlamentarische Verfahren von der ersten bis zur dritten Lesung durchlaufen. Weder der Tourismusausschuss noch der Kulturausschuss des Deutschen Bundestages waren zunächst für die Mitberatung vorgesehen, obwohl der Tourismus und der Kulturbereich stark von den vorgesehenen Regelungen betroffen sein werden.“ Dirk Inger, Hauptgeschäftsführer des DRV ergänzt: „Für die Tourismusbranche stehen u.a. Beherbergungs- und Reiseverbote, Restaurantschließungen und Veranstaltungseinschränkungen und -verbote im Raum. Zu der am Donnerstag anstehenden Anhörung des Bundestagsgesundheitsausschusses sind fast ausschließlich Sachverständige aus dem Gesundheitswesen sowie juristische Sachverständige geladen. Vertreter der betroffenen Wirtschaftsbranchen werden dagegen nicht angehört. Das empfinden wir angesichts der Tragweite der vorgesehenen Regelungen als nicht angemessen.“

Führende Juristen üben ebenfalls Kritik

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier bezeichnete den Gesetzentwurf als „Persilschein“ für die Bundesregierung, da Abwägungsentscheidungen zwischen Gesundheitsschutz und Freiheitsrechten vom Parlament in vollem Umfang an die Exekutive delegiert würden. Explizit unterstützt er unsere Haltung hinsichtlich notwendiger Entschädigungsleistungen: "Ich vermisse eine gesetzliche Regelung des finanziellen Ausgleichs etwa für Unternehmen und Selbstständige, soweit sie mit einem Öffnungs- oder Betätigungsverbot belastet werden, egal ob ihre Tätigkeit ein erhöhtes Infektionsrisiko begründet." Der frühere Landesinnenminister von Schleswig-Holstein Prof. Dr. Hans Peter Bull erklärte, dass der Staat verpflichtet sei, Unternehmen für ihre Sonderopfer zu entschädigen: „Dies gilt auch, wenn die staatlichen Eingriffe von den Gerichten für rechtmäßig gehalten werden. Denn auch rechtmäßige Maßnahmen begründen einen Ausgleichsanspruch, wenn sie – wie hier – Einzelne oder Gruppen ungleich treffen.“ Es sei erstaunlich, dass dieser Aspekt in der politischen Diskussion über die Hilfeleistungen für die Wirtschaft bisher kaum berücksichtigt worden sei. Der frühere langjährige Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach bestätigt diese Sicht: Selbst wenn man diese Art von Lockdown für zwingend notwendig halte, wäre eine klare gesetzliche Entschädigungsregelung aus seiner Sicht zwingend: „Wir sprechen hier ausdrücklich und ausschließlich von Betrieben, die sich komplett gesetzeskonform verhalten haben und denen – im Gegensatz zu anderen Branchen  - unbestritten ein Sonderopfer abverlangt wird. Aus gesellschaftlicher Verantwortung.“

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